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Amöboider Flagellat ?

Begonnen von novus, Juli 24, 2014, 14:52:55 NACHMITTAGS

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novus

Hallo!

In einer Probe aus einer Wasserpfütze im Wald habe ich amöboide (?) Flagellaten gefunden, die ich erstens nicht bestimmen kann und die zweitens etwas machen, das ich nicht verstehe.

Ich wäre dankbar für jeden diagnostischen Hinweis, Familie oder Gattung würden mir genügen, dann könnte ich selbst weitersuchen. Im Moment weiss ich nicht, worauf ich meine Aufmerksamkeit richten sollte.

Die Bilder sind, wie sie sind, aber sie sind m. E. durchaus informativ.

Bild 1 - 630x, leicht gequetscht (vier verschiedene Bilder desselben Individuums)


Bild 2 - 160x,  nicht gequetscht, frei schwimmend, verschiedene Individuen


Bild 3 - 160x, nicht gequetscht, frei schwimmend, verschiede Individuen



Abgesehen von der Klassifizierung: Wieso bilden diese Organismen eigentlich diese Verbände? Wieso bilden sich da ,,Pseudopodien" und berühren sich, und auch das nur fast? Was machen die da eigentlich?

Herzliche Grüße,
Michael

Klaus Henkel

Guten Tag Michael!

Amöboid nicht, sondern metabolisch. Das sind keine Pseudopodien, sondern der Körper ist stark veränderlich. Die Geißel macht es sehr wahrscheinlich, daß es sich um eine Euglenenart (Augenflagellat ) handelt. Sie können sich im Streble/Krauter zunächst an der Länge der Geißel orientieren. Machen Sie doch mal Fotos im normalen, geraden Hellfeld, so daß man ordentlich hindurchsehen kann und auch die Farben erkennt - keine schiefe Beleuchtung, kein DIK, kein Phako.

Was die da machen, weiß ich nicht, es könnte sein, daß es sich um ein Verhalten bald nach einer Zellteilung handelt und die scheinbar zusammenhängenden Individuen aber tatsächlich noch eine zeitlang durch Plasmastränge o. ä. eineinander haften.
Sie müssen die Texte und das Allgemeine lesen, das Sie im Streble/Krauter im Kapitel Stämme, Klassen, ordnungen finden. Im Bestimmungsteil sind zu wenige Arten abgebildet. Viel menr finden Sie im Ettl et al. und bei Huber-Pestalozzi.

Wie viele Stunden haben Sie denn die Euglenen beobachtet? Sie können auch Angaben über die Wasserqualität des Waldtümpels machen, die Färbung der Euglenen, die als normal erscheinende Körperlänge und ihr sonstige Verhalten, wenn bevor sie plattgequetscht sind. Dann auch, wie Sie die Proben seit dem Fang behandelt haben usw. Und was machen die Algen den jetzt? Verhalten unverändert?

Gruß
KH

novus

Guten Tag, Klaus Henkel,

sie haben recht, wenn sie DIC nicht als ultima ratio ansehen. In diesem Fall würde Hellfeld allerdings keinen Unterschied machen, denn es gibt dort nichts zu sehen, was man hier nicht auch sehen kann. Diese Flagellaten haben keine Augenflecken, keine Chloroplasten, keine Pyrenoide und keine Pyramylonkörper. Die Pellicula ist auch nicht gestreift oder in irgendeiner Art strukturiert und die Zellen sind farblos, es gibt weder Chlorophyll noch ß-Carotin o. ä. Man würde all diese Merkmale auch im DIC problemlos erkennen können, ich habe das bei anderen Flagellaten schon oft gesehen und es gibt auch hier im Forum viele Fotos, die das belegen.

Bei diesen Flagellaten ist nur ein kleiner Nukleus in der Nähe des Kanals sichtbar (wie auf Bild1, links unten), Vakuolen und hin und wieder sind im Zellkörper kleine Kristalle eingelagert, die so aussehen wie die Kristalle bei Paramecium oder bei manchen Amöben. Das sind keine Algen, das müssen Zooflagellaten sein.

