Lichtfixierung - Vorteile, Risiken und Nebenwirkungen

Begonnen von paramecium, Juni 12, 2018, 22:57:43 NACHMITTAGS

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paramecium

Hallo ins Forum,

da das Thema gerade aktuell scheint, möchte ich die Methode der Lichtfixierung an dieser Stelle kurz vorstellen.

Mit "Lichtfixierung" bezeichne ich eine Methode mit einem Übermaß an Licht Protozoen in der Bewegung zu hemmen. Die Wirkungsweise ist recht banal: Im Lichtmikroskop entstehen lokal begrenzt erhebliche Lichtmengen, die in der freien Natur in dieser Form nicht vorkommen. Versucht man insbesondere mit starken Lichtquellen ausreichend Licht für die Fotografie herzustellen, so läßt sich leicht zeigen, dass die im Strahlengang herrschende Beleuchtungsstärke um Zehnerpotenzen höher sein wird, als das helle Sonnenlicht eines wolkenfreien Tages. Da - im Gegensatz zum Blitzen - diese Lichtstärke über einen längeren Zeitraum auf beobachtete Organismen wirken kann, führt dies unweigerlich zu einer Störung der mikrobiologischen Vorgänge in der Zelle - bis zum Zelltod durch Degeneration von Proteinen und Zerfall des Zytoskeletts.

Für diese Methode genügt eine direkte Beleuchtung mit einer hellen LED oder Halogenlampe im mikroskopischen Strahlengang. Dabei reichen wenige Watt elektrischer Leistung völlig aus. Der Grund hierfür liegt in der starken Fokussierung der Lichtquelle im Strahlengang eines Lichtmikroskops, etwa bei Köhlerbeleuchtung oder Auflichtfluoreszenz. Die hier auftretenden Lichtmengen unterschätzt man leicht.

Bei Glühlampenlicht liegt der Schwerpunkt der Energie im Bereich der Wärmestrahlung (Infrarot). Bei modernen LEDs liegt der Fokus auf kurzwelligem Licht (Peaks im Blauen oder bei UV LEDs). In beiden Enden des optischen Spektrums liegt entsprechend hohe Energie durch Wärmestrahlung (bei Glühlampen) oder kurzwelligem, blauen und UV Licht vor. Beide Lichtwellenlängenbereiche führen in hoher Dosis zu "Verbrennungen" durch Degeneration von Proteinen und Zerstörung anderer organischer Verbindungen. Das Ausbleichen von farbigen Stoffen, wie Chlorophyll bei Algen im Fluoreszenzmikroskop ist ein weiteres Beispiel für die schädliche Auswirkung des hohen Energieeintrags im Lichtmikroskop.

Den Effekt kann man sich zunutze machen, indem man mechanische Fixierung wie Quetschpräparation und hohen Lichteintrag kombiniert oder extrem starke Lichteinstrahlung alleine nutzt, um schnelle Organismen an Ort und Stelle zu fixieren. Ich verwende diese Methode gerne, um schnelle Organismen in der Bewegung zu hemmen um Fluoreszenzaufnahmen zu gewinnen.

Die Methode ist denkbar einfach: Man verfolgt die Organismen mit eingestelltem Mikroskoplicht entweder so lange, bis sie aufgeben oder man bedient sich der Fixierung durch Deckglasdruck, um sie an Ort und Stelle zu halten und bestrahlt sie, bis die Bewegung sichtbar langsamer wird. Dies ist der Moment ab dem man die Lichtmenge reduziert und mit den Aufnahmen beginnt.

Große Organismen reagieren erfahrungsgemäß unempfindlicher als kleine Organismen. Große Einzeller wie Paramecium spec. sind oftmals ziemlich resistent gegen die heftige Bestrahlung im Köhlerschen Strahlengang. Daher können sie über lange Zeiträume verfolgt werden (>30 min) ohne sichtbaren Schaden zu nehmen. Empfindliche, kleine Ciliaten, wie Halteria grandinella oder die kleinen Chilodonella Arten hingegen geben meist nach kurzer Zeit bereits auf und reagieren durch das Mikroskoplicht mit Zelltod. Der richtige Zeitpunkt die Lichtmenge zu reduzieren ist daher entscheidend, um von den Organismen brauchbare Fotos zu erhalten. Ist die Lichtmenge zu hoch, kann sie zu einem spontanen Zerfall der Zellen führen noch bevor man brauchbare Fotos erhält.

