Botanik: Strand-Grasnelke Armeria maritima, ein Überlebenskünstler *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, Juni 08, 2020, 08:22:20 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

die Strand-Grasnelke ist ein rechter Weltenbummler und auf jedem Kontinent – außer Australien – irgendwo zu Hause.
Sowohl in den Dünen als auch auf den höheren Salzwiesen ist die Grasnelke eine Charakterart der Küstenregion.
Salz ist der Stoff, der das Gesicht der Halligen prägt. Mit jedem ,,Land unter" trägt die Nordsee Salz heran. Mit dem Meerwasser dringt es in den Boden ein, und wenn das Wasser wieder geht und die Lachen langsam austrocknen, bleibt es als glitzernde Schicht auf dem Boden, auf Blättern und Stängeln zurück.

Bild 01 Habitus, Strand-Grasnelke Armeria maritima

Foto: H.-J_Koch

Die Grasnelke ist die Kennart der Salzrasen an der Nord- und Ostseeküste und wächst natürlicherweise in der oberen Salzwiese. Durch Beweidung wird sie gefördert und tritt deshalb häufig in kurzgefressenen Andelrasen (Salzwiesen) auf. Im Binnenland wächst sie oft auf den versalzenen Mittelstreifen von Autobahnen.
Diese Pflanzen können giftige Metall- und Salzionen "handhaben", so dass sie an Orten gedeihen, die für andere Pflanzen unbewohnbar sind.
Dies sind salz- und schwermetallhaltige Böden in ganz Europa.
Wo im Harzvorland Graselken wachsen, sind die Böden oft so schwermetallhaltig, dass die Kühe tot auf der Weide umfallen!
Hier kann nur überleben, wer dem Salz etwas entgegenzusetzen hat, denn Salz ist absolut tödlich, zumindest für Pflanzen. Salz wirkt wie die Sonne in der Wüste. Es saugt Pflanzen geradezu aus. Auf den Halligen aber gibt es Überlebenskünstler, Pflanzen, die einige Tricks auf Lager haben, um sich des Salzes zu erwehren. Man nennt sie Salzpflanzen oder Halophyten. Sie leben in den Salzwiesen.
Die Ursache für dieses Paradoxon ist ein physikalisches Phänomen, das man als Osmose bezeichnet: Trennt man zwei Flüssigkeiten unterschiedlicher Salzkonzentration mit einer wasserdurchlässigen Membran, so fließt das Wasser aus der Flüssigkeit mit geringem Salzgehalt durch die Membran in die höher konzentrierte Flüssigkeit. Wasser hat also die Tendenz, hohe Konzentrationen auszudünnen. In salzigen Böden führt das dazu, dass Pflanzen über ihre Wurzeln Wasser an den Boden verlieren, weil die Salzkonzentration dort höher ist. Das ist auch in den Salzwiesen der Fall: Gewöhnliche Pflanzen sterben. Die Halophyten aber verfügen über einen Mechanismus, der mit dem Saugen an einem Strohhalm vergleichbar ist. Sie lagern in ihrem Gewebe so lange Salz ein, bis die Salzkonzentration in der Pflanze jene im Boden übersteigt und das Wasser aus dem salzigen Boden in die Pflanze einströmt.
Doch damit handeln sich die Pflanzen ein weiteres Problem ein. Salz im Gewebe ist gefährlich, weil es auch im Pflanzeninneren seine osmotische Wirkung entfaltet. Nimmt die Salzkonzentration in der Pflanze zu, dann sickert das Wasser aus den Pflanzenzellen. Die Zellen schrumpfen, die Blätter welken. Exitus.
Die Salzpflanzen aber haben Methoden entwickelt, um das Salz in ihrem Inneren zu neutralisieren. Die Strand-Grasnelke mit ihrem rosaroten Köpfchen entsorgt das Salz nach diesem Drüsenprinzip. Allerdings kostet das viel Energie, denn die Salze werden mit einer Art biochemischer Pumpe durch kleine Öffnungen aus den Drüsenzellen geschleust.
Bei Untersuchungen wurden bis zu 0,7 % Zink und 0,15 % Blei gefunden.

Das Ende des Winters zeigt vor den Deichen nur ein Frühlingsblüher an: die Grasnelke.
Bild 02, rosa Blütenkopf, Strand-Grasnelke Armeria maritima

Foto: H.-J_Koch

Auf 10-50 cm hohen Stielen bildet sie im Mai zarte rosa Blütenköpfe, die dem Wind trotzen. Die Art hat viele volkstümliche Namen bekommen und ist als Trockenstrauß und Blumenkranz sehr beliebt. Ihren heutigen Namen haben ihr die unscheinbar grasartigen Blätter eingebracht. Sie bilden eine dichte Rosette am Ende eines Wurzelstockes, der Jahrzehnte alt werden kann.

