Warum sind Computerchips bunt?

Begonnen von Horst Wörmann, Januar 21, 2020, 19:47:30 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Horst Wörmann

Weil's aktuell ist:
Warum sind Computerchips bunt?

Auch bei normaler, unpolarisierter Hellfeldbeleuchtung erscheinen die Chips immer in bunten Pastellfarben wie im aktuellen Faden ,,Chip-Aufnahmen" gezeigt, oder auch bei diesem Sensor, bei dem sofort die dunkelblauen Quadrate auffallen:


Bild 1. Chipgröße etwa 1630 µm x 1430 µm; Hellfeld-Auflicht ohne Pol.

Dieser Chip aus einem DVD-Brenner dient zur Spurlagen- und Fokuskorrektur sowie der Signalgewinnung. Es ist als Teil des optischen Systems mit einem perfekt planen Fenster abgedeckt, das einen unverzerrten Blick auf die Innereien erlaubt (anders als bei den Speicher-ICs, deren Abdeckung das Lösch-UV nur "irgendwie" durchlassen muß).

Die drei Photodioden sind dunkler sind als die Umgebung und intensiv blau. Das Spektrum des von den Dioden reflektierten Lichts sieht so aus:


Bild 2: Reflexionsspektrum von 400 bis 1020 nm

Unter 400 nm ist das Spektrum nicht auswertbar, weil die Halogenlampe der Auflichtbeleuchtung kein kurzwelliges Licht liefert. Zum Kurzwelligen - blauen - steigt die Reflexion stark an, deshalb die Blaufärbung der Dioden. Das Minimum der Kurve liegt zwischen 660 und 820 nm, hier wird besonders wenig Licht reflektiert, die Diodenflächen absorbieren stark und erscheinen dunkler als der Rest. Das ist so beabsichtigt, weil die Laser bei 645-660 nm (DVD) bzw. 770-790 nm (CD) emittieren und die Dioden in diesem Bereich hohe Empfindlichkeit haben müssen.
Erreicht wird das durch Aufbringen einer Antireflexschicht. Silicium hat einen hohen Brechungsindex von 3,882, nach den Fresnelschen Gleichungen wäre die Reflexion an einer unbeschichteten Oberfläche hoch und die Effizienz der Diode ohne die Antireflexschicht schlecht.

In der Ecke links unten auf dem Chip wird es bunt, allerlei Pastelltöne. An einem der von Carsten vorgestellten MEMS-Mikrofone (Infineon IM69D12) habe ich diese Farben mal spektroskopisch vermessen.


Bild 3. Ecke eines MEMS-Mikrofons, der rote Fleck ist die Abbildung der Meßblende des Spektrometers auf der Chipoberfläche (Durchmesser 48 µm).

Das zugehörige Spektrum (Bild 4, grüne Kurve) zeigt die Reflexion in Abhängigkeit von der Wellenlänge - also das Verhältnis des reflektierten zum eingestrahlten Licht, 100% bedeutet vollständige Reflexion.


Bild 4: Reflexionsspektrum (grün: markierte Stelle in Bild 3; blau siehe Text)
Das ist ein recht komplexes Interferenz-Spektrum. Im Zusammenwirken von Beleuchtungscharakteristik, Interferenzmuster und Augenempfindlichkeit entsteht der farbige Eindruck, der je nach Schichtaufbau des Chips variiert.
Die blaue Kurve ist zum Vergleich das Spektrum eines Libellenflügels bei gleichen optischen Aufnahmebedingungen: geringere Amplitude, die Farben sind schwächer und nur vor dunklem Untergrund erkennbar.

Die wellenlängenabhängigen Oszillationen der Reflexintensität sind keine (!) Sinuskurven, das sieht nur so aus. Offensichtlich sind zwei ,,Schwingungen" überlagert: eine mit kurzer und eine mit langer Periode, verursacht durch einen an dieser Stelle zweischichtigen Aufbau des Chips mit unterschiedlichen  Dicken bzw. Brechungsindices. Sie entstehen durch Reflexion an den Grenzflächen und Interferenz der reflektierten Wellen.
Man lernt zwar in der Schule die Deutungen der Interferenz an Seifenblasen, ist auch eine schöne Anwendung der Winkelfunktionen, aber nur leider nur die halbe Wahrheit. Damit kann man allenfalls die Maxima erklären. Hier hören auch die meisten Physik-Lehrbücher auf. Die etwas komplexe vollständige Formel und deren Ableitung möge mir die Gemeinde an dieser Stelle ersparen.  Jedenfalls lassen sich mit deren Kenntnis Dickenbestimmungen durchführen, je nach Problemstellung nach mehreren Rechenmethoden; für Spektrum Bild 4 ist die Fouriertransformation gut anwendbar, die folgendes Diagramm liefert:


Bild 5: Fourier-Transormation der Kurve aus Bild 4

Für zwei Schichten ergeben sich die erwarteten drei Peaks; das Ergebnis ist leider nur die optische Dicke n*d, für die Schichtdicke d muß man die Brechungsindices n haben, mir leider (noch) unbekannt.
Bei der gelochten Gegenmembran oben links im Bild 3 sind die Verhältnisse einfacher, weil nach Literaturangabe einschichtig, aus Polysilicium mit n = 3,882 bestehend und 3 µm dick; nach der vorstehenden Methode wurde rund 2,5 µm berechnet, was m. E. recht gut paßt.
   
Es sei noch erwähnt, daß Farbe auf den Chips auch durch Beugung entstehen kann, speziell bei Speicherchips oder auch Speicherbereichen auf Rechnerchips mit vielen periodischen, gitterähnlichen Strukturen. Das erfordert jedoch stark gebündeltes Licht und ist durch die hohe Winkelabhängigkeit von der hier vorgestellten Interferenz an dünnen Schichten unterscheidbar. Eindrucksvolle Bilder davon werden zur Zeit in einer Ausstellung ,,Mathematik und Ästhetik des Chipdesigns", im Artihmeum Bonn, kürzlich eröffnet, läuft bis 31.10.2020, sehr empfehlenswert für den Chip-Mikroskopiker!

Viele Grüße aus Bonn
Horst





reblaus

Hallo Horst -

vielen Dank für Deine Mühe! Du hast es wieder mal verstanden, einen Biologen aus dem Zustand des bewundernden Gaffens in die höheren Sphären des Basisverständnisses zu heben! Löblicherweise hast Du auch genau da aufgehört wo ich überfordert gewesen wäre.

Viele Grüße

Rolf

Bob

Hallo Horst,
vielen Dank für die gut verständliche Erläuterung dieser interessanten Fragestellung!

Viele Grüße,

Bob

Carsten Wieczorrek

Hallo Horst,

einen sehr schönen Chip hast Du da. Ich muss also noch nach einem alten Schrott-Scanner suchen.....

Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

derda

Guten Moin Horst,

vielen Dank für den schön bebilderten Beitrag. Da ich noch nie einen Speicherchip unter dem Mikroskop hatte: ändern sich die Farben beim Drehung des Chips?

Neugierige Grüße

Erik

Horst Wörmann

Liebe Kollegen,
vielen Dank für euer Interesse und die lobenden Worte!

@ Rolf: ... leider habe ich eben da aufgehört, wo es richtig spannend wird. Ich staune dabei immer wieder, was man mit einem Mikroskop alles anfangen kann.

@ Carsten: das ist kein Chip aus einem Scanner, das ist aus einem DVD-Brenner. Leicht herauszuoperieren, jedenfalls aus den älteren Modellen.
Wenn Du Gelegenheit hast, die Bonner Ausstellung im Arithmeum zu besuchen: dort gibt es eine Grabbelkiste mit Chips neuester Generation, als nackte Wafer-Teilstücke. Daran kann man sich bedienen. Gute Auflösungs-Testobjekte!

@ Erik: die Farben haben nichts mit Polarisation zu tun, sie sind richtungsunabhängig, also keine Änderung beim Drehen. Die zugrundeliegenden Reflexionsvorgänge sind nach den Fresnelschen Gleichungen zwar mit Polarisationsänderungen verbunden, die wirken sich hier aber nicht aus (muß ich sicher nicht weiter vertiefen, siehe Anmerkung zu Rolf...).

Viele Grüße
Horst



derda

Hallo Horst,

vielen Dank für die zusätzlichen Ausführungen.

Viele Grüße

Erik