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Pleochroismus …

Begonnen von Heiko, Dezember 16, 2014, 23:30:43 NACHMITTAGS

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Heiko


... wird es wohl nicht sein, wenn diese SnSO4-Species aus saurer Lösung unter dem Deckglas (ich kann nicht beschwören, ob nicht vielleicht sogar trocken gefallen) bei Drehung des Polarisators (ohne Analysator im Strahlengang) diese Farbeffekte zeigen:





Olaf hatte an dieser Stelle schon einmal die fachlichen Hintergründe illuminiert: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=19251.0

Auffällig ist das Farbspiel der Kristalle aber doch:





Das bringt mich zu einer weiteren Frage. Gibt es Pleo-Effekte bei ,,Reinstoffen"? Oder ist ein ,,Gittergradient" Voraussetzung?
Ich bitte um Nachhilfe.

Viele Grüße,
Heiko

olaf.med

Lieber Heiko,

Zitat... wird es wohl nicht sein

oh doch, fast alle gefärbten Kristalle, es sei denn sie sind kubisch, zeigen Pleochroismus. Dazu ist kein Gradient im Kristallgitter erforderlich.

Das beste Beispiel für Pleochroismus sind übrigens Deine Polarisatoren im Mikroskop, vorausgesetzt Du hast keine Pol-Prismen verbaut. Die Pol-Folien sind eingefärbte und dann gereckte Kuststofffolien, bei denen die Makromoleküle mit den anhängenden Farbstoffen sich durch die Zugspannung perfekt parallel ausgerichtet haben. Der Farbstoff ist pleochroitisch, sodass die Folien dann in der einen Schwingungsrichtung wenig und in der anderen Schwingungsrichtung (fast) alles Licht absorbieren.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Heiko

Lieber Olaf,

danke für Deine Antwort und erlaube bitte etwas ,,Nachquengelei".

Farbigkeit ist aber nicht Voraussetzung für Pleochroismus – oder? Ich frage deshalb so unbedarft, weil die Kristalle ja an sich farblos sind.
Oder ist Deine Aussage so zu verstehen, dass Farbigkeit Voraussetzung ist, um Farbunterschiede feststellen zu können – soll heißen, dass durch Polarisation farbige Strukturen Pleo-Verhalten zeigen (können)?

Du merkst, ich bin verwirrt ...

Das letzte Foto: Farbeffekte sind den Brechungsindex-Unterschieden geschuldet – oder?

Viele Grüße,
Heiko

olaf.med

#3
Lieber Heiko,

eigentlich sollten Deine Kristalle gefärbt sein, das erkennt man ja an den zwei Individuen im ersten Bild rechts oben, die unter ca. 90° miteinander verwachsen sind. Sie zeigen sehr zarte, aber unterschiedliche Farben - das ist der Pleochroismus!

Pleochroismus ist ja die unterschiedliche Absorption in verschiedenen Raumrichtungen. Ist die Absorption über das gesamte Spektrum gleich resultiert eine Schwächung der Intensität ohne Farbigkeit (Grauwerte), ist die Absorption für verschiedene Wellenlängen unterschiedlich, ergibt sich eine Färbung. Pleochroismus ist also nicht norwendigerweise mit Farbigkeit verbunden.

Der Kristall in Deinem letzten Bild ist nicht durch Brechungsindexunterschiede am Rand anders gefärbt als in der Mitte, sondern durch seine Geometrie. Seine Dicke nimmt zum Rand her ab wie in dieser Skizze:



Offensichtlich ist er aber sehr klein (oder mit zu hoher Apertur fotografiert), sodass man die schöne abnehmende Interferenzfarbfolge durch die Überstrahlung nicht deutlich sieht.
Herzliche Grüße,

Olaf
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micromax

Lieber Olaf,

Dein letzter Satz macht mich stutzig:

ZitatOffensichtlich ist er aber sehr klein (oder mit zu hoher Apertur fotografiert), sodass man die schöne abnehmende Interferenzfarbfolge durch die Überstrahlung nicht deutlich sieht.