Bild 03 Illustration: Strand-Grasnelke Armeria maritima

Bildquelle: Prof. Dr. Otto Wilhelm Thome Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz 1885, Gera, Germany
Die Strand-Grasnelke (Armeria maritima), sehr häufig auch Gewöhnliche Grasnelke genannt, ist eine Pflanzenart, die zur Familie der Bleiwurzgewächse (Plumbaginaceae) gehört. Anders als ihr Name vermuten lässt, ist sie keine Nelke.
Die Pflanze wurde früher als Mittel gegen Epilepsie verwendet wegen des Gehalts an Plumbagin, welches jedoch stark reizend ist.
Es ist nach der Pflanzengattung Plumbago benannt, aus der es ursprünglich isoliert wurde. Es kommt auch häufig in den fleischfressenden Pflanzengattungen Drosera (Sonnentau) und Nepenthes (Kannenpflanze) vor. Es ist auch ein Bestandteil der Schwarznuss- Steinfrucht.

Systematik:
Ordnung: Nelkenartige (Caryophyllales)
Familie: Bleiwurzgewächse (Plumbaginaceae)
Gattung: Grasnelken (Armeria)
Art: Strand-Grasnelke
Wissenschaftlicher Name: Armeria maritima
Trivialnamen: Berggrasblume, Bergnelke, Goldröseln (Tirol), Grasblume (Schlesien), Grasfilette (Ostfriesland), Grasfilitte (Butjaden), Grasnelke (Pommern), Hasenpoten (Pommern), Hamblaum (Wangerooge), Kittelknopf (Fehrbellin), Kubb-Blömmk (Helgoland), Meergrasblumen (Ostpreußen), gross Meergras, Meernägeln, Mövenblume (Helgoland), Pingsterblöm (Ostfriesland), Pinke (Waldbrühl), Sandnelke, Schlernhexe (Tirol), Seegras (Ostpreußen), Seegrasblumen (Ostpreußen), Seggrasnägelein, Strandkraut, Strandnelke, Strohblume (Bremen) und Winsfelder Rosen (Fusch im Pinzgau).
Bei uns zu Hause sagt man Strohblume.
Englischer Name: Beach carnation

Die Strand-Grasnelke zählt zu den Stauden und wächst häufig polsterartig als sommergrüne, ausdauernde krautige Pflanze. Sie bildet eine Rübenwurzel aus.
Die Echte Strand-Grasnelke (Armeria maritima subsp. maritima): besitzt relativ kurze äußere Hüllblätter, die nur etwa 10 mm lang werden, kurz zugespitzt oder stumpf sind und kürzer als die inneren und auf dem Rücken grün sind. Ihre sehr schmalen, linealischen Blätter sind nur 1 bis 1,5 mm breit, undeutlich einnervig, fleischig und oft gewimpert.
Die Laubblätter sind etwas behaart, was als Verdunstungsschutz dienen soll.
Der Blütenstandsschaft ist oft etwas behaart. Die Blütenköpfe erreichen einen Durchmesser von 15 bis 20 mm.
Die äußeren, stumpfen, mal mehr, mal weniger kurz zugespitzten Hüllblätter des Blütenkopfes überragen diese meist nicht. Die Kronblätter sind rosa bis purpurn gefärbt. Sie blüht zwischen Mai und Oktober. Die heterostylen Blüten werden von zahlreichen Insektenarten bestäubt. Die Früchte werden durch den Wind oder durch Klettwirkung ausgebreitet.
Während die Strand-Grasnelke in Norddeutschland sowohl an der Nordsee- als auch an der Ostseeküste zerstreut vorkommt, so ist sie im Binnenland sehr selten. Deshalb ist sie mit ihren Unterarten auch auf der Roten Liste der Gefäßpflanzen Deutschlands in die Gefährdungsklasse 3 eingeordnet. Die Pflanze steht unter Naturschutz und ist nach BArtSchV besonders geschützt.

Spross, Querschnitt, 25 µm

4 Bilder von ungefärbten Schnitten.
Auf eine Färbung könnte man gut verzichten, die Zellen sind natürlich sehr gut strukturiert und gut zu unterscheiden.