Das folgende Beispiel zeigt Aufnahmen von Euplotes spec. welche mit Deckglasdruck fixiert wurde und längere Zeit mit hellem Mikroskoplicht belichtet wurde. Dabei wurde unter anderem auch mit einem DNA Fluorochrom gefärbt. Um die erforderlichen längeren Belichtungszeiten von 1/30 Sekunde zu erzielen wurde der Kandidat längere Zeit beobachtet. Dabei verlangsamte sich die Bewegung der Cilien und inneren Organellen. Während das Fluorochrom selbst den Zellen wenig ausmachte und sich die Anzahl der Euplotes unter dem Deckglas über Nacht etwa verdoppelte, führte das Mikroskoplicht nach einer Weile zum Zelltod.

Die linke und rechte Aufnahme wurde 1/800 Sekunde belichtet, einmal vor Eintritt der tödlichen Wirkung, einmal danach. Die Zelle ist links noch intakt. Über einen längeren Zeitraum konnten Fluoreszenzaufnahmen gewonnen werden.  Nach etwa 5-10 Minuten ist jedoch bereits im Hellfeld der Zerfall der Proteine zu beobachten. Dabei lösen sich Zellorganellen und sogar die Feinstruktur der Proteine der Cilien bis zur Unkenntlichkeit auf. Die einzelnen Fibrillen der "Borsten", deren Enden normalerweise und bei intakten Organismen nur bei kurzer Belichtung zerfasert erscheint (links), liegen nun völlig ungeordnet nebeneinander, die Zelle ist innerlich zerstört, das Zellplasma ungeordnet und abgestorben (rechts).

Zum Einsatz kam eine "einfache" Tageslicht LED mit lediglich 4W Leistung an einem AxioLab.A1, welche die orginale 30 W Halogenlampe ersetzt hat. Dies bedeutet kein besonderen Eingriff in die Beleuchtung des Mikroskops und zeigt, wie energiereich das stark fokussierte Licht im Köhlerstrahlengang in Wahrheit ist.



Der Effekt ist nicht neu und wurde bereits von Oscar Raab (1900) für Paramecium dokumentiert. Oscar Raab versetzte seine Proben damals übrigens mit Acridin (1:10.000) und nicht etwa mit Acridinorange wie vielfach falsch zitiert. Der grundlegende Effekt, nämlich der Zelltod durch den Lichteinfall einfachen Sonnenlichts auf der Fensterbank wurde schon damals von Raab korrekt interpretiert und führte in der Folge zu medizinischen Methoden wie der Behandlung von Krebszellen durch hohe Lichtenergie.

Es sei erwähnt, dass die Zugabe eines Fluorochroms keine Rolle spielt. Der Effekt lässt sich bei normaler Mikroskopie im Hellfeld auch ohne Fluorochrome reproduzieren.

Aufnahmedaten: Zeiss AxioLab.A1, Plan-Neofluar 40x/0,75, 4W LED 7000K (Barthelme). Belichtungszeit in Fluoreszenz 1/2 Sekunde. Doppelfärbung: Acridinorange (1µM), Hoechst 33342 (4µM), UV Anregung 385 nm, Filtersatz Tripleband für Multibandanregung, Typ F66-412 (AHF, Semrock).

Gruß

Thilo

Literatur
Raab O. Ueber die Wirkung fluorescirender Stoffe auf Infusorien. Zeitschrift f. Biologie, 39, 524-546 (1900).
Abrufbar online bei archive.org

Carsten Wieczorrek

Hallo,
den Effekt kenne ich, allerdings im negativen Sinn:

Ich beobachte oft  und gerne Plankton (gefärbt mit Acridinorange), die meißten Lebewesen sterben den plötzlichen Zelltod nach ca. 15 sec., wenn  ich sie mit meinem Fluoval und Wellenlängen <= 430 nm bestrahle. Man kann das nur als "plötzliches platzen" bezeichnen, eine Verlangsamung der Bewegung davor konnte ich leider nie beobachten, sonnst hätte ich längst entsprechende Bilder hier eingestellt. Es gibt Tiere, die halten 2 min. aus, aber sehr viele sterben bereits < 20 sec. Da kann man nicht beobachten-einstellen-fotografieren, ich jedenfalls nicht.

Gute Nacht

Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako