REM: Wie Papier-Schnitte ohne Strukturdeformation anfertigen?

Begonnen von bernd552, Oktober 30, 2021, 14:49:18 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

bernd552

Hallo in die Runde,

es geht darum im REM Bild festzustellen, wie stark historische Papiere durch Gammabestrahlung (diese wird zur deren Sterilisation eingesetzt und läßt es dabei um ca. 100 Jahre altern) sich in ihrer Struktur verändern.

Bei der Schnitttechnik soll die 3D Struktur der Fasern erhalten bleiben.

Das Papier darf durch das Fixiermedium nicht aufquellen und beim Schneiden die Papierfasern nicht verschoben oder deformiert werden.

Haben die Mikrotomspezialisten hier Ideen?


LG
Bernd

anne

Hallo Bernd,
warum willst Du fixieren? Du willst doch den Querschnitt betrachten oder?
Ich musste früher freie Lackfilme schneiden, diese waren zumeist aus mehreren Schichten aufgebaut.
Ich habe diese zwischen Teflon geklemmt am Mikrotom geschnitten.
lg
Anne

HDD

Hallo Bernd
Das sehe ich genauso wie Anne. Du kannst sie auch einfach zwischen Styropor einklemmen und mit dem Schlittenmikrotom im Schnellschnitt schneiden. Du wirst viel Ausschuss haben aber ein paar Schnitte sind mit Sicherheit gut.
Das schärfste Messer nehmen oder eine kurz eingespannte Rasierklinge müsste auch gehen. Ich weiß allerdings nicht ob Du im Besitz eines Schlittenmikrotoms bist.

Viele Grüße  Horst-Dieter

bernd552

Hallo Anne, hallo Peter,

die Papierfasern sind flexibel und liegen teilweise in Lagen mit "verfilzten" Hohlräumen übereinander.
Ich meine, wenn die Hohlräume nicht mit einem Fixiermittel stabilisiert bzw. gefüllt werden dann verändert sich die Position / Anordnung der Fasern beim mechanischen Schneiden? Ich habe aber keine Mikrotomerfahrung.

Wasser, Paraffin und evtl. auch Monomere lassen Wachs usw. lassen Papier quellen, diese Methoden scheiden aus.

Im Netzt fand ich etwas mit berührungslosen schneiden mit einem Laserstahl, diese Kurzpulsdinger kosten aber mehr ein PKW der obersten Klasse.


LG
Bernd 

jcs

Hallo Bernd,

zur Aufklärung der 3D-Struktur von Papierfasern ist REM nur bedingt die ideale Methode. Ich würde da eher an Mikro-CT denken, das hier sicher umfangreichere Aussagen zur 3D-Struktur erlaubt. REM ist in dem Fall ganz gut, um Änderungen in der Oberflächenstruktur der Papierfasern zu charakterisieren, das wird ESEM der unkomplizierteste Zugang sein.

Gammastrahlen schädigen das Papier vermutlich hauptsächlich chemisch, durch Aufbrechen der Bindungen in den Polymerketten, bzw. durch chemische Quervernetzungen der Zelluloseketten, oder auch Erzeugung chemisch aktiver Radikale. All das wird man im REM nicht sehen, da sind andere Verfahren gefragt.

LG

Jürgen


smashIt

wie wärs wasserstrahlschneiden?

das gibts billig als dienstleistung.
MfG,
Chris

Bildung ist das was uns vom Tier unterscheidet.

Funtech.org

anne

#7
Hallo Bernd,
schwierige Proben haben wir gekühlt geschnitten.
Oft war nur ein kleiner Abschnitt ok und es waren viele Schnitte notwendig, aber der eine kleine Abschnitt reicht ja😀
lg
Anne

bernd552

Hallo,

... ich möchte versuchen, mich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln REM / Mikroskop + optional Mikrotom? an diese Fragestellung heran zu tasten.

@ Jürgen H.
Eine FIB ist ein Traum (bzw. vom Wartungsaufwand Albtraum) eines jeden, der mit einem REM arbeitet. Leider liegt dieses noch über der Preisklasse eines Femtosekunden-Lasers. Beide Technologien sind sicher sehr gut geeinget für diese Fragestellung.

@ Jürgen jcs
Mein Plan war die Papierseiten vor / nach der Gammabestrahlung mehrmals definiert an einer Stelle hin und her zu knicken und die Versprödung / Bruch der Fasern zu vergleichen. Die Micro CT ist eine zerstörungsfreie nonplusultra Variante in einer (leider) sehr gehobenen Preisklasse.

@Anne & SmashIt
Papier gekühlt oder mit Wasserstrahl zu schneiden führt sehr warscheinlich zu Deformation der Fasern an der Schnittstelle?.

Hat evtl. jemand Papier in Kuststoff eingegossen und mit einem Mikrotom geschnitten?

