Histologie: Carausius morosus Darm

Begonnen von Jürgen H., Mai 08, 2016, 21:43:04 NACHMITTAGS

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Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker,

Am verlängerten Woende habe ich noch einmal ein Abdomenstückchen einer Stabheuschrecke eingebettet, die bei mir seit längerem im Alkohol lag.

Hier kommt ein Ergebnis:


Von rechts nach links: Das Integument mit einer dunkelrot gefärbten dünnen schwach erkennbaren Epi(kutikula), gefolgt von der rot gefärbten Exo(kutikula) und der blau gefärbten deutlich geschichtet aufgebauten Endokutikula. F ist ein Fettkörperstrang, der längs der Kutikula verläuft, T eine quer geschnittene große Trachee zur Sauerstoffversorgung. Es folgt der Darm mit der Längsmuskulatur, die dem Darm Peristaltik in Längsrichtung verschafft und einer quer hierzu in den Zotten verlaufenden Mukulatur, mit der sich offenbar die Darmzotten zusammenziehen lassen. Auch in den Darmzotten befinden sich kleine Tracheen T. Die Dramzotten entleeren ihren zellulären Inhalt als Sekret S in den Darm.

Paraffinschnitt 3 µ nach Fixierung in alk.  Bouin nach Dubosq Brasil, Färbung Azan Heidenhain. Objektiv 63er Öl.


Schöne Grüße

Jürgen

Ronald Schulte

Jürgen,
Da hast du auch ein sehr schone schnitt erzeugt und die Azan bleibt immer eines meine Favoriten. Die hast du aber prima im griff.
Ich bin aber gespannt ob in weitere Schnitte noch ein Ovarium oder Testisteil kommt. Wenn ja dann zeige nochmal was.

Grusse Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Klaus Henkel

Zitat von: Jürgen H. in Mai 08, 2016, 21:43:04 NACHMITTAGS

Am verlängerten Woende habe ich noch einmal ein Abdomenstückchen einer Stabheuschrecke eingebettet, die bei mir seit längerem im Alkohol lag.

Paraffinschnitt 3 µ nach Fixierung in alk.  Bouin nach Dubosq Brasil, Färbung Azan Heidenhain. Objektiv 63er Öl.

Jürgen

Viele Jahre schon habe ich keine so schöne Azan-Färbung nach Heidenhain mehr gesehen. Da kann man nur gratulieren. Danke.
KH

Fahrenheit

Lieber Jürgen,

ein sehr schöner Schnitt und eine tolle Färbung!
Spannend, dass die Tracheen bis in die Darmzoten reichen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Heino Lauer

Lieber Jürgen,

auch von mir herzlichen Dank für diesen Beitrag. Eine prachtvolle Färbung und ein sehr schönes, lehrreiches Präparat. Mir gefällt auch die Beschriftung sehr gut; nach meinem Eindruck genau das richtige Maß an Information.

Herzlicher Gruß

Heino

Jürgen H.

#5
Lieber Herr Henkel, lieber Ronald, lieber Jörg, lieber Heino,

Herzlichen Dank für eure Worte, die mich freuen und Ansporn zu weiteren Versuchen sind.

Lieber Ronald, die inneren Geschlechtsorgane liegen wohl in einem anderen Abschnitt des Abdomens. Ich habe nur ein winziges Stück des langen " Stabes bearbeitet, sogar nach dem Einbetten noch einen guten Teil des Blocks weggeschnitten, weil der sich gar nicht gut schneiden ließ: Ich hätte das Tierchen eine ganze Weile hungern lassen müssen bevor ich es verarbeite. Im weggeschnittene Teil war der Darm vollgefressen...Es liegt aber noch Verschiedenes von der Stabheuschrecke im Alkohol und harrt seiner weiteren Verarbeitung.

Lieber Herr Henkel

die Azanfärbung nach Heidenhain habe ich ein wenig variiert nach den Angaben von Gabe, aus einem französischen Lehrbuch. Der Schnitt ist schon nach dem Entparaffinieren für 15 min in den Anilinalkohol gelegt worden und erst dann in die  Azokarminlösung und danach weiter verarbeitet worden, wie Heidenhain es angegeben hat. Die weiteren Varianten, die Gabe vorschlägt, habe ich noch nicht ausprobiert.