Euglena kann es daher leider nicht sein, auch nicht Astasia, Lepocinclis oder Cyclidiopsis.  Peranema oder Heteronema scheiden, soweit mir da Beschreibungen vorliegen, auch aus, weil u.a. die Bewegungsform der Geisseln nicht passt. Tatsächlich passt nichts aus dem Streble/Krauter,  auch nicht von den Seiten mit den Zooflagellaten und auch nichts aus dem Anhang.  Ettl und Huber-Pestalozzi kenne ich nicht, wenn Sie mir die Titel nennen könnten, würde ich mir die besorgen, oder in der Uni-Bibl. ausleihen, denn bzgl. der Flagellaten gibt mein Bücherregal noch nicht viel her.

Mit der metabolischen Bewegung könnten Sie natürlich recht haben. Ich war mir nicht sicher, weil ich metabolische Bewegungen bislang nur von Astasia oder Euglena kenne und bei diesem Arten läuft sie relativ schnell ab. Bei diesen Organismen hingegen deutlich langsamer. Bei dem Individuum, das auf Bild1 zu sehen ist, kam es sogar zu einer Teilung des hinteren Endes (das konnte ich im Foto aber nicht gut einfangen) und das habe ich bei einer metabolischen Bewegung  bislang noch nicht gesehen.

Ob es sich bei den ,,Verbänden" um Zellteilungsphasen handeln könnte, ist ein interessanter Punkt. Ich habe die Proben letztes Wochenende mehrfach unter dem Mikroskop gehabt und kann sagen, dass es sich meistens um Gruppen aus drei Individuen handelte. Das Verhältnis von 2er- zu 3er-Gruppen war so ungefähr 2 : 8. Es können natürlich trotzdem Zellteilungen sein, ich verstehen dann jedoch nicht, wieso regelmäßig ein dritter Flagellat dazu kam.

Übe die Wasserqualität kann ich nichts sagen, weil ich mir daher Hinsicht der Einteilung nicht sicher bin.  Es war eine Pfütze in einer Vertiefung im Waldboden (wir reden über ca. 2-3 qm), mit Schlammteilchen und Pflanzenteilen. Inzwischen dominieren Coleps und Kryptomonaden die Probe, es ist ansonsten alles verschwunden bis auf ein paar bodoide Flagellaten und Rädertierchen. Diese Flagellaten war nur die ersten zwei Tage zu beobachten und auch nur an der Oberfläche des Probenbehälters.


Herzliche Grüße,
Michael Fingerle


novus

Mir ist gerade eingefallen, dass ich den Ettl wahrscheinlich doch kenne, falls es sich um die Reihe "Süßwasserflora von Mitteleuropa" handelt. Davon habe ich sogar drei Bände. Huber-Pestalozzi sagt mir hingegen nichts.

Herzliche Grüße,
Michael

Klaus Henkel

Zitat von: novus in Juli 25, 2014, 12:40:20 NACHMITTAGS
Mir ist gerade eingefallen, dass ich den Ettl wahrscheinlich doch kenne, falls es sich um die Reihe "Süßwasserflora von Mitteleuropa" handelt. Davon habe ich sogar drei Bände. Huber-Pestalozzi sagt mir hingegen nichts.

Herzliche Grüße,
Michael

Ebensolche!

Huber-Pestalozzi, G.: Das Phytoplankton des Süßwassers. Systematik und Biologie. Viele Bände. In: Thienemann, A.: Die Binnengewässer. Einzeldarstellungen aus der Limnologie und ihren Nachbargebieten. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägeli & Obermiller), Stuttgart.      *
Hustedt, F.: Diatomeen. In: Huber-Pestalozzi, G.: Das Phytoplankton des Süßwassers. Systematik und Biologie. 2. Teil, 2. Hälfte. (Reihe Die Binnengewässer. Einzeldarstellungen aus der Limnologie und ihren Nachbargebieten. A. Thienemann (Hrsg.). 550 S. 202 Abb. in zahlreichen Einzeldarstellungen auf Tafeln und im Text. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Erwin Nägele), Stuttgart 1942, Unveränderter Nachdruck 1962.
- Diese Lit.angabe nur als Beispiel aus der Reihe zahlloser Bände.


