Botanik: Krim-Linde Tilia x euchlora *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Januar 28, 2020, 16:15:32 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

diese Lindenart ist vermutlich eine um 1860 entstandene Hybride aus der Winter-Linde Tilia cordata mit der Kaukasischen Linde Tilia dasystyla.
Die mutmaßlichen Eltern einer hybridogenen Art werden in alphabetischer Reihenfolge angegeben und durch ein ,,X" verbunden.
Hybriden sind Nachkommen zweier ungleicher Individuen.
Der Baum lässt sich an der schmalen Krone und der recht glatten Rinde gut erkennen. Die Krim-Linde ist ein mittelgroßer Baum mit unregelmäßiger Krone bis etwa 20 Meter hoch.
Die Rinde ist mattgrau, an älteren Bäumen zerrissen und braun.

Bild 01 Habitus, Tilia x euchlora

Urheber: Petr Filippov
Die Äste sind anfangs aufrecht, gekrümmt, später ausgebreitet und an den Enden herabhängend. Die Zweige sind hellgrün, manchmal oberseits grünlich-rot, meist glatt und unbehaart.
Die Knospen sind 3 – 6 mm breit und gelblich-rot.

Bild 02 Blattoberseite, Tilia x euchlora

Urheber: Petr Filippov

Die Blätter sind 5 – 10 cm lang, breit-oval, plötzlich zugespitzt, mit etwas schiefem Blattgrund, am Rande fein gezähnt, Zähne in einer Haarspitze auslaufend, oberseits glänzend dunkelgrün, unterseits blasser, mit auffälligen rötlich-braunen Haarbüscheln in den Achseln der Blattnerven.
Der Blattstiel ist etwa 3,5 cm lang und glatt.
Die Krim-Linde war aber zeitweise wie die Silber-Linde in Verruf wegen Hummel- und Bienensterbens zur Blütezeit geraten.
Als blattlausresistent hat die Krim-Linde erwiesen. Ihr einziger Haken ist der für Bienen anscheinend unwiderstehliche Duft ihrer Blüten.
Die in Schwärmen angelockten Bienen werden jedoch betäubt oder vergiftet, so dass der Boden unter den Bäumen oft mit sterbenden Tieren übersät ist.
Das ist auch der einzige Grund, diesen schönen Baum nicht zu pflanzen.

Systematik:
Ordnung: Malvenartige (Malvales)
Familie: Malvengewächse (Malvaceae)
Unterfamilie: Lindengewächse (Tilioideae)
Gattung: Linden (Tilia)
Art: Krim-Linde
Wissenschaftlicher Name: Tilia × euchlora
Englischer Name: Basswood
Linden werden neuerdings als Unterfamilie der Malvaceae geführt.
Zur Gattung ,,Tilia" gehören 25 – 45 Arten, die zur Bastardierung neigen.
Linden kommen nur auf der Nordhalbkugel vor, vor allem in Laub- und Mischwäldern gemäßigter Breiten, einige Arten reichen bis zur tropischen Zone.

Teil 1
Einjähriger Spross, Querschnitt, 15 µm

Beim Färben der Schnitte gab es Probleme.
Im Markparenchym und im Xylem der Krim-Linde sind vermutlich Schleimhöhlen eingelagert. Es könnte sich hier um saure Membranschleime handelt, die zum größten Teil in Schleimzellen lokalisiert sind. Dieser Schleim verändert die Färbung (blaue Fleckenbildung).
Ich habe einen sehr jungen Spross (15 µm) und einen zweijährigen Spross (25 µm) geschnitten.
Die Schleimzellen treten bei dem sehr jungen Spross vermehrt auf.
Reiner Teuber schrieb: Prof. Franz Buxbaum empfiehlt in seinem Artikel im Mikrokosmos, Band 49, Heft 7, Seite 216 aus dem Jahre 1960 mit dem Titel "Neue Tricks bei botanischen Untersuchungen mit Präparier Lupe und Mikroskop" zur Beseitigung von Schleimen in botanischen Schnitten die Verwendung einer gesättigten Lösung von Ätzkalk (Calciumhydroxid) über mehrere Stunden.
Leider konnte den Schleim nicht entfernen.
Klorix (Lösung 1:4) brachte auch keinen Erfolg.

Bild 03 Krim-Linde Tilia x euchlora

Fehler in der Färbung

4 Bilder von ungefärbten Schnitten:

Bild 04 Vergrößerung, Krim-Linde Tilia x euchlora


Bild 05 Schleinzellen, Krim-Linde Tilia x euchlora


Bild 06 Kristalle, Krim-Linde Tilia x euchlora


Bild 07 Autofluoreszenz, Krim-Linde Tilia x euchlora

Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Zweiähriger Spross, Querschnitt, 25 µm

Wacker 3 A - Färbung (Acridinrot – Acriflavin - Astrablau)

1. Probe liegt in 20 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridiorot 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest.
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 15 Sekunden !!!
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest.
7. Nachfärbung Astrablau 2 Minute
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % )
10. Einschluss in Euparal

Fotos: Nikon D5000

Bild 08 Übersicht mit Beschriftung, Krim-Linde Tilia × euchlora

MA = Markparenchym, XY = Xylem, ST = Strahl, J = Jahresringgrenze, PH = Phloem, K = Kambium, PHST = tangential erweiteter Phloemstrahl, RP = Rindenparenchym, EP = Epidermis, CU = Cuticula, SK = Sklerenchym

