Frage zur Herstellung von Eiweißglycerin

Begonnen von hajowemo, Januar 05, 2021, 21:18:37 NACHMITTAGS

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spectator

Hallo,

in einem älteren Mikroskopie- Handbuch hatte ich als Mittel zum Aufkleben der Schnitte klares frisches Hühnereiweiß gelesen.  Die damit präparierten Objektträger ließ man an der Luft "fast gänzlich" trocknen, bevor man die Schnitte auflegte. Der Zusatz von Glyzerin soll vermutlich nur das völlige Eintrocknen verhindern, die Konzentration des Wassers im Glycein ist also völlig unmaßgeblich. Wichtig ist auf jeden Fall, daß man die Beschichtung auf dem Objektträger trocknen läßt, bevor die Schnitte aufgebracht werden.
Zur festen Haftung der Schnitt sind wohl vor allem zwei Dinge maßgebend:
-die verwendeten Objektträger müssen wirklich fettfrei sein, auf Fettresten hält keine Klebung.
  Werden die Paraffin-Schnitte aus dem Wasserbad auf den (beschichteten) Objektträger aufgezogen, so muß die Glyzerineiweiß-Schicht vorher (am besten über Nacht) im Wärmeschrank bei ca.40°C getrocknet werden. Dann können die aus dem Paraffin kommenden dünnflüssigen fettähnlichen Stoffe, die auf dem Wasserbad schwimmen, nicht mehr auf den so vorbereiteten Objektträger aufziehen.
- nach dem Aufziehen muß das Eiweiß zur Koagulation gebracht werden, damit erst wird es unlöslich in den nachfolgenden Schritten.
Unsere Altvorderen machten dies mit Wärme, z.B. auf dem --> Wärmebänkchen. Kriterium war: das Paraffin darf dabei nicht schmelzen, es darf höchstens durchsichtig werden, den Objektträger mußte man noch mit dem Handballen berühren können. (z.B. bei Stehli, Das Mikrotom und die Mikrotomtechnik). (Eine andere Methode wäre das Räuchern mit Formalindampf, wenn mann denn einen Abzug hat.)
Da diese Methode sich seit weit über hundert Jahren bewährt hat, können es eigentlich nur Fehler bei der Ausführung sein, wenn die Schnitte bei er Weiterverarbeitung abschwimmen.
Sicher eine der Hauptursachen sind Fettreste auf dem Objektträger, auch wenn diese vor der Verwendung peinlich geputzt wurden. Das heutige "Paraffin" für histologische Zwecke ist eben kein reines Paraffin, sondern eine Mischung verschiedenster Stoffe. Werden die Schnitte zum Strecken in/auf das warme Wasserbad gebracht, so gehen die leichter schmelzenden Stoffe aus dem Schnitt (mit der anhaftenden Paraffinhülle) in das Wasser und bilden ein dünnes Oberflächenhäutchen. Wenn man nun den blanken Objektträger ins Wasserbad taucht, hat man sofort die "monomolekulere Trennschicht" auf der Glasoberfläche - alles Putzen war für die Katz! Ist der Objektträger jedoch mit dem getrockneten Eiweiß(glycerin) beschichtet, kommt das Fett nicht mehr an das Glas heran.
Das zweite ist die Koagulation der Eiweißkörper (egal, ob nun aus Hühnereiweiß oder Gelatine). Heutzutage läßt sich bei Verwendung eines Wärmeschrankes leicht experimentell (ohne Präparat) ermitteln, bei welcher Temperatur diese Koagulation erfolgt: die Schicht wird weißlich. Mit dieser Temperatureinstellung behandelte Schnitte dürften sicher fest genug kleben.
Sicherlich wird auch die Formalindampf- Behandlung funktionieren, ich selbst würde davon jedoch Abstand nehmen, Formalin oder Paraformaldehyd  in einer "Räucherkammer" zu erwärmen: erstens ist es nicht gerade gesundheitsfördernd, zweitens stinkt es erbärmlich! Also sicher nichts für die Wohnung, nur etwas für Mikroskopiker mit einem gut funktionierendem Abzug.
Und wem das alles zu umständlich ist, der sollte den Hinweis von J.Boschert beachten: es gibt auch fertig beschichtete Objektträger zu kaufen, auf denen die Schnitte gut haften. Eine Erwärmung kann jedoch auch hier nötig sein, Herstellerangaben beachten.

