Botanik: Grau-Erle - Alnus incana *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, März 25, 2021, 14:19:46 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

die Grau-Erle hat ihr Hauptverbreitungsgebiet in Nord- und Mitteleuropa, außer in der nördlichen borealen Zone und in Trockengebieten.
Die Bezeichnung boreale Zone ist abgeleitet von altgriechisch βορέας boreas, was ,,Kälte" bedeutet und zugleich auf Boreas verweist, den griechischen Gott des winterlichen Nordwinds.
Im Norden endet die boreale Zone an der polaren Waldgrenze mit der Waldtundra, bevor sie in die Polare/Subpolare Ökozone übergeht. Im Süden grenzen die gemäßigten Laub- und Mischwälder der feuchten Mittelbreiten oder die Steppen der trockenen Mittelbreiten an. Das Ökosystem der borealen Zone umfasst die größten zusammenhängenden Wälder der Erde und erstreckt sich über etwa 2 Milliarden Hektar.

Erlen sind genügsame oft mehrstämmige Bäume. Sie wachsen wild an moorigen, versumpften Standorten.
Die Grau-Erle zeichnet sich aus, dass sie eine Symbiose mit speziellen Bakterien eingegangen ist, die aufgrund der Verfügbarkeit des Enzyms Nitrogenase in der Lage ist, den in der Luft in großen Mengen Stickstoff (78 Vol.%) zu binden.
Seit Holzschuhe aus der Mode gekommen sind, interessiert sich vielerorts kaum noch jemand für ihr Holz, obwohl halb Venedig auf Erlenpfählen gebaut ist.

Die Erle liefert ein hochwertiges Blindholz für Möbel und Innenausbauten, aufgrund der guten Beizbarkeit wird Erlenholz auch zur Imitation von Edelhölzern verwendet. Aus Erlenholz werden spezielle Varianten von Holzkohle hergestellt, die als Zeichenkohle, Lötkohle und Laboratoriumskohle eingesetzt werden.
Die Erle gehört zu den Bäumen die einen farblich sichtbarer Verkernung (Farbkern) ausbilden. Die verfärbten Kernhölzer sind in der Möbelherstellung sehr geschätzt. Alnus incana bildet den Farbkern noch am stehenden Baum aus. Es gibt aber auch eine Nachfärbung, sobald Luft an aufgeschnittenes Holz kommt. Es besteht ein deutlich erkennbarer Feuchtigkeitsunterschied zwischen Splint- und Kernholz.
Literaturfähig sind die Erlen nur aufgrund eines von Goethe übernommenen Übersetzungsfehlers geworden, der Herder unterlief, als er das dänische ellerkonge (Elfenkönig) mit ,,Erlenkönig" wiedergab.

Erlen sind einhäusige getrenntgeschlechtliche Bäume. Bei einhäusigen Bäumen kommen auf einem Baum männliche und weibliche Blüten getrennt vor. Dazu zählen die Eiche, die Rot-Buche, die Weiß-Buche, die Hänge-Birke, die Fichte die Kiefer und die Grau-Erle.

Bild 01 Habitus, Grau-Erle Alnus incana

Urheber: Willow
Die Grau-Erle ist vom Grunde an ein häufig mehrstämmiger, 10 – 25 Meter hoher, max. 40 cm Brusthöhendurchmesser, reichverzweigter, sommergrüner Baum mit dichter, pyramidaler Krone und glatter, weißgrauer, auch im Alter kaum aufreißender Rinde mit stark gedehnten Korkwarzenstreifen.

Bild 02 Rinde der Grau-Erle Alnus incana

Urheber: Nikanos

Bild 03 Einzelnes Blatt, Grau-Erle Alnus incana

Dieses Werk ist gemeinfrei.
Die Spreite der Laubblätter ist elliptisch, spitz, 4 – 10 cm lang auf 2 – 3 cm langen Stielen, doppelt gesägt. 8 – 14 Paar Seitennerven, unterseits graugrün, mehr oder weniger stark und gleichmäßig behaart.
Bei den Erlen (Alnus) und Eschen (Fraxinus) wird das Chlorophyll offenbar nicht oder nur teilweise abgebaut, denn die Blätter fallen ohne jegliche Verfärbung ab. Sie werden grün separiert.

Bild 04 Männliche Kätzchen, Grau-Erle Alnus incana

Dieses Werk ist gemeinfrei.
Der männliche Blütenstand, braun hängend, zu 3 – 5, endständig, schon im vorjährigen Sommer angelegt, nackt überwinternd. Die Kätzchen öffnen sich Ende Februar bis März

Bild 05 Zweig mit Laubblättern und unreifen Fruchtständen,

Dieses Werk ist gemeinfrei.
Der unreife Zapfen ist grün, später schwarz werdend, kürz gestielt und sitzend, zu 3 bis 6 gedrängt beisammenstehend, eiförmig.

Bild 06 Illustration, Grau-Erle Alnus incana

Dieses Werk ist gemeinfrei.
1 = belaubter Zweig mit Fruchtstand, 2 = Tragblatt, 3 = Nüsschen

Systematik:
Ordnung: Buchenartige (Fagales)
Familie: Birkengewächse (Betulaceae)
Gattung: Erlen (Alnus)
Art: Grau-Erle
Wissenschaftlicher Name: Alnus incana
Trivialnamen: Europäische Weiß-Erle
Englischer Name: speckled alder
Der Name incana lat. bedeutet ins Graue gehend, wie der deutsche Name auf die weißgraue Rinde beziehend.

Meine Pflanzenproben stammen aus dem Arboretum Syke.
Das Arboretum Syke ist ein etwa zwei Hektar großes, frei zugängliches Arboretum in Syke im niedersächsischen Landkreis Diepholz.

Zweijähriger Spross, Querschnitt
30 Mikrometer

Bild 07 Spross im Probenhalter eingespannt


Sechs ungefärbte Schnitte.

Bild 08 Übersicht, Grau-Erle Alnus incana


Bild 09 Detailaufnahme, Grau-Erle Alnus incana


Bild 10 Markparenchym, Grau-Erle Alnus incana


Bild 11 Autofluoreszenz, Übersicht, Grau-Erle Alnus incana

Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 12 Autofluoreszenz, Grau-Erle Alnus incana


Bild 13 Autofluoreszenz, Grau-Erle Alnus incana


Wacker 3 A - Färbung (Acridinrot – Acriflavin - Astrablau)
1. Schnitte liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridiorot 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest.
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) 30 Sekunden
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest.
7. Nachfärbung Astrablau 60 Sekunden
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %
10. Einschluss in Euparal
Fotos: Nikon D5000

Bild 14 Übersicht mit Beschriftung, Grau-Erle Alnus incana

MP = Markparenchym, XY = Xylem, JR = Jahresringgrenze, ST = Strahl, PH = Phloem, RP = Rindenparenchym, PE = Periderm, SK = Sklerenchym

Bild 15 Detailaufnahme, Grau-Erle Alnus incana


Bild 16 Detailaufnahme, Grau-Erle Alnus incana


Bild 17 Detailaufnahme, Grau-Erle Alnus incana


Bild 18 Detailaufnahme mit Beschriftung, Grau-Erle Alnus incana

FH = Frühholz-Gefäß, SH = Spätholz-Gefäß, JG = Jahresringgrenze,
FHS = Falscher Holzstrahl

Jahresringgrenze deutlich geschwungen, mittig vertikal ein falscher Holzstrahl.
Frühholz ist weicher und heller. es wächst vom Frühjahr bist zum Spätsommer. Spätholz ist dunkler und fest.
Scheinstrahlen stellen eine Bündelung nebeneinander liegender echter Holzstrahlen dar. Dem bloßen Auge erscheine sie als ein einziger, breiter Holzstrahl. Mikroskopisch erkennt man, dass die Einzelstrahlen dort besonders dicht nebeneinander liegen, mit dazwischenliegenden Grundgewebefasern, jedoch ohne zwischenliegende Gefäße.
Falsche Holzstrahlen kommen bei Hasel, Rot- und Grau-Erle vor; bei der Grün-Erle fehlen sie.

Bild 19 Übersicht, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Grau-Erle Alnus incana

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 20 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Grau-Erle Alnus incana

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Hans-Jürgen Koch

Bild 21 Markparenchym, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Grau-Erle Alnus incana


Bild 22 Markparenchym, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Grau-Erle Alnus incana


Teil 2
Zweijähriger Spross, Längsschnitt
20 Mikrometer

Fünf ungefärbte Schnitte

Bild 23 Übersicht, Grau-Erle Alnus incana


Bild 24 Detailaufnahme, Grau-Erle Alnus incana



Bild 25 Holzstrahl, Grau-Erle Alnus incana


Bild 26 Autofluoreszenz, Grau-Erle Alnus incana


Bild 27 Markparenchym, Autofluoreszenz, Grau-Erle Alnus incana


Bild 28 Übersicht, Grau-Erle Alnus incana


Bild 29 Detailaufnahme, Grau-Erle Alnus incana


Bild 30 Detailaufnahme, Grau-Erle Alnus incana


Bild 31 Detailaufnahme, Grau-Erle Alnus incana


Bild 32 Detailaufnahme, Grau-Erle Alnus incana


Bild 33 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Grau-Erle Alnus incana

Auflicht Beleuchtung Fluoreszenz iLED 455 nm
LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 34 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Grau-Erle Alnus incana


Quellen und weiterführende Informationen:

Wikipedia
Georg Aas ,,Laubbäume", ISBN: 3774241848
Georg Aas ,,Bäume", ISBN: 3-7742-1016-0
Bachofer ,,Der Kosmos Baumführer", ISBN: 978-440-14660-6
Heinz Butin ,,Farbatlas Gehölzkrankheiten", ISBN: 3-8001-3874-3
Dieter Böhlmann, ,,Gehölzbiologie", ISBN: 978-3-494-01547-7
Dieter Grosser ,,Die Hölzer Mitteleuropas", ISBN: 3-935638-22-1
Humphries ,,Der Kosmos Baumführer", ISBN: 3-440-06140-X
U. Hecker ,,Bäume und Sträucher", ISBN: 3-8354-0021-7
U. Hecker ,,Einheimische Laubgehölze", ISBN: 978-3-494-01442-5
Hugh Johanson ,,Das große Buch der Bäume", ISBN:3444-101538
Bernd Miggel ,,Holzbestimmung mit dem Mikroskop", ISBN: 978-930167-81-4
Peter A. Schmidt ,,Taschenlexikon der Gehölze", ISBN: 978-3-494-01448-7
P. Schütt ,,Lexikon der Bäume und Straucharten", ISBN: 978-3-86820-123-9
Spohn ,,Kosmos Baumführer Europa", ISBN: 978-3-4440-44741-5
M. Schretzenmayr ,,Taschenbuch der heimischen Bäume und Sträucher", 1954
Fitschen ,,Gehölzflora", ISBN: 3-949-01221-0
,,Welcher Baum ist das?", ISBN: 978-3-440-16449-5
,,Das Kosmosbuch der Bäume", ISBN: 3-440-04898-5

Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen. Texte werden anschließend individuell von mir selbst verfasst.
Sollte ich ein Copyright © verletzt haben, so geschieht dies nicht mit Absicht. Bitte schicke mir ein E-Mail, wenn es der Fall sein soll.
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

wieder eine tolle Dokumentation,. die ich gerne gelistet habe!

Was ich spannend finde:
- das frische Markparenchym zeigt beim frischen Schnitt eine rote Fluoreszenz. Auch in den Markstrahlen ist diese zu sehen. Hier ist offensichtlich Chlorophyll eingelagert.
- die Details in den Längsschnitten mit Tüpfeln und Leitertracheiden.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

wejo

Hallo Hans-Jürgen,
das ist wieder ein toller Beitrag (wie von Dir nicht anders gewohnt) mit interessanten Bildern. Besonders interessant finde ich die Längsschnitte, die man doch nicht so oft sieht. Hier lerne ich auch immer wieder etwas Neues dazu, so wie auch bei Jörgs Beiträgen.
Herzlichen Dank fürs Zeigen und viele Grüße
Werner

Wutsdorff Peter

Guten Abend  Hans-Jürgen,
ich bin  wieder einmal sprachlos, was Deine Künste betreffen.
Besonders gefallen mir immer der einleitende Text, der das Umfeld des Baumes/Pflanze betrifft.
Also Gratulation zu diesem Beitrag.
Da ich selber noch übe, kann ich einigermaßen Deinen Aufwand würdigen.
Gruß in den Norden
                                              Peter

Hans-Jürgen Koch

Hallo Jörg, Werner und Peter,

danke für eure lobenden Worte.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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