Bild 09 Geschlossene Lentizelle, Krim-Linde Tilia × euchlora


Bild 10 Vergrößerung, mit Beschriftung Krim-Linde Tilia × euchlora

J = Jahresringgrenze, pXY = primäres Xylem

Bild 11 Vergrößerung, Krim-Linde Tilia × euchlora


Bild 12 Lentizelle, Krim-Linde Tilia × euchlora


Bild 13 Vergrößerung, Krim-Linde Tilia × euchlora


Bild 14 Tracheen, Krim-Linde Tilia × euchlora


Bild 15 Vergrößerung, Krim-Linde Tilia × euchlora


Bild 16 Auflichtbeleuchtung, Krim-Linde Tilia × euchlora

Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

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Gerne per "Du"

Hans-Jürgen Koch

Teil 2
Zweijähriger Spross, Längsschnitt, 25 µm

Bild 17 aufgeklebte Schnitt - Probe, Krim-Linde Tilia × euchlora


Bild 18 Übersicht, Krim-Linde Tilia × euchlora

Triebstück mit Seitenknospe und Blattspur; die Krim-Linde bildet keine terminalen Knospen (Endknospen), daher ist ihr Wuchs sympodial.
Sympodiales Wachstum ist eine Art Verzweigungsmuster, bei dem sich ein Zweig stärker entwickelt als der andere, was dazu führt, dass die stärkeren Zweige den Primärtrieb bilden und die schwächeren Zweige seitlich erscheinen. Sympodiales Wachstum ist eine Art Verzweigungsmuster, bei dem sich ein Zweig stärker entwickelt als der andere, was dazu führt, dass die stärkeren Zweige den Primärtrieb bilden und die schwächeren Zweige seitlich erscheinen.

Bild 19 Vergrößerung, Krim-Linde Tilia × euchlora


Bild 20 Vergrößerung, Krim-Linde Tilia × euchlora


Bild 21 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm, Krim-Linde Tilia × euchlora

Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 22 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm, Krim-Linde Tilia × euchlora


Bild 23 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm, Krim-Linde Tilia × euchlora


Bild 24 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm, Krim-Linde Tilia × euchlora

Leitbündel

Quellen und weiterführende Informationen:
Wikipedia
Humphries/Press/ ,,Der Kosmos-Baumführer", ISBN: 3-440-06140-X
Peter A. Schmidt ,,Taschenlexikon der Gehölze", ISBN: 978-494-01448-7
P. Schütt ,,Lexikon der Baum- und Straucharten", ISBN: 978-3-86820-123-9
,,Kosmos-Baumführer Europa", ISBN: 978-3-440-11741-5

Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quelle. Texte werden anschließend individuell von mir selbst verfasst.
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Hans-Jürgen



Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

JB

Zitat von: Hans-Jürgen Koch in Januar 28, 2020, 16:17:51 NACHMITTAGS
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Hallo,

Mal wieder nur lobende Worte fuer die beeindruckende Mikrodoku!

Nur zur Ergaenzung zum Hummelsterben:

Zitat
Ihr einziger Haken ist der für Bienen anscheinend unwiderstehliche Duft ihrer Blüten.
Die in Schwärmen angelockten Bienen werden jedoch betäubt oder vergiftet, so dass der Boden unter den Bäumen oft mit sterbenden Tieren übersät ist.

Warum es zu den Ansammlungen von toten Hummeln und anderen Bienen unter diesen spaet-bluehenden Linsen kommt ist noch immer nicht geklaert. Entgegen aelteren Modellen dazu scheint es keine einfache Vergiftung zu sein, jedenfalls nicht als Einzelursache, denn der Nektar dieser Linsen enthaelt keine bekannten Toxine. Zumindest ist die toxische Wirkung noch nie robust untersucht worden.

Vielmehr koennte eine Kombination von Ursachen das Hummelsterben erklaeren. Die Blueten scheinen aufgrund von Duft und Coffein-Gehalt sehr attraktiv fuer Hummeln und andere Bienen zu sein, aber nur einen geringen Naehrwert zu haben. Da es zur selben Zeit (Hochsommer) in der aufgeraeumten Landschaft zu wenig alternative Nektarquellen gibt und Honigbienen auch den Lindennektar noch wegsammeln sterben die Hummeln mit leerem Magen unter den Linden.

Es ist also noch zu klaeren ob die Silberlinden das Problem sind oder der Mangel an attraktiven Blueten in der Landschaft und die Ueberpopulation mit domestizierten Honigbienen [Honigbienen gelten inzwischen als Proeblem fuer Wildbienen und sollten aus sensiblen Naturschutzgebieten ferngehalten werden].

Review findet sich hier: https://www.researchgate.net/publication/320060665_Do_linden_trees_kill_bees_Reviewing_the_causes_of_bee_deaths_on_silver_linden_Tilia_tomentosa und von den selben Autoren noch mal verkuerzt hier: https://www.kew.org/read-and-watch/do-lime-trees-kill-bees

Beste Gruesse,

Jon

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

wie immer eine sehr sorgfältige und schöne Doku, die ich gerne gelistet habe.

Faszinierend Bild 21 von der Blattknospe.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Hallo Jon, hallo Jörg,
danke für eure lobenden Worte.

@ Jon,

danke für deine ausführliche Info zum Hummel- und Bienensterben.
In meiner älteren Literatur zur Krim-Linde habe ich diesen Hinweis nur einmal gelesen. Aktuelle Fachbücher erwähnen dieses Phänomen nicht, deshalb habe ich geschrieben: ,,Die Krim-Linde war aber zeitweise wie die Silber-Linde in Verruf wegen Hummel- und Bienensterbens zur Blütezeit geraten".

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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