Botanik: Mönchspfeffer Vitex agnus-castus eine mittelalterliche Heilpflanze

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, November 04, 2020, 09:48:55 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

der Mönchspfeffer ist im Mittelmeergebiet und in Westasien beheimatet. Im Küstengebieten bildet die Pflanze oft dichte Bestände.
Der Mönchspfeffer ist ein 1 bis 6 Meter hoher, sommergrüner Strauch aus der Familie der Lippenblütengewächse.
Vitex agnus-castus besitzt 4kantige, graufilzige junge Zweige. Die Blätter sind handförmig geteilt, unterseits weißfilzig gegenständig mit 6 bis 7 nahezu ganzrandigen Fiederblättchen.

Systematik:
Ordnung: Lippenblütlerartige Lamiales
Familie: Lippenblütler Lamiaceae
Unterfamilie: Viticoideae
Gattung: Vitex
Art: Mönchspfeffer
Wissenschaftlicher Name: Vitex agnus-castus
Trivialnamen: Keuschbaum, Keuschlamm oder Liebfrauenbettstroh, Abrahamstrauch, Athenbaum, Pfeffersalz und Tanis.
Englischer Name: Chaste tree

Bild 01 Habitus, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus

Urheber: Krzysztof Ziarnek, Kenraiz

Vitex agnus-castus hat blaue oder rosa Blüten mit 2-lippiger, 6-9 mm langer Krone in verzweigten ährenartigen Blütenständen.
Blütezeit ist Juli bis August. Die Treibzeit ist je nach Ortsbedingungen unterschiedlich, meist von April bis Juni.

Bild 02 weiße Blüten vom Mönchspfeffer Vitex agnus-castus

Urheber: Plenuska
Die duftenden Blüten sind klein, bestehen aus dichten, endständigen Blütenständen und haben eine violette, blaue, rosa oder weiße Farbe.

Bild 03 Früchte des Mönchspfeffers, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus

Urheber: Maša Sinreih in Valentina Vivod

Makroskopische Merkmale der Früchte:
Ganz reife Früchte; Steinfrucht viersamig, schwarzbraun bis olivschwarz, oval bis kugelig, Durchmesser bis 5 mm; Kelch ausdauernd mit 4 bis 5 kurzen Zipfeln, filzig grau behaart, umschließt becherförmig bis zu zwei Drittel der Frucht; Frucht selten ohne Kelch; teilweise mit 1 mm langem Fruchtstiel; Ansatzstelle des Griffels meist erkennbar; Frucht im Querschnitt mit 4 Fächern und jeweils einem länglichen Samen; Fruchtwand in Richtung Endokarp zunehmend sklerenchymatisch; Geruch: salbeiartig, aromatisch; Geschmack: würzig, scharf, pfefferartig.
Endokarp: Bezeichnung für die Innenschicht der Fruchtwand.
Fossilfunde von Vitex agnus-castus stammen aus der oberen Kreidezeit.
Die Mönchspfeffer Früchte werden seit Jahrhunderten arzneilich verwendet. In der Antike und im Mittelalter galten sie als Mittel zur Herabsetzung des Geschlechtstriebes.
Franz von Sales (1567–1622) erwähnt die Anwendung von Agnus Castus (Mönchspfeffer) in seinem Büchlein Philothea im 13. Kapitel (Ratschläge zur Bewahrung der Keuschheit):
,,Wer sich auf das Kraut Agnus castus bettet, wird selbst keusch und schamhaft. So wird auch dein Herz von jeder Makel und böser Lust gereinigt, wenn es im Heiland ruht, dem wahrhaft reinen und makellosen Lamm."
Die Frage nach dem eigentlichen Wirkstoff ist jedoch nicht endgültig geklärt, da nur Gesamtextrakte diesen Effekt zeigen.
Die Früchte sollen im Mittelalter sogar dem Bettstroh in Klöstern beigegeben worden sein, um den Mönchen und Nonnen die Einhaltung des Keuschheitsgelübdes zu erleichtern.
Daher der Name Mönchspfeffer oder Keuschlamm von lateinisch agnus bzw. altgriechisch ἁγνός ,Lamm', und lateinisch castus ,keusch'.

Die Droge des Mönchspfeffers:
Keuschlammfrüchte, Agni casti fructus besteht aus den getrockneten Früchten. Sie sind länglichrund bis fast rund, schwarzbraun bis olivbraun. Der Durchmesser beträgt 3 bis 5 mm. Die Frucht wird becherförmig von dem feinfilzig behaarten Kelch zu zwei Dritteln bis drei Viertel umschlossen. In den vier Fruchtfächern befinden sich jeweils ein länglicher Samen. Die Droge riecht leicht aromatisch, an Salbei erinnernd und schmeckt scharf und pfefferig.
In einigen südlichen Regionen dienen die Früchte auch als Pfeffersalz, während die scharfen Blätter anstelle von Hopfen dem Bier zugesetzt werden.
Vitex agnus-castus enthält folgende Wirkstoffe:
Casticin u. a. lipophile Flavonoide, Iridoidglykoside Angnusid und Aucubin, ätherisches Öl mit Bornylacetat, 1,8-Cineol, Limonen und weitere Mono- und Sesquiterpenen, Diterpene wie Rotundifuran und Vitexilacton, und der Bitterstoff Castin.

