Botanik: Blattstiel der Pappel (Populus spec.)

Begonnen von Fahrenheit, November 01, 2009, 16:00:50 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Mikrofreunde,

weil der Blattstiel der Walnuss so schön war, habe ich mir als nächstes Anschauungsobjekt den Plattstiel eines Pappelblattes angesehen und möchte nun einige Bilder zeigen.

Die Pappel (auch Espe oder Aspe genannt Korrektur: Espe wird nur für die Zitterpappel Populus tremula verwendet. Danke, Jürgen. ) ist bei uns sehr häufig und wird als schnellwachsender Alleebaum und in der Holzwirtschaft (Streichhölzer, aber auch Möbel) genutzt.
Die genaue Artbestimmung war mir bei dem Spender meiner Blätter nicht möglich, wegen des weniger knorrigen Wuchses würde ich aber auf  eine Hybride (Populus × canadensis) zwischen Populus nigra und Populus canadensis tippen.

Pappelblätter besitzen einen abgeflachten Blattstiel, der die Blätter sehr beweglich macht. Sie bewegen sich schon  beim kleinsten Windhauch, daher auch das bekannte Sprichwort "zittern wie Espenlaub".
Besonders interessiert hat mich die Anordnung der Leitbündel im flachen Teil des Blattstiels.

Gefärbt habe ich nach Wacker sowie mit AcriB und AcriBEN entsprechend der in meinen vorangegangenen Postings schon beschriebenen Rezepte. Auch bei der Technik und der Bildbearbeitung ist alles wie gehabt (ein wenig gefuscht, wie Klaus sagen würde  ;D). Aber nun zu den Bildern.

Bild 1: Pappelblätter


Bild 2: Der abgeflachte Blattstiel


Bild 3: Querschnitt des Blattstiels in der Übersicht, Gesamtlänge 4,15 mm und maximale Breite 1,85 mm, 40-fache Vergrößerung, Stack aus 10 Bildern


Leider zeigt sich bei der Übersicht ganz deutlich, dass sowohl die Qualität des Leica 4x C-Plan Objektives als auch der Kameraadaption nicht optimal ist. Selbst mit dem Stapel von 10 Bildern über einen sehr weiten Fokusbereich sind die extremen Randbereiche unscharf und verwaschen.
Trotzdem kann man gut erkennen, dass der Blattstiel drei übereinanderliegende Leitbündelringe enthält.
Hier fällt auch schon auf, dass das Gewebe rund um die Leitbündel vielfach zerstört und zerrissen ist.
Zunächst habe ich den Fehler in meiner Schnitttechnik (Handschnitte mit Zylindermikrotom und Klingenhalter, 70µm dick) gesucht und von einer neuen Klinge über verschiedene Umschließungsmedien (Holundermark, Möhre) bis zu größeren Schnittdicken alles ausprobiert.
Die Risse blieben. Sie waren auch bei der Lupenkontrolle auf den Schnittflächen der angeschnittenen Proben immer mehr oder weniger ausgeprägt zu erkennen.
Ich vermute nun, dass die Schäden mit dem Alter der Blätter (es sind ja windzerzauste Veteranen) und der besonderen Windanfälligkeit der Konstruktion zu tun haben und es sich quasi um eine Art Materialermüdung handelt.
Zu prüfen wäre das dann im kommenden Frühjahr an jungen Pappelblättern.

Bild 4: Ein einzelner Leitbündelring, Vergrößerung 100x, Stack aus 11 Bildern


Man kann schön erkennen, dass der Ring aus 11 bis 12 einzelnen offen-kollateralen Leitbündeln mit je einer Sklerenchymkappe um ein zentrales Markparenchym herum aufgebaut ist.
Auch in diesem Bild sind die Risse im äußeren Parenchym gut erkennbar.

Bild 5: Der untere Rand des Blattstiels ebenfalls bei 100-facher Vergrößerung, Stapel aus 9 Bildern.


Weite Teile des den unteren Leitbündelring umgebenden Parenchyms sind zerrissen.

Bild 6: Ein einzelnes Leitbündel mit seiner Sklerenchymkappe, Vergrößerung 200x, Stapel aus 8 Bildern


Markparenchym in grün, Xylem in orangebraun , Phloem in blau, Sklerenchym leuchtend rot, äußeres Parenchym in blaugrün und Cuticula (unten links) in rotorange.
Da die Schnitte mit 70 µm recht dick sind, zeigen sich die einzelnen Zellwände oft nicht ganz klar, recht häufig sind auch parallel zur Schnittebene liegende Zellwände im Bild.