Ich hoffe, die Geißler leben noch. Sie scheinen sich ja doch sicher zu sein, daß es sich nicht um Algen handelt. Ich dachte zuerst an eine Goldalgenart, muß aber nun doch zugeben, daß mir Ihr Verdacht auf eine amöboide Form mindestens ebenso gut gefällt. Auch bei denen gibt es begeißelte Formen. Auch die amöboide, begeißelte Form eines Schleimpilzes wäre zu bedenken. Nicht außer acht lassen dürfen wir auch Schwärmerstadien, z. B. bei Chrysophyceen.

Auf jeden Fall braucht man ein ordentliche Hellfeld-Aufnahmen mit viel stärkerer Vergrößerung als 160fach. Bei Ihrer ersten Aufnahme geben Sie einen Abb.maßstab von 630:1 an, aber die Geißler sehen da nicht größer als als bei 160:1 aus. Da stimmt doch etwas nicht?
Also: wie groß sind die Geißler denn nun? Das ist ja ganz wesentlich. Hellfeld, mal mit großer, mal mit kleinerer Aperturblende! Knapp belichten, damit nicht alles eine graue Soße ist. In Farbe bitte.
Bis dahin mache ich erst mal Pause.

Wenn Martin Kreutz mitliest, hat er vielleicht einen Tipp für uns? Hallo Martin ...?

Viel Erfolg!
KH

reblaus

Hallo Michael -

könnte sich um Peranema trochophorum handeln. Die nimmt die unmöglichsten Formen an und hat eine lange, dicke, starre Geisel, deren Vorderende als Zugschraube herumwirbelt und das Tier langsam durch das Medium schleppt.

Ich hatte sie auch mal unter "Geißelamöbel" abgespeichert, dann hat sie ein freundliches Mitglied bestimmt - im Wassertropfen ist sie bei den Augenflagellaten, ich habe aber immer bei den Amöben gesucht, allerdings habe ich nie ein Auge gesehen. Größe stimmt auch - ca 50 µm.



Manchmal konnte sich das Tier fast zu einem Knoten verformen.

Viele Grüße

Rolf

Eckhard

Hallo,

Euglenida sind immer an dem speziellen Bewegungsmuster zu erkennen. Wenn Du nach Deinen Beobachtungen Euglena ausschließt, kann es sich um Mastigamoeba longifilum handeln. Hast Du eine Vergrößerung des Ursprungs des Ciliums? Da müsste bei M. longifilum der Kern zu sehen sein.

Herzliche Grüsse,
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

novus

Hallo!

Ich bin seit Samstag nicht mehr in Frankfurt und komme auch nicht mehr ohne weiteres ins Netz, daher kann ich erst jetzt antworten. Erst mal meinen Dank für die vielen informativen Rückmeldungen!

Wenn ich Ende der Woche wieder zuhause bin, werde ich die Gegend noch einmal aufsuchen und neue Proben ziehen, denn in der alten Probe geisselt zur Zeit nichts mehr. Mein Beruf lässt mir leider auch in den Semesterferien nicht so wirklich viel Zeit.

@Klaus Henkel:

Die Abbildungsmaßstäbe stimmen schon. Dass die Flagellaten fast gleich groß aussehen, liegt nur an den Bildausschnitten. In Bild 1 beträgt die Länge des Vergleichmaßstabs links unten 30µm und in den 160er-Bildern 60µm.

Danke für die Literaturangabe, darum kümmere ich mich, wenn ich wieder in Frankfurt bin. So etwas müsste eigentlich in der Fachbereichsbibliothek Biologie stehen.


