Ceesem - Präparatekästen: Wie alt?

Begonnen von Alfons Renz, Dezember 02, 2018, 22:56:06 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Alfons Renz

Ceesem-Präparatekästen und ihre älteren Vorgänger.

Jeder Mikroskopiker kennt die typischen Präparatekästen à 50 oder 100 Objektträger und die flachen Papp-Mappen à 20, aber was weiss man über deren Herstellung und Geschichte? Seit wann gibt es diese schwarzen Kästen oder Mappen und wie hat sich deren Design im Laufe der letzten 100 Jahre verändert?

Für Sammler mikroskopischer Präparate wäre das Alter der Aufbewahrungskästen ein wichtiges Merkmal.
Mein ältester (und nicht signierter!) typischer 'CEESEM'-Kasten stammt aus dem Sommersemester 1913. Andere Kästen mit ähnlicher Prägung der Schrift, aber ganz anderem Design (Buchform oder kleine Schuber) sind deutlich älter.

Der Vertrieb der Kästen lief über die 'Marburger-Stempel-Erzeugnisse', heute die Marburger-Signier-Technik-Systeme (STS).

Bilder der Kästen und Schuber stelle ich bei Bedarf ein. Eine Anfrage bei der Firma läuft. Meine Hoffnung ist, dass sich vielleicht schon Jemand mit diesem interessanten Thema beschäftigt hat und Näheres dazu weiss.

In Deutschland gab es (leider) keine Blütezeit der Prunkschränke aus Mahagoni, Ebenholz, Messing, Elfenbein und Glas wie im Viktorianischen England. Dafür solide buchförmige Aufbewahrungsmappen mit schöner Goldprägung und Messing-Schließen.

Mit freundlichen Mikrogrüßen,

Alfons Renz

beamish

Hallo Alfons,

ich besitze das Buch nicht, aber möglicherweise finden sich hier Informationen:
K.A. Rosenbauer, Mikroskopische Präparate - Hersteller und Lieferanten, eine Zusammenstellung aus zwei Jahrhunderten. Darmstadt 2003.

Herzlich
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Alfons Renz

Vielen Dank, lieber Martin für die Antwort.

Im Rosenbauer steht leider nichts zu CEESEM oder anderen Herstellern von Präparatekästen. Auch nicht in Brian Bracegirdle's Microscopical Mounts oder in Modern Microscopic Manufacturers.

Die frühen Mikrokosmos-Hefte bringen zwar Werbung von Herstellern (und nur auf den Umschlagseiten, die üblicherweise beim Binden verworfen werden), aber auch dort habe ich nichts zu CEESEM gefunden. Ohne allerdings bisher lange gesucht zu haben.

Mir ist noch nicht einmal klar, welche Wörter sich hinter dem Acronym 'CEESEM' verbergen.

Aber möglicherweise bin ich ja der Einzige, der sich nicht nur für den Inhalt sondern auch dessen Verpackung interessiert.

Herzliche Grüße,

Alfons

beamish

#3
Für das Akronym hätte ich einen Vorschlag: Ce-eS-eM = Schreibwarenfabik Christian Schaaf Marburg. Der war Inhaber der Marke, die heute zu Marburger Signier Technik Systeme gehört.

Herzlich
Martin

PS: der Name Schaaf war in Marburg schon seit dem 19. Jh. mit einer (Universitäts-)Buchbinderei verbunden, die 1907 an Christian Schaaf überging. (Allgemeiner Anzeiger für Buchbindereien, Stuttgart 1907, Nr. 29, S. 368)
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

beamish

Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Alfons Renz

#5
Herzlichen Dank, Martin, das ist schon eine große Hilfe!

Zur Illustration 2 'ältere', kleinere Schuber mit Goldprägung und 2 neuere Kästen für 100 Präparate:


Schuber für 25 Präparate (Bayer Ebersfeld). Ich vermute dass dies das älteste Design ist.


Schuber für 12 Präparate der Firma Boecker in Wetzlar (laut Rosenbauer ca. 1870 gegründet, Etikett auf 1880 datiert): Es schien modern, AE statt Ä zu schreiben.