Mit freundlichen Grüßen

Helmut


Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, von dem goldnen Überfluß der Welt!

güntherdorn

#16
hallo piu58 / uwe:

meine vielen paraffinschnitte sind in 25 jahren niemals weggeschwommen.
sogar kleinste details bleiben an gleicher stelle wie z.b. einzeln durchgeschnittene, freiliegende pollen.
schnitte von 10-30µ kein problem. ich verwende billig-OT´s zb. von der bucht 1000 stück für n paar euro.
sie werden in der geschirrspühlmaschine gereinigt. sogar matte werden (meist) sauber und wieder klar.
siehe hierzu meinen früheren beitrag "https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=24836.msg185408#msg185408".
ich habe keine erklärung, warum einigen hier alles wegschwimmt.

ciao,
güntherdorn
- gerne per du -
günther dorn
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=444.0
www.mikroskopie-gruppe-bodensee.de
gildus-d@gmx.de

piu58

> sind das dann "ganz normale" Objektträger oder beschichtete (z.B. mit "Superfrost" bezeichnete)?

Ich kann mir nicht vorstellen, das die Pathologen irgendwie teures Material benutzen. Die Technik besteht ja ziemlich unverändert schon Jahrzehnte.

Ich frage aber nach. Als ich seinerzeit frug, ob das nicht abschwimmt, wurde auch nichts von besonderen OT gesagt.
Bleibt dran, am Okular.
--
Uwe

Gert Flemming

Lieber Helmut,

wenn man Schnitte auf Objektträger mit Glyceringelatine aufkleben will und die Klebung anschließend härten muß,
setzt man selbstverständlich nicht seine ganze Bude unter Formoldämpfe! Auch ein Abzug wäre viel zu verschwenderisch.
Die Härtung geschieht in einer "Formolkammer":
Man nimmt ein ausreichend großes luftdicht verschließbares Gefäß, legt auf den flachen Boden z. B. zwei Holzleistchen, darauf die Objektträger, gießt ein kleines Qantum Formalin auf den Boden und verschließt das Gefäß. Nach einigen Stunden entnimmt man die OT. Die Klebung ist gehärtet.
Das Ganze erfolgt am besten im Freien (z. B. Balkon).

Diese Methode ist uralt und in jeder besseren Mikroskopieliteratur nachlesbar.
Dort sind auch noch zahlreiche weitere Klebemethoden beschrieben:
Chromatgelatine, Albuminglycerin, Gummi arabicum, .....

Jedes Verfahren hat seine besonderen Vorgehensweisen und seine Vor- und Nachteile. Es lohnt sich aber auf alle Fälle, die (teilweise über 100 Jahre alte) Literatur zu studieren.

MfG
Gert Flemming



piu58

Ich habe mir in der Pathologie erkundigt. Da wir dort ca. 350 Tausend Objektträger im Jahr produzieren, wird möglichst billiges Material benutzt. ZZt. haben wir OT mit gebrochenen Kanten, aber nur weil die billiger sind als solche mit scharfen. Lediglich eine Beschriftungsfläche muss sein.

Wie ich schon schrieb, werden die Schnitte mit dem OT aus dem Warmwasserbad gefischt. Sie halten dann ohne weitere Maßnahmen. Zur Sicherheit (obwohl das nicht nötig ist), kommt das bei uns noch eine Weile in den Brutschrank.

Wir haben auch Superfrosted-Plus OT. die werden benutzt, wenn die MTA sieht, dass der Schnitt wahrscheinlich nicht hält: Sich wellt, fettig ist oder so. Ist aber die Ausnahme.
Bleibt dran, am Okular.
--
Uwe