Über die Angabe der Autorennamen biologischer Taxa

Begonnen von Gunther Chmela, Februar 26, 2015, 20:40:53 NACHMITTAGS

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Gunther Chmela

Lieber Mikroskopiker,

ich erlaube mir, hier einige Anmerkungen zur Angabe der Autorennamen hinter dem Namen biologischer Taxa zu machen.

1. Die Angabe der Autorennamen bei den wissenschaftlichen Namen biologischer Arten ist eigentlich immer überflüssig, wenn es sich nicht um eine taxonomische Fachdiskussion handelt.
Jeder, der beispielsweise hier im Forum den wissenschaftlichen Namen einer Art nennt (Gattung + Epitheton) tut dies ja in der Überzeugung, daß es sich hierbei um den derzeit gültigen Namen handelt. Und nur dann, wenn jemand die Gültigkeit des Namens (nicht die der Artbestimmung!) anzweifeln sollte, müßte man darüber diskutieren, wer (also welcher Autor) wann diese Art so benannt hat.
Natürlich steht andererseits der Nennung dieser Namen nichts im Wege. Man findet sie ja auch in den allermeisten Floren, Faunen usw., obwohl sie dort ebenfalls überflüssig sind.

2. Der Autorenname bezieht sich nur auf den Namen des Taxons, er sagt nichts darüber aus, welche Stellung die genannte Art im System hat. Vor allem könnten weder der Autor selbst noch dessen Originalbeschreibung der Art über die aktuelle Bedeutung des Namens Auskunft geben (man bedenke, daß laut Art. 47 ICBN sich bei einer Änderung des Taxon-Inhalts der Name nicht ändern darf, sofern das Typus-Exemplar eingeschlossen bleibt).

3. Es ist also festzuhalten, daß der Autorenname kein Bestandteil der Identifikation einer Art ist. So besehen gehört er also gar nicht zum Artnamen, sondern beschreibt nur, wer diesen Namen "erfunden" hat.

4. Gibt man aber den Autorennamen an, so gilt: Der Name wird mit sog. Kapitälchen geschrieben - das sind Großbuchstaben, die geringfügig kleiner sind als die im selben Text verwendeten. Beispiel: Impatiens glandulifera ROYLE, Drüsiges Springkraut.
Es ist natürlich lästig, auf der Tastatur deswegen von Schriftgröße 10 auf 8 umzuschalten, wie ich es hier getan habe. Daher mein Rat: Weglassen!

Noch eine Anmerkung. Ich weiß wohl, daß es Biologen gibt, die etwas anderer Meinung sind, doch stehe ich mit meiner hier vertretenen Meinung keineswegs allein.

Schöne Grüße
Gunther Chmela


JB

Zitat von: Gunther Chmela in Februar 26, 2015, 20:40:53 NACHMITTAGS
Ich weiß wohl, daß es Biologen gibt, die etwas anderer Meinung sind

Auf jeden Fall.

Der Autorenname ist eine Mini-Literaturstelle (Autor und Jahr) und fuer die praktische Arbeit ungemein nuetzlich. Dann sie gibt dem Leser (auch Jahrzente spaeter) noch einen Anhaltspunkt, auf welchen Namen da Bezug genommen wurde.

- in vielen (den meisten?) Faellen ist die Originalbeschreibung die einzige je veroeffentlichte Beschreibung einer Art
- Namen wurden manchmal mehrfach vergeben; die Autorennamen geben zusaetzliche Anhaltspunkte
- identische Namen koennen in Botanik und Zoologie unabhaengig voneinander benutzt werden
- der selbe Name wird in unterschiedlichen Literatur-Traditionen (z.B. in der angelsaechsischen vs. der deutschen Literatur) manchmal fuer zwei verschiedene (i.d.R. eng verwandte) Arten benutzt (Coleopterologen koennen ein Lied davon singen) wenn sie noch nicht rividiert sind; deshalb ist es empfehlenswert nicht nur die Autorennamen anzugeben, sondern auch die Literatur, nach der der entsprechende Organismus bestimmt wurde ("bestimmt nach"; "im Sinne von", "sensu"). Das gebietet sich besonders bei merkmalsarmen Taxa, die oft Sammelarten darstellen und wo die Diskussion ueber den "derzeit gültigen Namen" ziemlich muessig ist
- irgendwie haben es die Altforderen schon verdient, mal gelegendlich beim Namen genannt zu werden. Wer wuerde sich sonst an Groessen wie Fabricius, Illiger, Dejean und Panzer erinnern?
- zoologische Autorennamen werden nicht mit Kapitaelchen geschrieben, dafuer aber mit Jahreszahl

