Abbildungsqualität von Objektiven - was kann ich erwarten?

Begonnen von Läpplappen, März 01, 2014, 16:00:45 NACHMITTAGS

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Läpplappen

Hallo zusammen,

heute habe ich mir mal 4 Objektive vorgenommen die meinem Metalloplan beilagen.
Alles Leitz-Objektive vom Typ NPL. Das 50x und 100x scheinen rein vom Design her eines älteren Datums zu sein (Stahl, blank mit schwarzer Schrift), während das 10x und 20x ganz anders aussehen (verchromt mit roter Schrift).
Alle Aufnahmen wurden mit möglichst wenig Optik im Strahlengang (keine Filter, ohne Variotubus) aufgenommen. Der Kamerachip saß direkt in der Fokalebene der Tubuslinse, also ohne Projektiv oder dergleichen. Die stellenweise Überbelichtung ist gewollt um die Beugungsringe besser zu sehen, gleiches gilt für den großen Abbildungsmaßstab. Alle Bilder sind "gleich groß", also nicht nachvergrößert.

Aus der Astronomie und der Theorie weiß ich wie Beugungsbilder aus zu sehen haben. Nun sind in so einem Mikroskop ja ein paar mehr optische Elemente verbaut, die ganze bewegliche Mechanik bringt Unsicherheiten und so kleine fusselige Linsen sind richtig schwierig herzustellen und zu zentrieren. Trotzdem bin ich eigentlich nur mit der Abbildung vom 10x und 20x (Bild 1 und 2) halbwegs zufrieden. Das 50x mag vielleicht noch gehen, aber das 100x finde ich grausig.
Was kann ich erwarten? Ist das normal, oder wurden die Objektive misshandelt? Mangels Vergleichsoptik fehlt mir da jeder praktische Bezug und ich würde mich über Eure Einschätzungen sehr freuen bevor ich die Objektive gegen Neue/Gebrauchte tausche.


Bild 1


Bild 2


Bild 3


Bild 4

Viele Grüße,
Raphael

wilfried48

Hallo Raphael,

das ist ja mal was ganz neues die Qualität von Objektiven anhand der Abbildung von kleinen Löchern (pinholes) beurteilen zu wollen.

Ich nehme an du gehst davon aus dass ein gutes Objektiv ein Loch mit von Lochgrösse und Apertur des Objektivs abhängigen gleichmässigen konzentrischen Beugungssäumen umgeben sein müsste. Aber dazu müssten deine Löcher exakt rund sein und der Lochrand rundum in derselben Schärfenebene liegen. Und selbst dann ist mir noch unklar, wie du mit diesem Objekt dann zu Messwerten kommen willst die etwas über Kontrast und Auflösung und dem Zusammenhang dieser Werte also der Modulationsübertragungsfunktion (MTF) des Objektivs kommen willst.

Da ich schon oft Pinholes in dünnen Schichten mit guten Mikroskopen mit einwandfreien Objektiven gesehen habe, kann dir daher nur sagen so in etwa sehen die pinholes auch an einem guten Mikroskop aus.

Zur Beurteilung müsstest du eher ein Objektmikrometer oder ein Auflösungstestgitter abbilden.

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Läpplappen

Hallo Wilfried,

danke für Deine schnelle Antwort.
Richtig, ich gehe davon aus, dass ein Loch (Punktlichtquelle) zu einem Beugungsscheibchen mit mehr oder weniger wohl definierten Beugungsringen wird. Dazu muss man natürlich voraussetzen, dass das Loch deutlich kleiner ist als das (theoretische) Auflösungsvermögen der abbildenen Optik. Rund muss es dann nicht mehr unbedingt sein. Dass die Löcher klein genug sind nehme ich aber, zumindest für die dunkleren, also kleineren, Löcher sehr stark an. Das mit der Schärfeebene erledigt sich bei derart kleinen Löchern. Ferner handelt es sich um eine mit Chrom bedampfte Glasplatte, praktisch identisch zu denen, aus denen Objektmikrometer usw. gefertigt werden. Die Chromschicht ist nur wenige nm dick. Du kannst Dir die in etwa Vorstellen wie Fehler in einem Objektmikrometer. ;)
Zu Messwerten will ich gar nicht kommen - eher zu einer qualitativen Einschätzung ob Punktlichtquellen, egal ob Auf- oder Durchlicht, derart verzerrt widergegeben werden oder ob das normal besser geht.

