Makro-/ Mikrofotografie mit Smartphone , Kunststofflinsen und etwas Bastelkarton

Begonnen von Lupus, Januar 31, 2019, 19:56:04 NACHMITTAGS

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Lupus

Hallo,

für angehende Jungmikroskopiker mit wenig Geld und einen Nachmittag Zeit zum Basteln hätte ich folgende Anregung für ein Smartphone-Mikroskop :   ;)

Eine einfache Methode, mit dem Smartphone Makrofotos oder Mikrofotos im unteren Vergrößerungsbereich zu machen, ist die Verwendung von Lupen als Vorsatzlinsen. Mikrofotos deshalb, weil meist bei über 10:1 Abbildungsmaßstab von Mikrofotografie gesprochen wird. Da eine Smartphonekamera ein ähnliches Winkelauflösungsvermögen wie das Auge hat, erreicht man mit einer 20x Lupe auch beim Fotografieren diese Vergrößerung. Außerdem sollte die Lupe ein großes Bildfeld besitzen um den Kamerasensor optimal auszunutzen.

Mittlerweile gibt es dazu auch diverse kommerzielle Linsen zum Anklemmen, meist aber für eher geringere Vergrößerungen. Manche sind gut, andere ihr Geld nicht wert. Alternativ lassen sich natürlich klassische Lupen verwenden. Gute randscharfe Lupen mit z.B. 15x oder 20x Vergrößerung sind aber nicht ganz billig, zu dem Thema Qualität von Lupen gab es hier schon intensive Diskussionen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=6869.0
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=19728.msg149833;topicseen#msg149833

Eine preiswerte und gleichzeitig lehrreiche Variante ist es, eine Vorsatzoptik aus billigen Linsen selbst zu bauen. Bei gewünschten höheren Vergrößerungen reicht es nicht mehr, nur eine kurzbrennweitige Einzellinse zu verwenden. Die Bildfehler steigen spätestens über 10x Lupenvergrößerung zu stark an. Man kann aber die Brechkraft auf mehrere Flächen verteilen durch Verwendung von zwei Linsen, und dadurch eine geringere sphärische Aberration oder ein größeres Bildfeld erreichen.

Historisches und etwas Theorie

Schon 1668 hat Divini ein Mikroskopokular aus zwei mit den konvexen Flächen gegeneinander gerichteten Plankonvexlinsen zur Verbesserung der Bildqualität gebaut. Besonders Anfang des 19. Jh. versuchte man, die bisher meist aus Einzellinsen bestehenden Mikroskopobjektive durch Kombination mehrerer Linsen zu verbessern. Der englische Astronom John Herschel z.B. berechnete ein aberrationsarmes Linsendublett aus zwei plankonvexen Linsen mit dem optimalen Brennweitenverhältnis 1:2,3. Ein ähnliches Dublett, aber mit beiden Planseiten der Linsen dem Objekt zugewandt entwickelte zur gleichen Zeit der englische Optiker Wollaston. Auch von Zeiss gab es noch bis Ende des 19. Jh. ein solches Dublett mit über 70 facher Vergrößerung für Präparierzwecke im Angebot.

Bild 1 zeigt die gerechnete Abbildungsqualität einer stark vergrößernden Einzellinse (f = 15 mm, V = 17x) im monochromatischen Licht, dargestellt ist die Intensitätsverteilung eines Objektpunktes von der optischen Achse (obere Reihe) bis zum Bildrand (unterste Bildreihe), jeweils mit zunehmenden Abstand zur Brennebene (von links nach rechts). Grafik 1 zeigt die Linsenplanseite zum Objekt gerichtet, Grafik 2  die konvexe Seite. Der Aufbau ist oben maßstäblich dargestellt (Objektivbrennweite 5 mm, die Sensorhöhe entspricht dem Samsung Galaxy S5). Die bildmittige Auflösung ist mit konvexer Seite zum Objekt (Grafik 2) deutlich schlechter, dafür ist aber das brauchbare Bildfeld größer. Insgesamt ist eine Einzellinse bei hoher Lupenvergrößerung schlecht als Smartphonevorsatz geeignet. Die schärfste Abbildung für jede Reihe ist durch die blau umrandeten Bilder markiert, ihr zunehmender Abstand zur Brennebene bildet eine ausgeprägte Bildfeldkrümmung. Die Rechnung bezieht sich übrigens auf etwa 2.3 mm Eintrittspupillendurchmesser. Wenn man z.B. mit dem Auge bei geringer Beleuchtung arbeitet, wäre die Bildqualität wegen des größeren Pupillendurchmessers deutlich schlechter.