Meine Empfehlung ist, mitschreiben soweit bekannt! Allerdings nur bei der ersten Nennung im Text; bei weiteren Nennungen im selben Text sind die Autorennamen tatsaechlich ueberfluessig.

Beste Gruesse, Jon

Gunther Chmela

Hallo Jon,

ich widerspreche Dir in keinem einzigen Punkt. Allerdings gebe ich zu bedenken, daß wir hier im Forum ja (jedenfalls bisher) keine taxonomischen Diskussionen führen. Und was die vom jeweiligen Autor (hier im Forum) gemeinte Artbeschreibung angeht - da genügt doch der Hinweis darauf, aus welchem Werk (Flora, Fauna, Lehrbuch, oder was auch immer, aber mit Erscheinungsjahr!) der gewählte Name stammt.
Ich wage zu behaupten, daß wohl die meisten von uns hier gar kein Interesse daran haben werden, sich über taxonomische Schwierigkeiten auszutauschen. Was natürlich nicht heißen soll, daß sie es nicht dürften, wenn ihnen danach ist.

Zitat von: JB in Februar 26, 2015, 21:21:33 NACHMITTAGS
- irgendwie haben es die Altforderen schon verdient, mal gelegendlich beim Namen genannt zu werden. Wer wuerde sich sonst an Groessen wie Fabricius, Illiger, Dejean und Panzer erinnern?

Hier schließe ich mich ohne Einschränkung Deiner Meinung an!

Zitat- zoologische Autorennamen werden nicht mit Kapitaelchen geschrieben, dafuer aber mit Jahreszahl

Oh Verzeihung! Da hat der eingefleischte Botaniker in mir wohl nicht über den Gartenzaun geschaut. Tut mir leid. Aber wieso lese ich das in diversen Faunen anders - nämlich mit Kapitälchen?

Beste Grüße
Gunther


reblaus

Aber das sollten wird doch genauer nehmen!

Das ROYLE im Beispiel ist in Versalien dargestellt, erforderlich wären Kapitälchen - und da müsste ja der erste Buchstabe eines Namens größer sein: ROYLE   ;D

Viele Grüße

Rolf



Gunther Chmela

Zitat von: reblaus in Februar 26, 2015, 22:17:26 NACHMITTAGS
Das ROYLE im Beispiel ist in Versalien dargestellt, erforderlich wären Kapitälchen - und da müsste ja der erste Buchstabe eines Namens größer sein: ROYLE   ;D

Voll erwischt, Rolf! Ich senke mein Haupt in Scham (das:  ;D meinerseits siehst Du hoffentlich nicht).

Herzliche Grüße
Gunther

piu58

Ich freue mich immer, wenn L. steht. Dieses Verdienst zu würdigen, sehe ich als angemessen an.
Bleibt dran, am Okular.
--
Uwe

Fahrenheit

Lieber Gunther, lieber Jon,

vielen Dank für Eure Aufklärung! Wieder was gelernt.