Lieber Jörg,

Die Tracheen finden sich in feinsten Verästelungen nahezu überall. Sie dienen übrigens zu einem guten Teil auch dazu, die inneren Organe an ihrem Platz zu halten. Natürlich ist das nicht ihre Hauptaufgabe.

Schöne Grüße

Jürgen

hebi19

Hallo Jürgen

Vielen Dank auch von mir für die hervoragenden Bilder.
Mal sehen, ob mir wieder mal interessante Tierchen "über den Weg laufen".

Martin
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

Jürgen H.

Liebe Mikrogemeinde,

Nicht nur Azan ist informativ:

Hier ein Bild einer Darmzotte aus dem gleichen Block, gefärbt in Hämatoxylin Ehrlich/Azophloxin.



Gleicher Schnitt beleuchtet mit 470nm Filter H3



Und weil die Epikutikula in der Azanfärbung nicht so deutlich rot herauskommt: Im Fluoreszenzbild dieses Präperats leuchtet sie grün! Und die Schichtung der Endokutikula kommt ebenfalls ganz gut heraus.



Und nicht zuletzt auch Danke für Deine Worte, lieber Martin und vor allem die schönen interessanten Tiere.

Schöne Grüße

Jürgen


Jan Dunst

Lieber Jürgen,

auch ich füge mich in die Reihe der Gratulanten zu der sehr gelungenen Färbung und den Schnitten ein. Vor allem die Farbpracht des zuerst gezeigten Fotos beeindruckt mich sehr.

Sehr fasziniert bin ich auch von diesen Sekretions-Bläschen des Darm-Epithels. Wie sicher bist du das dies keine Schnitt-Artifakte sind?
In vielen Lehrbüchern wird angegeben das die Peritrophische Membran der Insekten das funktionelle Analog zum Mucus der Vertebraten ist (Schutz vor Verletzungen, Ausfluss von Bakterien usw.). Genetische Analysen zeigen aber neuerdings das es einige (etwa 30) Gene für Mucine in Drosophila gibt. Eine funktionelle Analyse fehlt jedoch meines Wissens noch.

Manche deiner sekretorischen Zellen schwanken ja im Azan leicht ins bläuliche, könnte diese auf Mucine hinweisen? Hast du eventuell eine Möglichkeit eine PAS oder Alcianblau Färbung zu machen? Wäre sicherlich sehr interessant anzuschauen.

Es war auf jedenfall ein Genuss diese Bilder anzuschauen.

Viele Grüsse,
Jan

Alcianblau: https://de.wikipedia.org/wiki/Alcianblau
PAS: http://www.leicabiosystems.com/pathologyleaders/special-stain-techniques-for-the-evaluation-of-mucins/
Mucin in Drosophila: http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0003041

Jürgen H.

Lieber Jan,

Ganz herzlichen Dank für Deinen Beitrag und Deine Hinweise.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich bei den im Bild dargestellten Bläschen nicht um Artefakte handelt - jedenfalls habe ich die gleiche Erscheinung schon in verschiedenen Schnitten verschiedener Insekten gesehen, z. B. bei den Wespen oder bei einer Schwebefliege. Es müsste sich also überall um die gleiche Artefaktbildung handeln. Hinzu kommt, dass in der Literatur genau diese blasenartige Sekretabsonderung in Zeichnung und Text beschrieben ist. Das schließt natürlich nicht vollständig aus, dass alle die gleiche Artefaktbildung aufgrund ähnlicher Präparation gesehen hatten und nicht als Artefakt erkannt haben.

Dein Hinweis auf Muzine hat mich erst einmal überrascht: Becherzellen haben jedenfalls die Insekten nicht, die ich bisher untersucht habe. Ich glaube, sie gibt es generell nicht bei den Insekten. Nach kurzem Nachdenken halte ich das Vorhandensein von Muzinen aber für eher wahrscheinlich. Die peritrophische Membran kann ja nur vor mechanischen, nicht vor chemischen Verletzungen schützen, so dass die Analogie zwischen Mucus der Vertebraten und der peritrophischen Membran der Insekten  nur teilweise - bezüglich des Schutzes vor mechanischen Verletzungen - zutreffen kann. In diesem Zusammenhang fand ich den Link zu eurem Institut, den Du Ronald im Nachbarthread geschickt hast, sowie Deinen Hinweis auf das Vorhandensein von mucinbezogenen Genen bei Drosophila ausgesprochen interessant. Die PAS Färbung oder Alcianblaufärbung kommt also auf die to do Liste, muss aber leider noch etwas Zeit haben, da ich keinen Schnitt und auch keinen Block zum Darm mehr zur Verfügung habe.