Die einfachste Alternative ist, zwei gleiche Plankonvexlinsen zu kombinieren. Die Gesamtbrennweite ist etwa halb so groß wie die der Einzellinsen. Mit beiden Planseiten zum Objekt gerichtet ist wieder die achsnahe Auflösung am besten, weil die Brechung dann relativ gleichmäßig über die vier Linsenflächen verteilt wird. Allerdings ist das verwendbare Bildfeld wieder sehr klein, die Bildfeldkrümmung groß. Ein guter Kompromiss ist, die zweite Linse mit der konvexen Seite dem Objekt zuzuwenden, dann ist das Bildfeld deutlich größer mit nur geringer Verschlechterung der achsnahen Auflösung (auch als Fraunhofer-Lupe bekannt). Bild 2 zeigt wieder die gerechnete Abbildungsqualität mit gleicher effektiver Brennweite f = 15 mm für beide Konstellationen. Die linke Konstellation (Grafik 4) mit den sich zugewandten konvexen Linsenflächen ist gut brauchbar, wenn man die verbleibende Bildkrümmung bei der Aufnahme durch Fokusstacken kompensiert.

Der Abstand von Einzellinsen zum Objektiv (oder Auge) sollte zur Minimierung der Bildfehler möglichst gering sein. Bei Linsenkombinationen (wie auch z.B. bei Achromaten zur Kameraadaption) gibt es jedoch einen optimalen Abstand, den man durch Probieren ermitteln kann. Bei dem zweilinsigen System der Grafik 4 beträgt er etwa zwischen 8-10 mm, aber man kennt die Lage der Kameraobjektivblende nicht ausreichend. In der Praxis sollte der Abstand zwischen Objektiv und äußerer Linsenfläche etwa 2-4 mm betragen.

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Lupus

Linsen

Für die Versuche habe ich billige Acrylglaslinsen von Astromedia verwendet. Die Linsen haben etwa 16.5 mm Durchmesser mit einem breiten zylindrischen Rand, wodurch sie sich leicht handhaben lassen. Die kürzeste brauchbare erhältliche Brennweite beträgt 30 mm, die Linsenkombination hat also etwa 15 mm Brennweite.  Der Nachteil ist nur, dass sie sehr empfindlich sind, am besten man besorgt sich bei dem geringen Preis (und relativ hohen Versandkosten) gleich mehrere Linsen.
https://www.forscherladen.de/opti-media-linse-nr.3-brennweite-30-mm::10-304.OML.html

Gesamtaufbau

Die beiden Linsen habe ich in einem selbst gewickelten geschwärzten Papierröhrchen montiert, mit 10 mm Streulichtblende als Abschluss. Das Smartphone (Galaxy S5) liegt auf einer Konstruktion aus dünnem Karton (alte Ordnerregisterblätter), die Außenkanten sind zur Versteifung lediglich mit 3 Falzungen nach oben gebogen und zu einem Dreikantprofil verklebt, das Papierröhrchen wurde unter das Smartphoneobjektiv auf eine runde Öffnung in der Kartonfläche geklebt (Bild 3). Die Anordnung habe ich auf einem Brett oder Buch und Karteikarten zur Feinjustage des Objektabstandes gelegt. Zur Optimierung der Beleuchung wurden Kegelabschnitte aus Transparentpapier gebastelt (Diffusor). Die Scharfstellung kann man nach Grobeinstellung der Höhe durch Fokussieren der Smartphonekamera durchführen.

Erreichte Bildqualität

Bild 4 zeigt das Foto eines Strichgitters aus dem Laserdrucker (Linienabstand 0.4 mm). Die Randunschärfe ist deutlich, aber man muss bedenken dass es sich um eine Weitwinkelaufnahme bei 17x Lupenvergrößerung handelt. Die Bildfeldwölbung ist durch Stacken dreier Bilder etwas kompensiert, rechts im Bild ist  die zugehörige Höhenkarte von PICOLAY für den Bilderstapel erkennbar.