Kasten für 100 Präparate datiert Sommersemester 1913. Noch ohne Logo.


CEESEM-Kasten mit histologischen Präparaten einer Medizin-Studentin. Mit 'AE' und ,altem' Rauten-Muster, CEESEM-Logo unten rechts, sowie auch innen im Kasten als Aufdruck


CEESEM-Kasten mit ältlichem "AE" und Logo, aber mit neuerem Punkt-Muster.

Noch in den Kriegsjahren 1940 gab es die Kästen mit AE und Rautenmuster.


Dann, vermutlich in den 1950/60igern mit neuem Design: 'AE', neuem Logo oben Mitte und 'Nr. 623'.

Die ältesten Kästen mit Ornament-Prägung und Golddruck waren die schönsten, ebenso die verzierten Schließen der frühen Kästen à 100 Präparaten. Mit den Jahren wurde das Design immer schlichter und die heutigen Kästen mit Plastik-Innenleben kennt ja Jeder.

Ähnliches ist beim Design der sehr frühen Kasten in Buchform sowie der Flach-Mappen zu beobachten - Bilder folgen.

Herzliche Grüße,

Alfons


beamish

Den ältesten Nachweis für die Marke, den ich gesehen habe, ist eine medizinische Schrift, die von Schaaf gedruckt wurde:
Friedrich Jeß, Über die Retention von Plazentarresten nach rechtzeitigen Geburten. Marburg 1919. Druck von Chr. Schaaf, Ceesem
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

beamish

#7
1911 warb Schaaf für seine Kartonagen und Büromöbel noch ohne das Ceesem-Logo:
https://www.dropbox.com/s/8iiqj5cox7dqegv/Schaaf_1911.jpg
Ich nehme an, daß das erst nach dem ersten Weltkrieg eingeführt wurde.

Herzlich
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Alfons Renz

Jetzt kommt doch etwas Licht in die Geschichte, Dank der Recherchen von Martin!

Mit Hilfe des Aussehens der doch sehr unterschiedlich gestalteten Kästen sollte es möglich sein, ihr Herstellungsdatum auf +/- zehn bis zwanzig Jahre zu bestimmen. Das ist zumindest ein Anhaltspunkt um das Alter der im Kasten befindlichen Präparate zu ermitteln. Es erstaunt (mich), wie selten solche Präparate und ihre Kästen vom Besitzer signiert und vor allem auch datiert sind.

Die Altersdatierung ist aus mehreren Gründen von Interesse; zum Bispiel, um die Haltbarkeit eines Einbettungsmediums beurteilen zu können.

Sehr dankbar wäre ich, falls Jemand noch weitere Angaben (möglichst mit Bild) zu zeitlich datierten Präparatekästen machen könnte.

Mit herzlichen Grüßen,

Alfons

Fahrenheit

Lieber Alfons,

vielleicht ist der kleine Artikel auf den MKB Seiten auch für Dich interessant, auch wenn der Präparatekasten nur am Rande erwähnt wird:
http://www.mikroskopie-bonn.de/bibliothek/zoologie_und_histologie/175.html

Es ist ein blauer Schuber mit Goldprägung für 25 Präparate, der am Boden einen Stempel einer Bonner Firma trägt, die leider bereits erloschen ist.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Alfons Renz

Herzlichen Dank, lieber Jörg, für diesen Hinweis!

Ich hoffe, Du hast nichts dagegen, wenn ich diesen Kasten hier als Bild einfüge:


Präparatekasten (Foto Jörg Weiss) mit Stempel "Firma Carl Hilgers Wwe. o. H. ' in Bonn.

Sehr wahrscheinlich stammt auch dieser Kasten von CEESEM in Marburg und wurde vom Händler in Bonn gestempelt. So tragen auch die 'Tübinger CEESEM-Kästen' einen Stempel der Firma Christian Erbe, Tübingen, die wahrscheinlich eine Art Exklusiv-Vertrag mit dem Hersteller hatte. Das würde auch erklären, weshalb die frühen Kästen alle keine Herstellerangabe aufweisen: Der Vertrieb erfolgte ausschließlich über Vertragshändler. So meine Vermutung.