Bild 04 Vergrößerung, Strand-Grasnelke Armeria maritima


Bild 05 Vergrößerung, Strand-Grasnelke Armeria maritima


Bild 06 Autofluoreszenz, Strand-Grasnelke Armeria maritima

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm, LED Modul 455 nm,

Bild 07 Autofluoreszenz, Strand-Grasnelke Armeria maritima

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm, LED Modul 455 nm,

Wacker 3 A - Färbung (Acridinrot – Acriflavin - Astrablau)
1. Schnitte liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridiorot 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest.
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 30 Sekunden !!!
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest.
7. Nachfärbung Astrablau 2 Minute
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %
10. Einschluss in Euparal
Fotos: Nikon D5000

Bild 08 Vergrößerung, Strand-Grasnelke Armeria maritima


Bild 09 Vergrößerung, Strand-Grasnelke Armeria maritima


Bild 10 Vergrößerung mit Beschriftung, Strand-Grasnelke Armeria maritima

MP = Markparenchym, PXY = Protoxylem, XY = Xylem, PH = Phloem, SK = Sklerenchym, RP = Rindenparenchym, EP = Epidermis, CU = Cuticula
Als Sklerenchym (altgriechisch σκληρός sklēros ,,hart" und ἐνχυμα enchyma ,,das Eingeschlossene") bezeichnet man ein Festigungsgewebe bei Pflanzen. Es tritt meist als Schicht um ein Leitbündel auf. Sklerenchymzellen bilden sekundär verdickte, meistens verholzte Zellwände aus.
Das Sklerenchym ist ein totes Gewebe aus sehr dickwandigen, englumigen Zellen, das nur in ausgewachsenen Pflanzenteilen auftritt.

Bild 11 Vergrößerung, Strand-Grasnelke Armeria maritima


Bild 12, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Strand-Grasnelke Armeria maritima

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 13, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Strand-Grasnelke Armeria maritima


Bild 14, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Strand-Grasnelke Armeria maritima


Bild 15, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Strand-Grasnelke Armeria maritima


Quellen und weiterführende Informationen:
Wikipedia
,,Was blüht denn da?", ISBN: 978-3-440-11379-0
Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen. Texte werden anschließend individuell von mir selbst verfasst.
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

danke für Deinen schön gemachten und informativen Beitrag!

Der Blütenstängel der Strand-Grasnelke ist ja wirklich ordentlich versteift: mehr als ein Drittel der Querschnittsfläche ist Sklerenchym. Da zeigt sich wohl, dass die Pflanze so mancher steifen Brise stand halten muss.

Herzliche GRüße
Jörg

p.s.
Natürlich gelistet. :)
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Rawfoto

Hall Hans-Jürgen

Spannendes aus den Norden zeigst du uns da, wie die Pflanze mit dem Salzgehalt umgehen kann finde ich bemerkenswert.

Danke, für mich wieder ein spannender Beitrag👍

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

piu58

Die Verbindung zwischen Physiologie und Anatomie ist das spannendste, was ein Mikroskop offenbaren kann. Dazu brauch man auch erläuternde Beiträge wie diesen hier. Recht vielen Dank.
Bleibt dran, am Okular.
--
Uwe

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg, hallo Gerhard hallo Uwe,

danke für das Feedback, es freut mich, dass euch meine Arbeit gefällt.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Wutsdorff Peter

Grüß´Dich Hans-Jürgen,
auch ich schließe mich den lobenden Worten meiner Vorgänger an! Wiklich suuper.
Ein Typischer Hans-Jürgen!
Auf Deinem ersten Bild ist im Vordergrund eine Pflanze mit einer Knospe am Stengel zu sehen.
Ist das eine Strandnelke?
Also vielen Dank und bleib gesund
Peter

Jürgen Boschert

Lieber Hans-Jürgen,

Du weißt ja, ich kommentiere nicht jeden Artikel von Dir; aber glaube mir, ich lese Sie immer brav und ganz - und es ist jedes mal ein Vergnügen für mich. So auch dieser.

Danke, dass Du uns Deine Eindrücke so intensiv miterleben lässt !

Beste Grüße !

JB

Hans-Jürgen Koch

Lieber Peter, lieber Jürgen,

danke für eure netten Worte.
@ Peter,

bevor ich die Strand-Grasnelke fotografiert habe, musste ich sie erst einmal freilegen. Ein Foto mit diesem Hintergrund kommt nicht so gut. Ausgraben habe ich nicht gewagt (Armeria maritima steht unter Naturschutz und ist nach BArtSchV besonders geschützt).
Ich glaube, dass die Pflanze mit der Knospe eine Strand-Grasnelke ist.

Gruß und bleibt gesund
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"