Flache Objekte

Einfache Reliefobjekte kann man problemlos durch mehrfaches Fokussieren der Smartphonekamera an verschiedenen geeigneten Stellen auf dem Bildschirm abbilden. Die Münze von Bild 5 ist ein Beispiel aus 4 gestackten Bildern (unbeschnittene Gesamthöhe). Glänzende Objekte sind immer etwas schwierig abzubilden, Bild 6 zeigt zum Test die Münze mit HDR-Belichtung und dadurch feinerer Helligkeitsabstufung.

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Durchlicht

Für Durchlichtaufnahmen wird der Objektträger einfach erhöht aufgelegt und durch Beleuchten einer weißen Fläche durchleuchtet (Bild 7). Der schwarze vorgestellte Karton dient der Streulichtabschirmung. Bild 8 zeigt einen Maisspross im Schnitt. Die erreichbare Vergrößerung ist natürlich recht bescheiden, aber für Übersichtsaufnahmen durchaus geeignet.

Scharfstellbereich für höhere Objekte

Für die vollständige Abbildung dicker Objekte muss man natürlich über einen größeren Bereich fokussieren. Die allein durch die Smartphonekamera erreichbare Höhendifferenz kann man leicht abschschätzen: Wenn das Smartphone von Unendlich bis z.B. 100 mm Nahbereich abbilden kann, bedeutet das dass beim Fokussieren eine fiktive "Vorsatzlinse" mit f = 100 mm zum auf Unendlich gestellten Objektiv addiert wird. Wenn wir jetzt unsere Lupe mit f = 15 mm an das auf unendlich eingestellte Smartphoneobjektiv montieren, ist die nutzbare Gegenstandsweite 15 mm. Durch Fokussieren auf minimalen Makroabstand der Kamera addiert sich die Brechkraft der fiktiven f = 100 mm-Optik zu den 15 mm der Vorsatzlinse, das ergibt nach der einfachen Formel 1/fgesamt = 1/f1 + 1/f2 eine effektive Brennweite von 13 mm. D.h. man kann etwa eine Höhendifferenz von 2 mm fokussieren.

Der Zündholzkopf auf Bild 9 wurde an 5 Stellen fokussiert (teilweise unter temporärer digitaler Vergrößerung zum besseren Scharfstellen). Die Stereobilder (rot-cyan-Anaglyphen und Kreuzblick-Stereopaare) wurden wie bei allen folgenden Bildern mit PICOLAY aus einer einzigen Perspektive erzeugt. Wenn man die Stereobilder genauer betrachtet sieht man den Zündholzkopf in leichter Wellenform, weil Zwischenbilder fehlen. 2-3 weitere Zwischenbilder wären also besser.

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Lupus

Einfache Fokussierhilfe

Wenn das Objekt etwas filigraner ist als das Streichholz, wie z.B. ein Insekt, lässt sich durch die große Fokussierfläche mit dem Finger nicht mehr direkt auf die gewünschten Ebenen scharf stellen. Ich habe daher als Fokussierhilfe eine winzige Papierskala am PC ausgedruckt und als geneigte Ebene an den Rand innerhalb des Bildfeldes gelegt. Man kann damit sehr einfach in definierteren Schritten verschiedene Höhen einstellen (Bild 10). Der Käfer in Bild 11 wurde mit der Methode gestackt (8 Bilder).

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Lupus

Höhenverstellung für dicke Objekte

Wenn der maximale Fokussierbereich des Smartphones überschritten wird, muss man zum Stacken das Objekt oder Smartphone kontinuierlich mechanisch absenken, mit Papierunterlagen funktioniert das natürlich nicht. Passend zur primitiven Acryllinsenhalterung kann man mit dünnem Karton, Schere und Kleber (und einer kleinen Schraube und 2 Muttern) eine einfache Höhenverstelleinrichtung basteln. Bei Interesse kann ich das näher beschreiben. Bild 12 zeigt den Aufbau, im Vordergrund ist ein Modell der vertellbaren Tischplattform mit seitlichen Papierfalzen als Führung zu sehen. Die Schraube wird durch die aus dem Unterteil ragende Kartonscheibe gedreht, bei den 50 Teilstrichen der runden Skala entspricht der Strichabstand 1/100 mm bei einer M4 Schraube. Die Verstelleinrichtung habe ich mit Hilfe von 4 Magneten am Bodenbrett gegen Verschiebung gesichert.

