Warum ist die Lichtgeschwindigkeit in verschidenen Medien unterschiedlich

Begonnen von Klaus Herrmann, Juli 12, 2020, 13:18:42 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Klaus Herrmann

Hallo Physiker/Optiker,

ich habe eine Frage für ein allgemein bekanntes Phänomen. Die Vakuumlichtgeschwindigkeit ist die höchste bekannte Geschwindigkeit. Aber warum ist sie in einem transparenten Medium wie z. B. Glas oder Wasser geringer.  Der Brechungsindex ist ja eine Folge davon. Aber meine Frage ist: wodurch wird das Licht gebremst und wieso hat es nach Durchgang durch das optisch dichtere Medium wieder die ursprüngliche Geschwindigkeit?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Florian D.

Das Licht ist ja eine elektromagnetisch Welle und regt daher die gebundenen Elektronen in den Materialien zum Mitschwingen an.
Diese Schwingung ist allerdings nicht in Phase mit der des anregenden Feldes. Im optischen Bereich liegen die relevanten Schwingungen im UV Bereich, die Schwingung ist daher verzögert.
Allerdings strahlen die schwingenden Ladungen ("Polarisation") auch wieder Licht ab. Dieses ist nun aber gegenüber dem Anregenden phasenverzögert. Dies führt zu einer kleineren Phasengeschwindigkeit für die Überlagerung des anregenden und abgestrahlten Lichts  als die für Licht in vacuo. Im Röntgenbereich ist die Polarisation allerdings in die andere Richtung verschoben. Die Phasengeschwindigkeit wird höher als die im Vakuum und der Brechungsindex dementsprechend <1.

Viele Grüsse
Florian

Alfred Schaller

#2
Nur zur Ergänzung:
Aus den genannten physikalischen Zusammenhängen ergibt sich das FERMATsche Prinzip: Der Weg, den das Licht von einem Punkt zu einem anderen einschlägt, ist stets derjenige, bei dem die dafür benötigte Zeitspanne minimal ist. (Pierre de Fermat (1607 - 1665) Mathematiker und Jurist) Daraus ergeben sich sowohl Brechungsgesetz als auch Beugung.
Viele Grüße
Alfred

- gern per Du  / Vorstellung -

derda

Hallo Klaus,

noch als Ergänzung zu Florians Erklärung.

Die Brechzahl n ist das Verhältnis der Vakuumlichtgeschwindigkeit c und der Phasengeschwindigkeit v im Medium. Im Medium wirken die Materialkonstanten e  (Permittivität) und µ (Permeabilität) ,,bremsend":

v = c / (e * µ)^1/2

Wenn das Medium durchlaufen wurde, fallen die beiden Materialkonstanten wieder weg und v ist wieder gleich c.

So einfach ist das.

Viele Grüße

Erik



momotaro

Hi Klaus.
Ich kann gerade nicht an meinen PC, meine Frau schläft schon.

The Feynman Lectures on Physics Volume I, Chapter 31, The Origin of the Refractive Index.

https://www.feynmanlectures.caltech.edu/I_31.html
Das war für mich während des Studiums die Bibel der Physik.
LG Helmut
,,Die Kunst ist lang, das Leben kurz, das Urteil schwierig, die Gelegenheit flüchtig." — Johann Wolfgang von Goethe Wilhelm Meister's Lehrjahre (1786–1830)

Klaus Herrmann

Herzlichen Dank an euch alle.

Ich habe die Frage gestellt, weil im französischen Forum "Microscopia" die Frage gestellt wurde, warum die Farben eines Polpräparats sich ändern, wenn man das Präparat bei XPL dreht. Ich habe lange dran gesessen um eine befriedigende Antwort in ordentlichem Französisch abzufassen. Dann hat sich eine weitere Diskussion entwickelt in der die Frage nach der Geschwindigkeitsänderung des Lichtes in transparenter Materie mit n ungleich 1 aufgeworfen wurde. Wenn man die Diskussion verfolgt, dann ahnt man, warum damals so viele bei "Microscopia" ausgetreten sind.

https://forum.mikroscopia.com/topic/18485-polarisation-do%C3%B9-viennent-les-changements-de-couleurs/#entry76106

"Microscopia" ist das erste Forum in Frankreich  das 2. "le Naturaliste" hat sich in einem langen heftigen Streit abgespalten und hat heute deutlich größere Bedeutung. Über die Hintergründe werde ich mich nicht öffentlich auslassen. Ist auch nicht wichtig in diesem Zusammenhang.

Nun zu den Fakten: Ich bin jetzt nach dem brillianten Artikel von Feynmann verwirrt und nicht mehr sicher, ob ich es richtig verstanden habe. Er spricht von "apparantly change of the velocity" Bedeutet das dann, dass die Lichtgescheindigkeit sich gar nicht verändert sondern das Licht nur einen längeren Weg durch die Brechung zurücklegt und es dadurch eben etwas länger braucht. Aber die Geschwindigkeit immer gleich ist?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Florian D.

Feynman war Teilchenphysiker. Denen ist die Konstanz der (Vakuum-)Lichtgeschwindigkeit fest verdrahtet, d.h. die denken immer in einem mikroskopischen Bild, wo die Photonen zwischen Stössen mit Elektronen frei herumfliegen. Wenn man es so betrachtet, ist die Lichtgeschwindigkeit im Medium eine Scheinbare. Das muss man aber nicht so sehen und Festkörperphysiker, die sich mit Materialeigenschaften normalerweise besser auskennen, tun dies normalerweise auch nicht.