Zum Schluss noch zwei Impressionen der Leitbündel in den kräftig gelb-grünen bzw. rot-dunkelgrünen AcriB und AcriBEN Färbungen:

Bild 7: Leitbündel in AcriB, Vergrößerung 200x, Stack aus 11 Bildern


In einigen Zellen um die Sklerenchymkappe sind eingelagerte Drusen erkennbar.

Bild 8: Leitbündel in AcriBEN, Vergrößerung 200x, Stack aus 11 Bildern


Die Differenzierung der einzelnen Gewebe ist bei dem nach Wacker gefärbten Präparat deutlich besser als bei den Proben mit AcriB und AcriBEN. Neben der Eignung der Färbung für die spezifische Gewebeprobe spielt mit Sicherheit auch die Schnittdicke eine Rolle. Gegenüber dicken Schnitten sind AcriB und AcriBEN noch empfindlicher als Wacker.

Kommentare und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Jürgen H.

Hallo Jörg,

Ganz phantastische Schnitte und schöne Färbungen!

Was mich erstaunt: Die Vielzahl der Leitbündel, in drei Schichten nebeneinander geordnet, wenn ich das nach Deinen Makrophotos der Blattstiele richtig einschätze? Was mich interessieren würde: Wie verzweigen die sich weiter? Versorgen die beiden seitlichen Leitbündelstränge andere Bereiche des Blattes als der mittlere?

Kleine Frage am Rande: Ist die Espe nicht nur eine Unterart der Pappel? Wenn es eine Populus nigra wäre, dann jedenfalls keine Espe?


Vielleicht entstehen die Risse in den Blattstielen ähnlich wie die Risse in meinen paraffineingebetteten Insekten? Die Epidermis schrumpft im Herbst nicht so schnell wie das Innere des Blattstieles? Oder ist es ein Artefakt der vorherigen Fixierung, so dass etwas mehr Essigsäure im AFE Gemisch erforderlich wäre?

Mikrogrüße

Jürgen

Jürgen H.

Noch ein Nacthrag:

Besonders gefällt mir ja Bild 6: Wie aus dem Lehrbuch!


Fahrenheit

#3
Lieber Jürgen,

vielen Dank für Dein Lob!

Die Bruchfläche der Blattstiele zum Ast hin zeigt ein ähnliches Bild wie bei der Walnuss, dort scheinen die drei Leitbündelringe dreiecksförmig angeordnet zu sein, wie auch die Form des Blattstiels vermuten lässt.

Zum Blatt hin wird der Stiel genau an dessen Ansatz wieder dünner und runder. Und betrachtet man Bild 2, scheint sich der mittlere Leitbündelring etwa auf Höhe des oberhalb liegenden roten Stielendes noch mal zu gabeln - leider habe ich die Blätter nicht mehr hier, um sie mir noch einmal genauer anzusehen.

Brauchbare Aussagen lassen sich wohl nur mittels einer Schnittserie vom Blattansatz bekommen. Vielleicht hat jemand mit einem (Schlitten-)Mikrotom Lust, sich das einmal genauer anzusehen?

Zu den Rissen: Schrumpfungen während der Fixierung als Auslöser kann ich nicht ausschließen, habe ich aber mit dem üblichen 90:5:5 Ansatz auch bei weicheren, wasserhaltigeren Geweben noch nicht erlebt.
Das Welken als Ursache hingegen möchte ich ausschließen, dazu waren mir die Blätter noch zu grün - siehe die Bilder 1 und 2.
Der Ansatz für meine Vermutung war das Gewebe des Nussblattstiels, das ähnlich aufgebaut ist und auch eine ähnliche Haptik hat, aber nach der Fixierung keinerlei Risse zeigte.

Bezüglich der Espe hast Du recht: ich habe noch mal ein wenig gegoogled und er scheint sich auf die Zitterpappel (Populus tremula) zu beziehen. Ich kannte den Namen als Synonym für Pappeln allgemein - schlecht recherchiert.  :-[

Herzliche Grüße
Jörg
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Druse

Lieber Jörg,

tolle Fotos und klasse Färbung!

Wieder einmal staune ich, was die Natur zustande bringt,

Viele Grüße, Mila

Jan Kros

Hallo Jörg
Ich finde deine Bilder tol.
Die Schnitten sind gut und schön gefärbt

Herzliche Gruss
Jan

Joost van de Sande

Hallo Jörg, hallo Jürgen.

Meine Lehrbücher hatten nicht solche schöne Bilder.

Herzliche Grüße
Joost

Fahrenheit

Liebe Mila, lieber Jan, lieber Joost,

herzlichen Dank für Euer Lob, es freut mich, dass Euch mein Beitrag zum Pappel-Blattstiel gefällt.

Freundliche Grüße
Jörg
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