Teil 1
Junger Spross, Querschnitt 25 Mikrometer

Fünf ungefärbte Schnitte.

Bild 04 Übersicht, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 05 Detailaufnahme, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 06 Negativ, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 07 Detailaufnahme, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 08 Detailaufnahme, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Wacker 3 A - Färbung (Acridinrot – Acriflavin - Astrablau)
1. Schnitte liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridiorot 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest.
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) 15 Sekunden
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest.
7. Nachfärbung Astrablau 90 Sekunden
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %
10. Einschluss in Euparal
Fotos: Nikon D5000

Bild 09 drei Querschnitte: 60 µm, 40 µm und 30 µm

Bei einer Schnittdicke von 60 Mikrometer liegen mehrere Zellschichten übereinander, das Markparenchym ist komplett erhalten. Die Färbung ist kräftig.
Bei 40 Mikrometer ist das Markparenchym im Zentrum zerstört. Die Färbung ist heller ausgefallen.
Bei 30 Mikrometer ist das Markparenchym zerrissen und die Färbung ist blass.

Bild 10 Übersicht, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 11 Detailaufnahme, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 12 Detailaufnahme mit Beschriftung, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus

MP = Markparenchym, T = Trachee, PXY = Protoxylem, XY = xylem, K = Kambium, PH = Phloem, SK = Sklerenchymring, KP = Kantenparenchym

Bild 13 Detailaufnahme, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 14 Detailaufnahme, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 15 Detailaufnahme, Trichom,Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 16 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 17 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 18 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Teil 2
Blattstiel, Querschnitt, 30 Mikrometer

Bild 19 Übersicht, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 20 Detailaufnahme, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 21 Detailaufnahme, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus


Bild 22 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Mönchspfeffer Vitex agnus-castus

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Quellen und weiterführende Informationen:
Wikipedia
Bettina Rahfeld, ,,Mikroskopischer Farbatlas pflanzlicher Drogen", ISBN: 978-3-8274-1957-4
,,Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen", ISBN: 978-3-89996-508-7
Lexikon der Heilpflanzen", ISBN: 3-933203-96-1
Schönfelder, ,,Das neue Handbuch der Heilpflanzen", ISBN: 978-3-440-12932-6
,,Heilpflanzen und ihre Kräfte", 1985

Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen. Texte werden anschließend individuell von mir selbst verfasst.
Sollte ich ein Copyright © verletzt haben, so geschieht dies nicht mit Absicht. Bitte schicke mir ein E-Mail, wenn es der Fall sein soll.
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Gruß
Hans-Jürgen


Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für die informative Darstellung des Mönchpfeffers mit den vielen guten aufnahmen! Interessant, dass der Wirkmechanismus noch immer nicht aufgeklärt zu sen scheint.

Gerne habe ich Deinen Beitrag gelistet.

Herzliche GRüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

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Florian D.

Zitat von: Fahrenheit in November 05, 2020, 06:29:21 VORMITTAG
Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für die informative Darstellung des Mönchpfeffers mit den vielen guten aufnahmen! Interessant, dass der Wirkmechanismus noch immer nicht aufgeklärt zu sen scheint.

Gerne habe ich Deinen Beitrag gelistet.

Herzliche GRüße
Jörg

Erst mal vielen Dank an Hans-Jürgen für die tolle Reportage!
Jörg, wenn man in scholar.google.com sucht, findet man eine Reihe von Artikeln, die sich mit der medizinischen Wirksamkeit von Vitex agnus-castus beschäftigen.
Einige Diterpene binden an Dopaminrezeptoren, was wiederum die Prolactinproduktion hemmt. Dies erklärt die Wirksamkeit bei Frauenleiden.
Andererseits ergeben sich daraus Einsatzmöglichkeiten u. a. bei Depressionen, Restless Legs und Parkinson.
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0944711304702330

Viele Grüsse
Florian

Nikonudo

Hallo zusammen,


der Mönchspfeffer ist auch ein phantastisches Gewürz
mit einer milden, aber dennoch vollmundigen Würze.


LG Udo
Meine Fotos werden nie perfekt sein. Aber wenn ich ein Foto zeige, dann gefällt es MIR.
Ich arbeite mit Olympus BH 2 Mikroskope in Auflicht, Durchlicht, Polarisation und Fluoreszenz.
Fotografiert wird mit Nikon D850 und Z6II in Kombi mit Stackshot, Helicon Focus 7, Zerene Stacker, Smartshooter 4

Fahrenheit

Lieber Florian,

vielen Dank für den interessanten Link!

Lieber Udo,

danke für den Hinweis, werde ich mal ausprobieren.

Herzliche Grüße
Jörg
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jcs

Hallo Hans-Jürgen,

wieder einmal ein sehr guter Beitrag mit schönen Aufnahmen und einer gelungenen Mischung aus pharmazeutischen, botanischen und Mikroskopie-technischen Informationen!

Jürgen

Hans-Jürgen Koch

Hallo Florian, hallo Udo, hallo Jürgen,

danke für euer Interesse.

@ Florian,
vielen Dank für den interessanten Link.

Gruß und bleibt gesund
Hans-Jürgen
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