Rädertierchendame im Rotlicht

Begonnen von Marcus_S, März 11, 2021, 00:55:27 VORMITTAG

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Marcus_S

Moin Franz!

Ich mag Dein Video. Das ist an Deinem "Fensteraquarium" ohne Mikroskop aufgenommen? Ich finde, vom Verhalten der Tierchen erkennt man eine ganze Menge.

Ich fürchte aber, Deine Beleuchtungsexperimente stimmen nicht ganz mit den Verhältnissen am Mikroskop überein. Mit Deiner Lampe erreichst Du sicher nicht die Lichtintensitäten, die in der Kondensorbrennebene geboten werden. Da bräuchte es ohne Mikroskop bestimmt sowas wie einen Diaprojektor, mindestens.

Viele Grüße von

Marcus

Marcus_S

Moin Michael!

Ich danke Dir für Deine Engelsgeduld, mich zu dem richtig bestimmten Tierchen hinzuführen.

Es ist ja nicht so, daß ich nicht noch mehr Bilder hätte... also hab ich nochmal die von Dir angegebene Tierchen beguckt und erneut die Bilder und Merkmale auf Deiner Seite mit meinen Bildern verglichen...

Philodina acuticornis odiosa:
- Könnte auch gut passen, Farbe, Gestalt.
- Wülste, ja klar, sind da. Hätte mir auffallen müssen. Ich erlaube mir ein kleines "aber": bei meinem Tierchen stehen die Wülste recht weit vor, das müßte ich bei dem nächsten Tierchen genauer mit mehr Tiefenschärfe dokumentieren.
- Nun habe ich extra noch einen langen und kurzen Zeh aus meinem Bildervorrat gefunden (Tafel 6) und nun muß ich lesen, daß die Viecher die Zehen auch noch einziehen können. Die machen es einem echt nicht leicht. Aber weiter...
- Setae (Tasthaare?) an den Trochi, hmmm... Moment, das haben wir gleich, bitteschön, Bild 6. Zwei Haare (hätte ich natürlich übersehen, wenn ich nicht danach gesucht hätte... Und die beiden Setae sind auch mindestens auf einer ganz anderen Ansicht drauf, sind also ziemlich sicher echt.)
- Dann muß ich nur bei der Zahnformel großzügiger sein dürfen oder meine "Bestimmung" oben ist einfach falsch. Könnte ich auch gut mit leben. 2+1/1+2 lasse ich mich auch zu überreden oder überzeugen. Zumal als extrem schwaches Indiz eventuell gelten könnte, daß ein Tierchen mit der Zahnformel 2+1/1+2 schon einmal in dem Himbeermarmeldenglas gelebt hat (Bild 7, Bodenmulm der "Kultur", fluorochromiert mit ethanolischem Vollwaschmittelextrakt, Anregung 365 nm)

Philodina acuticornis-complex:
- hier kommt das ganz annnehmbar mit der Längsmusterung der ventralen Zehen hin (Tafel 6), Warum mein Tierchen aber nur einen Zeh zeigt, keine Ahnung. Aber der, den sie zeigt, der hat ein Längsmuster und einen "Absatz" nahe der Zehenspitze.

Philodina roseola:
- da kann ich zwar nicht erkennen, daß der Fuß (die Zehen) gut paßt.
- rosa/rötlicher Rumpf, mag sein, aus der Erinerung: ja. Aber so stark gefärbt war die nicht, ziemlich sicher.
- die Wülste sind auch da, das könnte also sein.
- nun hab ich ja oben Tasthaare entdeckt - hat P. roseola keine? Wäre das ein sicheres Unterscheidungsmerkmal?
- insgesamt (nur als Gesamteindruck) erscheint mir der ganze Räderapparat in vielen Bildern eher zu schmal für "mein Tierchen".

So mache ich für mich die Bestimmung gerne und von Dir überzeugt mit Philodina acuticornis (und nun schreibt man complex dran?) fix.

War für mich 'ne harte Nuß, ich muß wieder lernen, genauer hinzugucken. Und ohne die Kenntnis der Vokabeln, der wichtigen Merkmale und ohne Literatur wird's schwierig. Aber ich ärgere mich schon, daß ich das Tierchen verkehrt bestimmt habe. Hätte eigentlich nicht passieren dürfen.

Ursprünglich war ich ja nur so entzückt, daß die Dame sich im Rotlicht so wohlfühlte und sich gerne knipsen ließ. Und irgendeinen inhaltlich passenden und ja auch nicht falschen Titel brauchte ich und Du hast ja neulich bei der Benennung mit "Helga" und "Olga" ausdrücklich auf die Weibchen hingewiesen, das mußte ich natürlich auswalzen.

Deine Ausführungen zum Verhalten und zum selektiven Vorteil und der Ursache-Wirkungsbeziehung... das muß ich mal in Ruhe durchdenken, das dürfte trotzdem zu nichts führen, ich bin kein Biologe. Gar nicht.
Ich vermute einfach mal drauflos, daß die nicht unerhebliche Lichtintensität in der Brennebene eines ordentlichen Kondensors es dem Tierchen einfach zu ungemütlich macht. Also ungemütlich nicht in der menschlichen Sichtweise, sondern daß da irgendwelche Prozesse ausgelöst werden (ob in den Augenflecken oder sonstwo), die das Tierchen die Flucht aus dem Lichtkegel antreten läßt. Ordentlich geköhlert müßte erheblich heller sein als Sonnenschein, darauf kann das Tierchen ja nicht wirklich vorbereitet sein.

Deswegen könnte man die einfacheren Versuche zum Lichtfluchtverhalten ja trotzdem mal machen, so wahnsinnig aufwendig sind die ja nicht, wenn man das halb- oder viertelquantitativ betreibt. Zumal sich in dem Marmeladenglas eine wohl ziemlich stabile Population eingestellt hat, an Tierchen für Versuche ist wohl kein Mangel.

Aber da das (oder die?) Tierchen aus dieser "Kultur" ja aus dem intensiven Rotlicht nicht flüchten, ziemlich zuverlässig rädern und dann auch ziemlich ortsfest "festgeklebt" sind, da spricht ja nichts dagegen, ein fetteres Objektiv auszuprobieren. Brauch' ich aber Ruhe zu, kommt aber bestimmt. Dann sehe ich der Kollegin der hier beschriebenen Dame mal genauer in die Augen. In Rotlicht, vielleicht auch in NIR, einfach mal probieren. Den Weltuntergang wird das schon nicht auslösen.
Weißt Du, ob die Tierchen sich vitalfluorochromieren lassen? Rhodamine sind ja in Fl. derart intensiv, daß man auch nur eine geringe Anregungsintensität bräuchte und die Tierchen vielleicht nicht flüchten.


Vielen Dank für Deine ganze Mühe und viele Grüße von

Marcus



Michael Plewka

Hallo Markus,

als Nicht-Biologe hast Du Dich wirklich sehr hart in die Materie eingearbeitet. Respekt!!!
Bin gespannt, was alles noch kommt!

Beste Grüße
Michael Plewka