Die Numerierung der anatomisch-pathologischen Präparate in Deinem Kasten (> 100) deutet darauf hin, dass es sich um eine Serie von mehr als 100 Präparaten eines histo-pathologischen Kurses handelte, von denen die ersten 100 Objektträger in einem großen Kasten und die restlichen in diesem vermutlich 'gerade verfügbaren', aber möglicherweise viel älterem Kasten  gespeichert wurden.

Entsprechend würde ich das Alter der Präparate auf 'Nachkriegszeit, ca. 1950-1960' (Mischung von Sütterlin und lateinischer Schrift), das Kästchen jedoch auf viel älter (vor erstem Weltkrieg??) datieren. Sicher bin ich mir jedoch nicht. Mein Vater (Jahrgang 1903) schrieb das 'z' ebenfalls nach Sütterlin, die anderen Buchstaben in Latein. Demnach könnte die Studienzeit auch in den Zwanziger Jahren und das Kästchen ein älterer Vorkriegslagerbestand gewesen sein. Die Färbungen waren jedenfalls alle schon lange gebräuchlich: Van Gieson 1889, H-E und Karmin ebenfalls im 19. Jhrdt.

Dein Beispel zeigt schön, wie schwer es ist, das Alter von Präparaten zu schätzen und welche Hinweise man beachten könnte/sollte.

Herzliche Grüße,

Alfons

Jürgen H.

Lieber Alfons,

mein kleiner Beitrag zu dem Thema sieht so aus:



Innen trägt er einen Zettel mit der Aufschrift, soweit lesbar D.R.G.M. (Es folgt eine Überklebung, danach) Nr.722

Die Überklebung ist ein Zettel des Lieferanten mit der Aufschrift:

J.Everhards
Chirurgie Instrumente
Köln a/RH.

Der grüngelbe Zettel außen ist nur ein Klebezettel ohne sachdienlichen Hinweis.

Der Kasten beinhaltet Humanpräparate, die offenbar zum und während des Medizinstudiums verwendet werden. Ich habe starken Grund zu der Annahme, dass er in den zwanziger Jahren, eher zweite Hälfte des Jahrzehnts erworben und bestückt wurde.

Schöne Grüße

Jürgen

beamish

Lieber Alfons,

das wollte ich ebenfalls zu bedenken geben: alte Präparate können in jungen Kästen stecken und junge Präparate in alten Kästen. Die Gleichzeitigkeit von Kasten und Präparaten wird eigentlich nur nahegelegt, wenn alles "aus einem Guß" erscheint. Die Präparate z.B. von einer Hand (auch im Kastendeckel) beschriftet sind. Und selbst dann kann z. B. einer alter Kasten aus Lagerbeständen verwendet worden sein. Institute haben die Kästen sicher in größeren Stückzahlen auf Vorrat gekauft.

Herzlich
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Alfons Renz

Vielen Dank für die vielen Antworten, auch per PN!

Offenbar ist es doch ein interessantes Thema und ein Anreiz, das Puzzle verschiedenster Kästen und ihres Alter zusammen zu setzen!

@ Jürgen:

Hier hätte ich ein Vorläufermodell zu Deinem Kasten, mit 'ä' statt 'AE'


Unsignierter Kasten für 50 Präparate, mit Messing-Hakenschließen. Objektträger von Felix Kunze, Leipzig ('Made in Germany') und Wilh. Schubert, Mikroskopisches Museum, Dresden'.
Ich schätze das Alter des Kastens auf vor 1900, das der Präparate von Schubert ebenfalls (nicht im Rosenbauer!). Die Präparate von Kunze dürften deutlich jünger sein.

Herzliche Grüße und Dank!

beamish

Es wird vielleicht besonders Alfons interessieren, daß der Tübinger Professor Zimmermann 1895 bezüglich solcher Produkte auf die der Firma Schröter in Leipzig schwor (siehe Anhang).
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D