ZitatDa ich schon oft Pinholes in dünnen Schichten mit guten Mikroskopen mit einwandfreien Objektiven gesehen habe, kann dir daher nur sagen so in etwa sehen die pinholes auch an einem guten Mikroskop aus.

Das ist ja schonmal eine Aussage die mich zwar nicht glücklich macht, aber in die Richtung geht die ich wissen wollte. Danke.

Objektmikrometer, Siemenssterne und sonstige Gitter habe ich ausreichend hier, aber das sind alles flächige Objekte und man sieht dann nur ob das Bild scharf zu bekommen ist, ob es Streulicht gibt oder ob sonst irgendetwas faul ist. Das geht natürlich alles in die MTF ein. Da könnte man dann auch eine MTF ermitteln, das ist richtig. Die Art des Fehlers bleibt aber verborgen und ohne Messung kann man den auch kaum Einschätzen weil auch sehr stark die Kamera und die Beleuchtung in das Ergebnis eingehen. Daher halte ich den Vergleich an Punktlichtquellen für geeigneter um ABBILDUNGS-Fehler zu entlarven wie sie durch Spannungen, Dejustage oder falsche Zentrierung entstehen.

Hier nochmal zwei Bilder eines 10µm-Gitters (Linienbreite, bzw. Lückengröße 5µm)
Dichte der Chromschicht ca. OD4


Bild 1


Bild 2

JB

#3
Zitat von: wilfried48 in März 01, 2014, 16:28:37 NACHMITTAGS
Das ist ja mal was ganz neues die Qualität von Objektiven anhand der Abbildung von kleinen Löchern (pinholes) beurteilen zu wollen.

So unueblich ist das nicht: http://www.funsci.com/fun3_it/sini/st/schede_1-5.pdf

Was wuerde sich denn besser eignen um die Abbildung von punktfoermigen Objekten zu ermitteln, als ein pinhole ohne Tiefenausdehnung?

Jon

Mikroman

Hallo Jon,

also für mich war es etwas überraschend und da mir der Vergleichsmaßstab fehlt, könnte ich auch nicht beurteilen, wie gut oder wie schlecht die Objektive jetzt abbilden. Etwas anderes aber ist mir aufgefallen:

Der Kamerachip saß direkt in der Fokalebene der Tubuslinse, also ohne Projektiv oder dergleichen.

Hier wird von der Voraussetzung ausgegangen, dass die Kamera ein vollkorrigiertes Zwischenbild aufnimmt, da hier kein Okular oder Projektiv mehr im Spiel war. Davon ist aber, glaube ich, bei Leitz (auch bei den Unendlichobjektiven) nicht auszugehen. Auch im Auflichtstrahlengang (wie im Durchlichtstrahlengang) sitzt im Bino-/Triontubus stets ein Periplanokular. Wird ohne Okular aufgenommen, sind (verfälschende) Restfehler vorhanden.

Gruss

Peter
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
ist ein unvernünftiges Vergeuden der Weltsubstanz (Juarroz, 9. Vertikale Poesie,1)

Stefan_O

Hallo Raphael,

warum ist das Bild 2 nicht scharf abgebildet? So nahe an der Auflösungsgrenze bist Du ja nicht. Kannst Du mal ein Foto vom Objektiv selbst machen oder die komplette Bezeichnung mitteilen?

Gruss,
Stefan

JB

Zitat von: Mikroman in März 01, 2014, 17:23:40 NACHMITTAGS
Davon ist aber, glaube ich, bei Leitz (auch bei den Unendlichobjektiven) nicht auszugehen. Auch im Auflichtstrahlengang (wie im Durchlichtstrahlengang) sitzt im Bino-/Triontubus stets ein Periplanokular. Wird ohne Okular aufgenommen, sind (verfälschende) Restfehler vorhanden.

Hallo Peter,

Stimmt. Periplan oder Projektiv sind bei Leitz immer notwendig. Das hatte ich ueberlesen. Die muessen also noch in den Strahlengang (auch wenn das das Problem mit dem 50er und 100er nicht loesen wird).

Beste Gruesse,

Jon

Läpplappen

#7
Hallo Peter

ZitatHier wird von der Voraussetzung ausgegangen, dass die Kamera ein vollkorrigiertes Zwischenbild aufnimmt, da hier kein Okular oder Projektiv mehr im Spiel war. Davon ist aber, glaube ich, bei Leitz (auch bei den Unendlichobjektiven) nicht auszugehen. Auch im Auflichtstrahlengang (wie im Durchlichtstrahlengang) sitzt im Bino-/Triontubus stets ein Periplanokular. Wird ohne Okular aufgenommen, sind (verfälschende) Restfehler vorhanden.
Danke für den Hinweis. Das hatte ich nicht beachtet! Da die Kamera hübsch auf der Achse sitzt kann das aber kein Grund für diese komatöse Abbildung sein. Durch das Fehlen des Periplans können auf der Achse maximal Farbfehler oder rotationssymmetrische Fehler wie spärische Aberration auftreten. Allerdings sollte das Bild mit Periplan schärfer werden und das erklärt, weshalb das Bild der Kamera noch ein bisschen schlechter war als im Okular! Aber die grobe Koma war in gleicher Stärke auch im Okular sichtbar.

Raphael

Edit: Nachtrag:
Mit Periplan als Projektiv wird das Bild zwar schärfer, aber die Abbildungsfehler beim 50x und 100x bleiben bestehen. Leider muss ich mein Spielzeug jetzt erst mal bis Morgen ruhen lassen - dann gibts auch ein Foto vom Objektiv.

wilfried48

#8
Hallo Raphael,

ich bleibe bei meiner Behauptung dass die "Abbildungsfehler" auch durch Unsymmetrien der angeblich runden und unebenen Lochränder zustande kommen können.

Man müsste bei einem solchen Prüfverfahren mit einem überlegenen Verfahren REM oder AFM dies verifizieren oder falsifizieren.

Aber du kannst es villeicht sogar mit deinen eigenen Aufnahmen verifizieren.

Beim 10x und beim 20x Objektiv hast du z.B. in einem Bild sowohl rotationssymetrische als auch verzerrte Beugunsbilder. Hat da das gleiche Objektiv mal Koma und mal kein Koma ?

Nimm doch dann mal das rotationssymetrische Loch z.B. aus der 20 x Aufnahme und bilde es mit dem 100 er ab ob es dann verzerrt wiedergegeben wird.

Die Testgitter aber müssten auf jeden Fall mit grösserer Kantenschärfe abgebildet werden. Aus dem Intensitätsabfall an solchen Kanten lässt sich durch Fouriertransformation die MTF berechnen. Peter Höbel hat dies hier im Forum schon gemacht. Ich finde aber gerade den thread nicht.

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Klaus Henkel

Guten Abend Raphael!

Nur absolute Spezialisten unter den Mikroskopikern werden etwas mit Beugungsbildern von schwarzen oder hellen Löchern anzufangen wissen. Ich jedenfalls kenne keinen.

Wenn Sie gut wären, uns immer als erstes Aufnahmen von einem ordentlichen Objektmikrometer anzufertigen? Damit kennt man sich in diesem Forum besser aus, da können wir dann mitreden.

Grüße KH

Haus@Hund

Hallo Raphael,

genau diesen Sterntest machen wir auch in unserer Objektiv-Fertigung. Gerade bei den 100:1 sieht man damit sehr schön, wenn die Linsengruppen nicht gut gesetzt sind. Und wie bei den Teleskopen werden die künstlichen Sterne auch danach beurteilt, ob die Beugungsbilder bei Defokussierung in beiden Richtungen (aufwärts und abwärts) gleich stark und gleichmäßig "aufgehen". Tun sie das nicht, ist etwas faul. Dein 100er hat jedenfalls eine prächtige Koma...