@reblaus:
Gutes Foto! ist das auch "neues" DIC beim Zeiss-Standard? Bei den in Frage stehenden Flagellaten bewegt sich die Geißel anders als bei Peranema trichophorum. Bei Peranema ist sie langgestreckt und bewegt sich nur am Ende, das habe ich schon selbst gesehen. Bei denen da oben ist die Geißel aber kürzer und bewegt sich über die ganze Länge der Geißel. Ich glaube nicht, dass es Peranema trichophorum ist, weil ich auch das Geißelsäckchen und den Kanal, den ich von P.t. kenne, nicht sehen konnte.


@Eckhard:
Nein, vom Ursprung habe ich leider keine besseren Bilder. Ich habe nur gesehen, dass der Nukleus (das kann man auf den beiden unteren Bildern von Bild 1 gerade so erkennen) "weit vorne", d.h. ganz in der Nähe des Ursprungs liegt. Aber wie nahe er nun genau dran ist, kann ich nicht sagen. Mastigamoeba ist aber eine interessante Idee, die ich auch mal im Hinterkopf behalten werde, zusammen mit den anderen Anregungen.

Mehr kann ich heute nicht sagen. Ich hoffe, dass ich nächste Woche wieder fündig werde; immerhin kamen die Organismen in der Probe so häufig vor, dass die Chancen gut stehen.


Herzliche Grüße und noch einen schönen Sonntag allerseits,
Michael




Ich hoffe, dass ich

Klaus Henkel

Hallo Michael!

Wenn Sie dann wieder available sind, könnten wir überprüfen: Esser, Karl: Kryptogamen. Blaualgen Algen Pilze Flechten. Praktikum und Lehrbuch. Springer-Verlag, Heidelberg 1976. Seite 238, Schemazeichnung Abb. 118, Fig. 3 und 7. Plasmogamie bei Myxomyzeten: Myxoflagellaten und Myxamöben. - Mal sehen.

Gute Nacht!
KH

Klaus Henkel

Hier noch eine interessante Textstelle aus dem Esser:

"Bei reichlicher Ernährung vermehren sich die Myxamöben durch Zweiteilung. Für die Myxoflagellaten ist dies nicht bekannt. Aber schon nach kurzer Zeit beginnen beide Typen sich wie Gameten zu verhalten: sie fusionieren paarweise, wobei sich die Myxoflagellaten mit den Hinterenden aneinanderlagern"

Soweit Esser, Seite 238. Das hat schon was! ... jedenfalls in Bezug auf Ihren Fund.

KH

Eckhard

#10
Hallo Herr Henkel,

Myxoflagellaten haben zwei Geisseln.

Herzliche Grüsse,
Eckhard Völcker

Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

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Klaus Henkel

Zitat von: Eckhard in Juli 28, 2014, 12:24:04 NACHMITTAGS
Myxoflagellaten haben zwei Geisseln.
Eckhard Völcker

Ja. Aber: Wenn die Lebensbedingungen sich verschlechtern, können sie eine davon oder beide abwerfen. Was mir nun noch als Skepsis bleibt ist die Geißelbasis: Auf Michaels Fotos ist die am "dicken Ende" in der Schemazeichnung, diejenigen, die Esser wiedergibt am dünnen. Bei Esser ist das dünne Ende vorne, auf den Fotos hinten, denn im Gegensatz zu den Euglenen sind es bei den Myxomyceten Schubgeißeln.

Deshalb möchte ich erst gerade Hellfeldaufnehmen sehen - mit stäkerer Vergrößerung, dann sehen wir weiter.

Danke für Ihren Hinweis.

Und herzliche Sommersonnengrüße aus Obb.

novus

Liebe "Miträtsler",

ich kann leider nicht Neues beitragen. Ich bin im August zwei Mal an den Ort zurück und habe Proben entnommen, habe aber diese Organismen nicht wiedergefunden. Im Moment muss die Angelegenheit daher erst mal zu den Akten gelegt werden.

Trotzdem: Die sachkundige Unterstützung hat mich wirklich gefreut und ich bereue es wieder mal nicht, dass ich mich in diesem Forum angemeldet habe!

Meinen Dank an alle & herzliche Grüße,
Michael