Schöne Grüße

Jürgen








Jan Dunst

Lieber Jürgen,

vielen Dank für deine Antwort.

Ich finde es in deinen Bildern vor allem beeindruckend wie viele von diesen sekretierenden Zellen du auf einmal erwischst. Das ist zum einen faszinierend, zum anderen macht es mich etwas stutzig. Morphologisch sieht diese Exkretion auch für die Zelle sehr "ungesund" aus finde ich, fast suizidal. Ich bin jedoch weder Sekretions- noch Histologie-Experte und möchte daher nur vorsichtig hinterfragen ob es mögliche Artefakte geben kann. Könnte es auch an der initialen Fixierung liegen? Wie lange liegen die Präparate tot bevor sie fixiert werden? Spülst du die Därme mit einer hypotonischen Lösung so das die Zellen eventuell anschwellen können? Du schreibst auch das du die Tiere lange hungern lässt, könnte dies auch eine Hunger-Reaktion sein? Wir füttern zum Darmreinigen 5% Zuckerlösung für einige Stunden.

Bitte fasse diese Fragen nicht als Kritik auf, es ist reines Interesse und Fasziniation an dem gezeigten Vorgang!

Viele Grüsse aus Lausanne,
Jan

PS: Becherzellen gibt es durchaus im Mitteldarm von Insekten, beispielsweise Lepidopteren. - Histochemical Analysis of the Goblet Cell Matrix in the Larval Midgut of Manduca sexta - Schultz et al. 1981 - https://www.jstor.org/stable/3225802
PPS: Falls der Artikel nicht öffentlich zugänglich ist, schreibe mir eine kurze Nachricht.

Jürgen H.

Lieber Jan,

ich fasse Deine Worte keineswegs als Kritik auf, sondern als wertvolle Bereicherung für mich!

Zu meinem präparativen Vorgehen:

Martin aus dem Forum hatte mir ein paar lebende Stabheuschrecken geschickt. Sie wurden in einem Aquarium gehalten und mit Brombeerblättern gefüttert. Ich betäube meine Insekten zunächst mit CO2. Danach erfolgt die Fixierung. Hier hatte ich die Rezeptur Bouin  nach Dubosq Brasil verwendet, wobei die Tieren in kleine Stücke zerschnitten wurden. Die Tiere haben n i c h t gehungert, was zu einem Problem führte, wie ich oben schrieb: Auf Grund des vorhandenen Darminhalts ließ sich ein Teilabschnitt des Blockes schlecht schneiden. Um diesen Teil zu entfernen habe ich den Block entsprechend gekürzt, was beim Strecken dann unweigerlich zu kleinen Problemen führen musste, da das Stückchen Abdomen  nicht mehr vollständig vom Paraffin eingeschlossen war. Auch in dem erfolgreich präparierten Darmstück befinden sich einige halb verdaute Nahrungsteile.

Ich vermute, dass der abgebildete Abschnitt   aus einem Darmteil unmittelbar unter dem  Pylorus stammt. Jedenfalls sieht man im Schnitt noch das in den Darmabschnitt hineinragende typische schlauchartige Gebilde, das als Rückflussventil dient.

Schon früher habe ich festgestellt, dass die auf Sekretion hinweisenden Bläschen sich nicht in allen Darmabschnitten befinden. In diesem Zusammenhang verweise ich auf diesen Thread: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=21282.0. Diese Feststellung ließe sich m.E. mit den Ergebnissen eures Institutes ohne weiteres in Deckung bringen. Es könnte allerdings auch sein, dass  nur unterschiedliche Zustände der Darmzellen abgebildet werden, die sich mal in der Phase einer Erneuerung und mal in der Sekretionsphase befinden und dieser Wechsel abschnittsweise erfolgt.


Dass die Bläschen Artefakte sind, möchte ich also mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen.

Schöne Grüße

Jürgen

Jürgen H.

Noch ein kleiner Nachschlag:
http://what-when-how.com/insects/digestive-system-insects

Hier wird die Sekretion schön dargestellt. Und besonders interessant ist auch der Fluxus des Darminhaltes, der keineswegs nur in einer Richtung abläuft.

Schöne Grüße ins Forum

Jürgen