Gruß
Jörg

JB


peter-h

Hallo Raphael,

wenn es mit dem Testpräparat nicht möglich ist 4 Aufnahmen um je 90° gedreht zu machen um so die unregelmäßige Struktur der kleinen Löcher auszuschalten, dann folgender Versuch.
Man nehme ein kleines Stückchen Alu-Haushaltsfolie (20µm) und halte diese Folie in ein Ultraschallbad. Es dauert nicht lang und man sieht wie es diese Folie praktisch auflöst. D.h. es werden winzige Löcher "gefressen". Damit hat man eine große Auswahl an Löcher mit verschiedenen Größen und kann zudem das Folienstück leicht drehen.
Wenn sich nun die Schweife und Muster nicht mitdrehen, so kann man vermuten, dass die Fehler vom Objektiv stammen. Es lassen sich damit aber nur Koma und Astigmatismus nachweisen.
Am Teleskop (Celestron C8 und C14) habe ich mit Sterntests viele Stunden verbracht. ;D
Für das Mikroskop habe ich eine kleine versilberte Platte mit winzigen Löchern. Wenn sie gut rund sind kann man auch Öffnungsfehler feststellen.

Gruß
Peter

konfokal

#13
Welche Rückschlüsse auf Objektivfehler sich aus Beugungsbildern am künstlichen Stern ziehen lassen, erfährt man am Beispiel astronomischer Teleskope z.B. auch in

H. Rutten, M. van Venrooj "Telescope Optics"
oder
H. R. Suiter "Star Testing Astronomical Telescopes. A Manual for Optical Evaluation and Adjustment"

Um die MTF zu berechnen bräuchte man verschiedene Ortsfrequenzen, weil der Kontrast davon abhängt. D.h. Löcher in regelmäßigen Abständen und jeweils verschiedener Entfernung, sprich verschieden enge / weite Gitter, deren Kantenkontrast man außerdem an verschiedenen Bildorten ermitteln müßte, um den Funktionsverlauf zu bestimmen. Aufwendig, wenn es aussagekräftig werden soll. Nicht vergessen darf man dabei, dass Messergebnisse wie MTF nicht für sich selbst sprechen, sondern immer interpretiert und bewertet werden müssen und dabei auch wahrnehmungspsychologische Aspekte eine große Rolle spielen.

So weiß man z.B. dass für den visuellen Schärfeeindruck vom Auge die Kontrastwiedergabe bei etwa 10 lp/mm ganz besonders wichtig ist. (Heynacher, Zeiss, ca. 1960?) Will sagen, Objektive die bei 20 lp/mm messtechnisch gut aussehen, müssen nicht zwangsläufig auch visuell (bei ca. 10 lp/mm) einen guten Eindruck hinterlassen... usw. Umgekehrt gibt es Objektive, die MTF-messtechnisch nicht herausragend sind, aber dennoch augrund anderer Eigenschaften für ihre Abbildung gerühmt werden (z.B. einige Foto-Tessare, bei denen z.b. der Verlauf ihrer Vignettierung und ihrer Schärfentiefe einen wahrnehmungspsychologisch vorteilhaften Eindruck macht).

Kommt hinzu, dass individuelle Unterschiede im Wahrnehmungsvermögen (z. B. Farbdifferenzierung, Farbkontrast, Visus etc.) dem einen dieses, dem anderen jenes Objektiv "besser" erscheinen lassen können. Wer eine möglicherweise unbemerkte Farbschwäche hat, wird sich an Chromasie weniger stören, wessen individueller Astigmatismus zufällig von einem Objektiv "korrigiert" wird, wird ein Objektiv vielleicht besonders schätzen, mit dem ein anderer nicht so gut zurechtkommt, usw.

Will sagen, Messungen (oder der Blick auf Objektmikrometer) sind schön und gut, sie mögen so manche Abbildungsfehler offenbaren, Vergleiche erlauben und die Spreu vom Weizen trennen. Sie sagen aber nicht immer alles über die visuelle Leistung im Zusammenspiel mit einem individuellen Auge (oder individuellen Geschmack) und sollten daher nicht von vornherein verabsolutiert werden.    

peter-h

Hallo konfokal,

es ist schon einige Zeit her und war nur für die Makrotechnik ein Versuch die Qualität verschiedener Systeme zu testen. Eine Menge Arbeit, da die Auswertung mehrere Programme benötigte. Das könnte man (nicht ich) nun auch für Mikroobjektive starten.
http://www.mikroskopie-ph.de/Makrotechnik.pdf

Gruß
Peter