die Ästhetik der Dunlkelfeldmikroskopie- der Syphilis Erreger

Begonnen von ammererlutz, November 27, 2020, 17:27:14 NACHMITTAGS

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ammererlutz

Treponema pallidum

noch bevor der geniale Prof. Enderlein seine bahnbrechenden Erkenntnisse in der Dunkelfeldmikroskopie gewann   ;) ( Ironie off) , die nach 100 Jahren einen unschätzbaren finanziellen Segen für die geschäftstüchtigen deutschen Heilpraktiker und Heilpraktikerinnen bringen sollten, verwendete man Dunkelfeldmikroskopie für eine tatsächlich wichtige Diagnostik:

Im "Primäraffekt der Syphilis ( Lues Stadium 1) finden sich im "Ulcus durum" an der Eintrittsstelle ( genital, anal, oral) massenhaft Spirochäten, Treponema pallidum ist schlecht färbbar und primär im Dunkelfeld und Phasenkontrast erkennbar, das DF war daher ein essentieller Baustein in der Lues Diagnostik der Ärzte.
Das Bakterium ist extrem infektiös und kann auch durch Gegenstände übertragen werden.

Lues war bis ins 20.Jahrhundert unheilbar, verlief tückisch mit symptomlosen Intervallen, kam auch plötzlich zum Stillstand.
Umstritten ist das Vorkommen der Krankheit in Europa vor den Columbus-Mitbringseln aus Amerika. Jedenfalls brachten die Matrosen der portugiesischen Schiffe 1493 ein hochvirulentes Bakterium mit, das sich über Prostituierte auf französische Söldner und damit ganz Europa pandemisch über 5 Jahrhunderte ausbreitete.

Die Krankheit ist auch im Stadium 2 ( zarter Hautausschlag, aber auch Bildung von Papeln und Pusteln , Haarausfall  2-24 Monate nach Infektion) noch hoch ansteckend, 50 % der Ärzte und Bader infizierten sich bei der Behandlung der Erkrankten mit diversen Salben und Schröpftherapien, Schwangere übertragen die Krankheit auf das ungeborene Kind mit schweren Schäden (lues connata).

In den Ruhephasen sind die Infizierten nicht ansteckend (Robert Schumanns Frau Clara erkrankte nie, er selbst infizierte sich in seiner Studentenzeit vor der Ehe mit Clara Wieck). Nach 1 bis 10 Jahren kann es  zur Lues 3 kommen mit Befall Innerer Organe, schwerste Verstümmelungen durch Gummenbildung in Haut und Knochen und vor allem des Gehirns ( progressive paralyse) und Rückenmarks ( tabes dorsalis) , Heinrich Heine beschrieb die Störung seines Ganges und die auftretenden Schmerzen durch Tabes dorsalis sehr genau, der Verfall des Gehirnes bei der progressiven Paralyse wird im Anfangsstadium noch bewußt wahrgenommen, Depressionen und Suizidversuche kommen vor ( z.B. Robert Schumann) , bis das Langzeitgedächtnis erlischt, Wahnvorstellungen einsetzen und alle höheren Funktionen des Gehirns erlöschen ( Friedrich Nietzsche, Theo Van Gogh, Robert Schumann, Hugo Wolf u.v.a.)

In den letzten Jahren kam es wieder häufiger zu Fällen in Europa, ich hatte den letzten Fall vor ca 4 Jahren.

Hier wieder Präparate aus meiner Studentenzeit:

Bild 1 Treponema pallidum 1000x
Bild 2 Befall der Leber, ein stack mit HE gefärbtem Präparat (fragmentierte Leberzellbalken, verbreitertes Interstitium mit Entzündungszellen und Fibrozyten, plus nach Levaditi versilberte Treponemen  400x
Bild 3 Tabes dorsalis mit Degeneration der Hinterstränge ( rote Pfeile) , Markscheidenfärbung nach Weigert, 25x
Bild 4 Markscheidenvergleich: links intakte Markscheiden der Vorder/ Seitenstränge, rechts fettig degenerierte Hinterstränge 200x
Bild 5 klinisches Bild Lues 2, Lues 3 (Wachspräparate) und Lues connata ( Treponema pallidum im Hintergrund versilbert nach Levaditi)
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

limno

Hallo Lutz,
danke dafür, dass Du unseren Mitforisten die wissenschaftlichen Lorbeeren der Dunkelfeldmikroskopie vor Augen  führst und ins Gedächtnis rufst. Aufgrund des uneinsichtigen Herrn Enderlein und seiner Propagandisten betrachten viele Mikroskopiker die Dunkelfeldmikroskopie  bestenfalls als als ästhetisches Gimmick ohne Erkenntnisgewinn. Auch wenn diese Methode heute durch andere Beleuchtungsverfahren in der modernen Forschung abgelöst worden sein mag, so ist sie dennoch gerade bei ernsthaften Hobbyforscher schon aufgrund des geringen Aufwands beliebt. Heinrich Heine übigens starb laut Wikipedia nicht an der Syphillis, auch wenn er dies glaubte.
Mit besten  Grüßen
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

ammererlutz

#2
Zitat von: limno in November 27, 2020, 19:00:08 NACHMITTAGS
. Heinrich Heine übigens starb laut Wikipedia nicht an der Syphillis, auch wenn er dies glaubte.
Mit besten  Grüßen
Heinrich

Wikipedia hat nicht immer recht :-),  als Nachschlagewerk ist sie auch nicht immer in jeder Hinsicht wissenschaftlich 8) 

Ja, über ihn wurden -wie über Schumann- recht abenteuerliche Krankheitstheorien entwickelt, keine außer Syphilis war aber witrklichb schlüssig.
Die Symptome, die Heine beschrieb, klingen wie eine Lehrbuchbeschreibunhg der Tabes dorsalis, er erkrankte jedoch nie an Progressiver Paralyse, das ist klar.
Man starb damals auch oft nicht an Syphilis ( es sei denn lebenswichtige Organe wie Leber oder die Aorta werden direkt befallen), sondern an den Komplikationen wie Pnemonien oder Sepsis.
Für medizinisch Interessierte haben sowohl der Pathologe Hans Bankl als auch der Neurologe Roland Schiffter eine gute Zusammenfassung zu Heines Leiden verfasst.

Schubert hatte ja auch Syphilis ( bis Stadium 2) , starb aber dann an Typhus.

mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

ImperatorRex

Hallo lieber Lutz,
wieder einmal ein toller Beitrag mit einem ausgeprägten Gruseleffekt ;-) (...Bild 5)
Ich hoffentlich Dir gehen niemals Deine interessanten Präparate aus.
viele Grüße
Jochen




Muschelbluemchen


Alfons Renz

Syphilis & Genie - Auf literarisch höchster Ebene verarbeitet von Thomas Mann in Dr. Faustus: Lesenswert!

Alfons