Leider lässt sich die korrekte Schreibweise in der Überschrift eines Threads nicht unterbringen, ich habe also noch mal Hand angelegt:
Bergkiefer  :D

Herzliche Grüße
Jörg
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Eckhard

#7
Hallo Herr Chmela,

Leider ist bei vielen Einzellern im Laufe der Zeit die Zuordnung der Gattung mehrfach geändert worden. Deswegen ist der vollständige Name mit Autor und Jahreszahl sinnvoll, denn er verweist auf die Erstbeschreibung. Auch ein längerer Name Gattung Art (Name1 1899) Name2 1902 macht Sinn, denn er erleichtert das Aufstöbern der Literatur immens. In diesem Fall ist die Erstbeschreibung von Name1 aus dem Jahr 1899 und Name2 hat 1902 die Gattungszuordnung verändert.

Natürlich sollte dieser vollständige Name nur bei der ersten Erwähnung des Names benutzt werden.

Herzliche Grüsse,
Eckhard Völcker
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Gunther Chmela

Zitat von: Eckhard in Februar 27, 2015, 09:30:41 VORMITTAG
Leider ist bei vielen Einzellern im Laufe der Zeit die Zuordnung der Gattung mehrfach geändert worden. ...

Lieber Herr Völcker,

ich gebe es zu: Ich habe mich zu sehr von den Gegebenheiten in der Botanik der höheren Pflanzen zu meinen Äußerungen verleiten lassen (obwohl es auch hier ganz spezielle Fälle gibt... die aber in einem Forum wie diesem keine Rolle spielen).

Ich wollte ja ohnehin keine verbindlichen Vorschriften aufstellen oder aufstellen lassen, sondern lediglich die Thematik ins Bewußtsein bringen.

Einigen wir uns doch darauf: Ob Autorennamen angegeben werden oder nicht, das sollte daran entschieden werden, ob es im Einzelfall entscheidend ist oder nicht.

Herzliche Grüße
Gunther Chmela


Heiko

Hallo Gunther,

vielen Dank für diesen Denkanstoß zu einem Thema, das im ,,Tagesgeschäft" schnell in den Hintergrund rückt.


Lieber Jörg,

dann bitte aber P. mugo subsp. mugo TURRA, um die Abgrenzung zu den Subspecies P. m. uncinata und P. m. rotundata zu gewährleisten.

;D

Viele Grüße,
Heiko

Fahrenheit

Lieber Heiko,

das ist eben nicht gesichert. Ich habe den Zweig mit dem Hinweis Pinus mugo TURRA bekommen, die Subspezies ist nicht genannt und bei dem graden und kräftigen Ast hätte ich da ggf. auch meine Bedenken ...  :D
Mit der Berkkiefer ist das ja so eine Sache, selbst der Botanische Garten in Bonnt unterscheide die Unterarten nicht.

Herzliche Grüße
Jörg
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Gunther Chmela

Hallo Jörg und Heiko,

ich habe gerade die sehr ausführliche Flora von M. A. Fischer*) bezüglich der erwähnten Pinus-Arten konsultiert. Fischer ist in Bezug auf Art- und Unterartabgrenzungen sehr kritisch und genau. Also nach dieser Flora:
Pinus mugo - eine eigene Art. Wobei die Komplexität der Bergkiefernverwandtschaft allerdings schon dadurch angedeutet wird, daß Fischer ein "s.str." (sensu strictu = im engeren Sinn) hinter den Artnamen setzt
Pinus uncinata - ebenfalls als eigene Art angeführt (ohne s.str.)
Pinus x rotundata - wird hier als natürlicher Bastard geführt, wobei die Verwandtschaftsverhältnise ungeklärt sind; es könnte sogar ein Einfluß von Pinus sylvestris vorhanden sein.

Ich weiß seit meiner Jugendzeit, daß unsere beliebte und bekannte Latsche immer wieder anders bewertet und eingeordnet wurde. Ob inzwischen molekulargenetische Untersuchungen durchgeführt wurden, weiß ich nicht. Ich selbst hab der Einfachheit halber die Latschenkiefer immer als eigene Art betrachtet - ob's nun richtig war oder nicht.

Schöne Grüße
Gunther

*) M.A. Fischer, Exkursionsflora von Österreich, Liechtenstein und Südtirol, 3. Aufl., Linz 2008