Die Vorrichtung kann man an einem regnerischen Nachmittag bauen, und funktioniert sehr gut. Die Fliege Bild 13 und 14 wurde damit aufgenommen (8 bzw. 9 Bilder). Allerdings sollte man für gute Bilder noch einige Fotos mehr je Stack anfertigen, man sieht z.B. gut dass einige Stellen der Fliege nicht ausreichend scharf abgebildet wurden und etwas 3D-Effekt fehlt. Ich habe für diese Demonstrationen aus Bequemlichkeit in allen Beispielbildern jeweils nur eine minimale Fotozahl verwendet.

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Lupus


Lupus

Wer nicht gerne mit Papier hantiert könnte z.B. zum Fokussieren den hier
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=33067.msg243612;topicseen#msg243612
getestete Celestron-Adapter verwenden (lohnt sich aber nur, wenn man ihn zufällig schon hat). Die Mechanik ist zwar recht wackelig, das wurde bereits beschrieben. Aber wenn man für jeden Stack nur in eine Richtung  dreht, kann man bei der Lupenvergrößerung die Kamera ausreichend feinfühlig verstellen. Zur sensibleren Einstellung wurde eine Holzscheibe auf die Höheneinstellschraube geklemmt (Bild 15). Die Staubblätter auf Bild 16  und die Schraube auf Bild 17 wurden mit diesem Aufbau gemacht.

Hubert

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Lupus


Peter Reil

Hallo,

ich gebe gerne zu, die Blder sind beeindruckend!!!!

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Klaus Wagner

Hallo Hubert,

Respekt! Ich hab´ schon schlechtere Bilder gesehen, die mit deutlich mehr Aufwand erstellt wurden. Nee im Ernst: Die Bilder sind sogar außergewöhnlich gut.

Viele Grüße
Klaus

Lupus

Hallo,

noch zwei kurze Hinweise zum Herstellen und Betrachten von Anaglyphenbildern:

Wer sie selbst herstellt oder aber Fremde anders abspeichert als das Original sollte darauf achten, dass bei der Bildkompression nach dem JPEG-Standard nicht nur die Helligkeitsauflösung leidet durch Zusammenfassen benachbarter Pixel, sondern auch die Farbdarstellung. Bei der Datenkompression werden auch Farbinformationen zusammengefasst, insbesondere wenn man Standard-JPEG verwendet, das nicht im RGB-Farbraum arbeitet. Und das bedeutet, dass dann verstärkt Geisterbilder auftreten können und die Stereowirkung und gesamte Bildqualität leidet.

Bei den Brillen gibt es sehr große Qualitätsunterschiede in der Filterwirkung. Es lohnt sich, nicht unbekannte Billigware aus Fernost zu kaufen sondern 15 Cent mehr für Qualität zu investieren. ;) Bei Stereo-Zubehöranbietern gibt es Brillen mit angegebener Transmissionskurve.

Hier ein Testbild zum prüfen von Brillen, in dem die drei Grundfarben in jeweils abnehmender Farbsättigung dargestellt sind.

Bei einäugigen Blick durch das rote Filter sollte die blaue Skala fast vollkommen schwarz sein, grün ist eigentlich immer etwas aufgehellt noch sichtbar. Bei schlechten Brillen ist grün aber fast so gut sichtbar wie die rote Skala.
Beim Blick durch das Cyan-Filter ist bei einer guten Brille die rote Skala nur in der oberen Hälfte noch abgedunkelt in sehr stumpfem Rot sichtbar, bei einer schlechten Brille aber fast bis ganz in den unteren Bereich, und die hellsten Felder noch in deutlich roter Farbsättigung. Wegwerfen!

Das Ganze hängt aber auch zusätzlich vom Monitortyp ab, weil die Bandbreite seines Farbspektrums entweder sehr engbandig oder breitbandig sein kann. Ich habe ein Netbook, bei dem auch eine gute Brille relativ schlechte Bilder liefert, während sie auf meinem PC-Monitor sehr selektiv wirkt. Eine schlechte Brille ist aber bei jedem Monitor schlecht!

Vielen Dank für das Lob. Man kann sicher mit etwas mehr Zeitaufwand noch mehr heraus holen. Es geht mir vor allen Dingen darum, dass man auch mit einfachsten Mitteln und geringem Aufwand befriedigende Ergebnisse erhält, die vielleicht auch Einsteiger für die Mikrofotografie motivieren können.

Hubert

limno

Hallo Hubert,
herzlichen Dank für die herausragenden Anaglyphenbilder und den Test. (Meine Brille ist o.k.!)
Plastisches Lob von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.