LG
Bernd

anne

Hallo Bernd,
ganz schwierige Proben hatte ich dann früher in Technovit eingegossen und geschliffen und poliert. das kommt aber für Dich nicht in Frage, da beim Schleifen aller Schleifdreck in die Zwischenräume geht.
Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass das Eingießen ganz gut klappt und das Gießharz evtl. überhaupt nicht ins Papier eindringt.
Es härtet ja ultraschnell aus. Es würde aber vermutlich auch nicht gut benetzen und es bildet sich ein Spalt zwischen Papier und Harz. Was wiederum beim Schneiden ein Problem ist.
Technovit bietet aber verschiedene Harze an, vielleicht ist da auch ein Geeignetes für Papier dabei?
Dafür wäre ich gerne wieder an meinem alten Arbeitsplatz, das juckt richtig in den Fingern.
lg
anne

(P.S. manche Dinge habe ich nach endlosen Mikrotomschnitten am Rotationsmikrotom einfach mal mit den Cuttermesser geschnitten und überraschenderweise einen super Schnitt erhalten)

Jürgen H.

Hallo Bernd,

Technovit 7100 und LRWhite könntest Du nach dem Einbetten und Schneiden nicht mehr aus dem Papier entfernen. Würde das keine Rolle spielen? Andere Kunststoffe lassen sich ähnlich wie Paraffin lösen.  LRWhite müsste stabil im REM sein, es wird dafür in der Histologie auch benutzt.

Wie würdest Du denn dieProbe nach dem Eingießen im REM untersuchen wollen? Den Kunstoffblock im Mikrotom sauber anschneiden und dann als Block ins REM stellen? Wenn das die Absicht wäre, könnte ich Dir versuchsweise ein Papierchen in LR White einbetten und anschneiden.

Schöne Grüße

Jürgen

jcs

#11
Zitat von: bernd552 in Oktober 31, 2021, 11:59:25 VORMITTAG

@ Jürgen jcs
Mein Plan war die Papierseiten vor / nach der Gammabestrahlung mehrmals definiert an einer Stelle hin und her zu knicken und die Versprödung / Bruch der Fasern zu vergleichen. Die Micro CT ist eine zerstörungsfreie nonplusultra Variante in einer (leider) sehr gehobenen Preisklasse.


Hallo Bernd,

wenn Du Alterung im Sinne Verlust mechanischer Eigenschaften anschauen willst, würde ich so vorgehen: Eine größere Zahl an Papierstreifen in zwei Chargen einmal vor und einmal nach der Bestrahlung mechanisch testen (z.B. Zugversuch) und die Festigkeit messen, danach die Bruchflächen besputtern und im REM vergleichen (klassische Fraktographie). Dann kannst Du prüfen, ob es eine Korrelation zwischen den Festigkeitswerten und diversen Merkmalen auf der Bruchoberfläche feststellbar ist.

Einbetten ist da eigentlich nicht notwendig.

Jürgen

bernd552

Hallo,

ihr bringt mich mit euren Anregungen auf ganz neue Ideen!

@Anne
wenn es von deinem alten Arbeitsplatz  immer noch in den Fingern juckt, dann war dein alter Job wohl sehr spannend ;) . Vieleicht sollte ich doch erst mal eine Rasierklinge nehmen und einfach händisch loslegen.

@Jürgen H.
im Querschnitt des Papieres sollte der Kunsstoff im REM Bild (Anschnitt des Blockes) eigentlich nicht stören. Könntest du mit deinem Mitteln das mit LR White getränkte Papierchen evakuieren? Das könnte ja auch in einer Einmalspritze geschen. Diesen Einbett-Test fände ich sehr interessant!

@Jürgen jsc
Das Stichwort Fraktografie ist sehr gute Anregung! Dazu müßte ich vorab testen - am besten im Vergleich zum in Kunststoff eingebetteten Papier -, wie sich die Papierfasern durch das völlige Abtrocknen im Sputtervakuum verziehen und ob es bei dem Sputtern selbst zu einer thermisch bedingten Deformation der Fasern kommt. 

Im folgenden Beispielbild sieht man in Draufsicht ganz gut, dass die Papierfasern (hier ein modernes 80 g/qm Druckerpapier), wohl durch den Walzprozess bei der Herstellung flach - und ohne eine Vorzugsrichtung sind und die Hohlräume sehr unteschiedlich groß und tief sind. Ich wüßte als Laie gar nicht, in welche Richtung der Schnitt beim nicht eingebettenen Papier sinnvoll wäre, diagonal?

LG
Bernd

derda

#13
🥱

Jürgen H.

Hallo Bernd,

Ich könnte das Papier in ein mit LR White gefülltes Schnappdeckelgläschen tun und dieses unter leichten Unterdruck setzen. LR White hat eine geringe Viskosität. Ob damit alle Luftblasen entfernt würden, wäre auszuprobieren.Bei den Schmetterlingsflügeln hatte ich damals - mit Technovit - keine Probleme mit Luftblasen.

Viele Grüße

Jürgen