Klaus Herrmann

Das ist ja fast wie fragst du 2 Juristen bekommst du 5 schlüssige Antworten

Gibt es denn (ausser Wikipedia) einen Link in dem erklärt wird, warum die Geschwindigkeit sich ändert - so wie bei Feynmann, der ja wunderbar anschaulich erklärt hat, dass die Lichtgeschwindigkeit konstant ist?

Hat das etwas zu tun mit der Dualität Welle-Partikel?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Lupus

Hallo Klaus,

das wird jetzt aber eine eher philosophische Diskussion. Durch den Welle-Teilchen-Dualismus gibt es keine einzige richtige Beschreibung. Sicherlich ändert das Licht nicht wirklich seine Eigenschaften beim Durchgang durch Materie, es entstehen lediglich interpretationsbedürftige äußerlich sichtbare Effekte. Der Teilchenphysiker sieht das einzelne Photon nur kurzfristig an jedem Atom abgebremst, der zur großen Zahl neigende Festkörperphysiker addiert lieber phasenverschobene Wellen und erhält dadurch die Verzögerung der Lichtausbreitung.   ;)

Hubert

Florian D.

Gerade habe ich mir die Ableitung in Feynman angesehen. Dies ist im Prinzip gerade das, was ich versucht habe mit Worten zu beschreiben, nur halt mit vielen Formeln.
Es ist vielleicht hilfreich, z. B. Schallwellen zu betrachten. Die breiten sich in verschiedenen Medien auch mit verschiedener Geschwindigkeit aus, in anisotropen Medien gibt es ebenfalls Doppelbrechung und es gibt sogar Ultraschallmikroskope.
Die Schallgeschwindigkeit ergibt sich aus der Dichte und den Elastizitätskonstanten, in einfachen Masse-Feder Modellen aus der Masse der Körper und der Federkonstante. Das ist vielleicht anschaulicher.


Viele Grüsse
Florian

derda

Zitatd.h. die denken immer in einem mikroskopischen Bild

In den Feynman Lectures gibt es eine sehr bildhafte Beschreibung des Hineinzoomens in einen Wassertropfen. Irgendwann beschreibt Feynman dann Paramecium Bursaria  :D

Er hat bestimmt mikroskopiert.

Lupus

Hallo Florian,

der Vergleich mit Schallwellen passt eher nicht. Deren Ausbreitung ist unmittelbar an die mechanischen Eigenschaften der Materie gebunden. Licht breitet sich ohne Materie aus.

Hubert

Florian D.

Hallo Lupus,

das stimmt ja so nicht. Die verminderte Lichtgeschwindigkeit in Medien rührt ja gerade daher, dass diese Medien eigene Schwingungsmoden haben, die an das elektromagnetische Feld koppeln.
Ich habe hier mal ein paar Graphiken gezeichnet, die die Kopplung von Licht and eine Mode eines Mediums zeigen.
Ohne Kopplung wird die Dispersionskurve von Licht im Vakuum durch eine Ursprungsgerade (gestrichelt)  mit Steigung c_0= omega/k im k - omega Diagramm (Wellenzahl-Frequenz) dargestellt.
Die Schwingungsfrequenz der elektronischen Anregung bei omega_0 sei von k unabhängig (senkrechte gestrichelte Linie).
Wenn die beiden allerdings aneinander koppeln (durchgezogene Linie) wird die Kreuzung vermieden.
Plottet man jetzt im 2. Diagramm die Phasengeschwindigkeit (c=omega/k)  über der Frequenz auf, so sieht man, dass c unterhalb der Resonanz kleiner als c_0, oberhalb dagegen grösser als c_0 ist.
Der Brechungsindex n=c_0/c ist dementsprechend >1 für omega<omega_0 und <1 für omega>omega_0.
Das Bild kann man leicht auf mehrere Resonanzen verallgemeinern. Allerdings liegen die stärksten Resonanzen fast alle im UV, so dass man im Sichtbaren typischerweise n>1 findet.

Viele Grüsse
Florian

Klaus Herrmann

Hallo zusammen,

vielleicht ist es doch einfach so, dass man viele Messungen macht um ein komplexses Phänomen zu erfassen. Dann sucht man nach einer schlüssigen Erklärung und baut sich ein Modell, das in sich möglicht widerspruchsfrei ist. Das muss nicht zwangsläufig mit der Realität übereinstimmen, aber man muss damit arbeiten können.
Und es ist durchaus möglich, dass ein anderer mit völlig anderen Ansätzen ein ebenso schlüssiges Modell entwickelt, das vielleicht die selben Phänomene plausibel erklärt oder vielleicht zusätzliche Aspekte noch besser erklärt.
Was tatsächlich auf atomarer Ebene abläuft kann eh keiner sicher sagen? Damit gibt es also keine absolute Wahrheit die wir kennen.

Liege ich hiermit völlig daneben?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Florian D.

Zitat von: Klaus Herrmann in Juli 13, 2020, 19:51:56 NACHMITTAGS
Liege ich hiermit völlig daneben?

Ja, schliesslich kann man den Brechungsindex heute leidlich ab initio berechen ohne eine einzige Messung machen zu müssen.