Es ist klar, dass die Doppelbrechung im Kristall von der Dicke abhängt: siehe Michel Lévy Tafel. Das bedeutet, dass bei auskeilenden Kristallen ein Farbverlauf durch die unterschiedlichen Ordnungen sichtbar ist, was man bei Calcit oft sehr schön sehen kann oder eben am Quarzkeil.

Aber wenn ich Dich richtig verstehe, dann lässt sich dieser Effekt mit niederaperturigen Optiken besser darstellen als mit hochaperturigen. Und das verstehe ich nicht. Je höher die Apertur, desto besser ist die Auflösung. Aber so wie Du es beschreibst überlagern sich dann die Farben, d.h. die Auflösung sinkt doch dann wieder?

Vielleicht stehe ich auch auf der Leitung, aber ich bin sicher Du kannst das mit ein paar Sätzen wieder erhellen.

Dafür vielen Dank und Grüße
Thomas

Heiko

Danke, lieber Olaf.

Deinen Ausführungen meine ich soweit folgen zu können. Den durch die Geometrie bedingten Farbverlauf habe ich noch einmal auf's Korn genommen – wieder mit dem 40er und hoffentlich mit etwas besserem Erfolg:



Ich vermute, Dein Hinweis auf die Apertur bezog sich auf die eventuell zu weit zugezogene A.-Blende.

Viele Grüße,
Heiko

P.S.:
Nach Deinem Sandwich-Achsenbilder-Coup (Gratulation!) hoffen wir natürlich auf das didaktische ,,Drumherum".

olaf.med

Lieber Thomas,

bei stark vergrößernden Objektiven und hoher Apertur hat man zum einen die Halo-artigen Überstrahlungen wie in Heikos Bild in seinem ersten Beitrag. Zum anderen durchstrahlt man ja auch das Objekt mit einem Lichtkegel hoher Apertur, sodass man an der gleichen Objektstelle unterschiedliche Gangunterschiede erhält für den senkrechten Strahl und auch für jeden geneigten Strahl. Das summiert sich zu einem blassen, verwaschenen Effekt. Bei geringer Apertur werden daher die Interferenzfarben immer klarer und intensiver. Das zeigt ja auch sehr schön Heikos Bild im letzten Beitrag.

Lieber Heiko,

zur Apertur siehe oben! Danke auch für die Glückwünsche. Das Didaktische habe ich schon vorab geliefert (siehe hier: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=10953.0), aber ich were in den nächsten Tagen noch etwas über die frühe Fotografie der Achsenbilder schreiben.

Herzliche Grüße,

Olaf
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micromax

Lieber Olaf,

danke für Deine Erklärung. Läßt sich das durch Einengen der Aperturblende nachvollziehen? Ich werde es mal ausprobieren.

Grüße
Thomas

olaf.med

Lieber Thomas,

ZitatLäßt sich das durch Einengen der Aperturblende nachvollziehen?

Definitiv und eindrucksvoll.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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micromax

...recht hat er!

Streupräparat von Calcit in Meltmount (n=1,662) aufgenommen mit einem Leitz PL Fluotar 40/0,70

Erstes Bild mit geöffneter Aperturblende, zweites Bild mit geschlossener.





Lieber Olaf, vielen Dank für die Erklärung. Heiko, ich hoffe es macht Dir nichts aus, dass ich Deinen Pleochroismus Beitrag gekapert habe. Ansonsten eine kurze PN und ich lösche den Beitrag wieder raus.

Euch allen ein schönes Wochenende
Thomas

Heiko

Hallo Thomas,

ich finde es im Gegenteil prima, dass Du Dich einbringst – entspricht dem ,,Geist" eines Forums (meine ich).
Bei Deiner Gegenüberstellung erlaube ich mir, die Helligkeit des ersten Fotos etwas anzuheben:



Solches Tun nennt man kapern.  :D

Viele Grüße,
Heiko

olaf.med

Lieber Thomas,

wie langweilig wäre jedes Forum, wenn es nur Zwiegespräche gäbe! Insofern war Dein Beitrag kein "Kapern", sondern eine hochwillkommener Ergänzung, die ja auch zur Verdeutlichung beigetragen hat.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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