Botanik: Sklereiden im Blatt der Spätsommer-Duftblüte - Osmanthus x fortunei *

Begonnen von Fahrenheit, November 06, 2021, 21:59:20 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

beim Blättern in Esau's Pflanzenanatomie (De Gruyter) ist mir auf Seite 189 eine Zeichnungsreihe von Querschnitten durch das Blatt von Osmanthus fragrans, der Süßen Duftblüte, aufgefallen, in der die Entwicklung der Sklereiden aufgezeigt wird. Das sah interessant aus! Also habe ich einmal nachgesehen, ob die Pflanze im Botanischen Garten Bonn (https://www.botgart.uni-bonn.de/de) kultiviert wird.
Gefunden habe ich Osmanthus x fortunei, eine Hybride aus O. fragrans und O. heterophyllus und zum Vergleich habe ich nach freundlicher Beratung durch einen der Gärtner auch noch ein Blatt von Osmanthus yunnanensis, der Yunnan-Duftblüte, mit genommen.
Ziel war es, die Entwicklung der Sklereiden an unterschiedlich alten Blättern im mikroskopischen Präparat nachzuzeichnen und das Ergebnis möchte ich Euch hier vorstellen.


Zunächst aber ein wenig zu den Pflanzen selbst


Osmanthus x fortunei

Die Spätsommer-Duftblüte ist eine gärtnerische Kreuzung aus den beiden Arten O. fragrans und O. heterophyllus und in Westeuropa winterhart.

Bild 1: Zweig mit Blütenstand von Osmanthus x fortunei


Sie wächst als kleiner bis mittelgroßer Strauch, der bei einem Stammdurchmesser von bis zu 12 cm und dichter Verzweigung eine breitbuschige Form bekommt und eine Höhe um die 3 Meter erreichen kann.
Junge Sprosse sind hellgrün, mit einsetzen des sekundären Dickenwachstums erhalten sie eine hellgraue Borke die beim alten Spross dunkelgrau-braun und stark zerfurcht ist.

Bild 2: Alter Spross mit Rinde von O. fortunei


Die immergrünen, gegenständigen Blätter sind an der Oberseite glänzend dunkelgrün und an der Unterseite matt grün. bei einer Größe von 5 bis 10 cm sind sie eiförmig mit apikaler Spitze und weisen einen Dimorphismus auf: es gibt glattrandige Blätter und welche mit stachelig gezahntem Rand (ähnlich Ilex). An der Blattoberseite tritt die Nervatur deutlich hellgrün hervor, an der Blattunterseite zeichnet sie sich dunkler ab.

Bild 3: Glattrandige und leicht gezähnte Blätter vom O. fortunei


Bild 4: Der Dimorphismus bringt die Ähnlickeit zum Ilex: gezähnte Blätter vom O. fortunei


Bild 5: Eine Blattunterseite, die bei beiden Blattformen ähnlich ist


Die kleinen, weiße Blüten von Osmanthus x fortunei sind in Scheindolden angeordnet, die in den Blattachseln entspringen. Sie tragen 4 fleischige Blütenblätter, die teils dunkelbraun besprenkelt sind. Der Durchmesser liegt bei etwa 8 bis 10 mm. Die eiförmigen blauschwarzen Steinfrüchte werden bis zu 12 mm lang, werden jedoch nur selten gebildet.

Bild 6: Blütenstand von O. fortunai



Osmanthus yunnanensis

Die Yunnan-Duftblüte stammt aus den chinesischen Provinzen Sichuan, Xizang und Yunnan, wo die Pflanzen in Strauchgesellschaften, Schluchten oder Wäldern der Mittelgebirge auf 1.400–2.800 m über Meereshöhe wachsen. Es sind immergrüne Sträucher oder kleine Bäume bis 10 m Höhe. Junge Zweige sind anfangs behaart, später verkahlend.

Bild 7: Habitus von Osmanthus yunnanensis


Die Laubblätter sind elliptisch bis eiförmig-lanzettlich, 8–14 cm lang, 2,5–4 cm breit, ledrig, 6–15 mm lang gestielt, ganzrandig oder mit 20–25 Paaren scharfer, 2–3 mm langer Zähne. Die Blüten stehen in 5–12-blütigen, achselständigen Scheindolden mit 2–4 mm langen, bewimperten Hochblättern. Die Einzelblüten sind gelblich-weiß, etwa 5 mm lang mit elliptischen bis breit eiförmigen Kronblättern und etwa 1 cm langen, kahlen Stielen. Später bilden sich purpurfarbene bis schwarze, länglich eiförmige, 1–1,5 cm lange Steinfrüchte.

Bild 8: Blütenstand von O. yunnanensis


(Text und Bild 8 von Lorek, M. 2021: Osmanthus yunnanensis. – http://www.tropengarten.de/Pflanzen/osmanthus-yunnanensis.html am 06.11.2021).

Quellen:
https://www.baumkunde.de/Osmanthus_x_fortunei/
http://www.tropengarten.de/Pflanzen/osmanthus-yunnanensis.html

Literatur:
Ray F.Evert, Esaus Pflanzenanatomie, De Gruyter, 2009
Katherine Esau, Pflanzenanatomie, Gustav Fischer Verlag, 1969

Bild 9: Illustration von Osmanthus x fortunei

Naturalis Biodiversity Center, Zeichner Kawahara Keiga (1823 - 1829) - Siebold Collection, gemeinfrei


Hier die Informationen zur Präparation

Diesmal haben wir 4 Proben im Rennen:
Probe 1 (P1): Ein ausgewachsenes, glattrandiges Blatt von O. fortunei
Probe 2 (P2): Ein junges, glattrandiges Blatt von O. fortunei
Probe 3 (P3): Ein ausgewachsenes, gezähntes Blatt von O. fortunei
Probe 4 (P4): Ein ausgewachsenes Blatt von O. yunnanensis zum Vergleich

Bild 10: Glattrandige Blätter, O. fortunei, P1 & P2


Bild 11: Gezahntes Blatt, O. fortunei, P3


Bild 12: Blatt von OI. yunnanensis, P4


Geschnitten habe ich alle Proben in Möhreneinbettung auf dem Tempelchen (Jung Zylindermikrotom im Tischständer vom Olaf Medenbach) mit Leica Einmalklingen 818 im SHK 11° Halter.
Die Schnittdicke beträgt ca. 50 µm.

Fixiert wurden diese für ca. 24 Stunden in AFE mit einmaligem Wechsel nach 5 Stunden. Nach Überführen in Aqua dest. waren die Schnitte dann bereit für die Färbung.

Die Färbung ist W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller. Gefärbt habe ich mit dem Farbgemisch für ca. 8 Minuten mit einmaligem leichten Erwärmen.

Anschließend habe ich wieder gut mit Aqua dest. gespült und für ca. 24 Stunden mit mehrmaligem Wechsel des Wassers sanft differenziert.

Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal.


Kurz zur verwendeten Technik

Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem NPlan 5x sowie den PlanApos 10x, 20x und 40x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.

Bei einigen Aufnahme zu Details der Sklereiden kam Topaz Gigapixel AI zum Einsatz (https://www.topazlabs.com/gigapixel-ai). bei den Ergebnissen ist auf Artefakte zu achten.


Und nun zu den Präparaten

Zunächst werfen wir einmal einen Blick auf die Illustration des Anstoßes :)

Bild 13: Auszug aus Esaus Pflanzenanatomie (Ray. F. Evert, De gruyter, 2009, Illustration auf Seite 189)

Die Grafiken und der Text beschreiben die Entwicklung der Sklereiden in den Blättern von Osmanthus fragrans. Schauen wir einmal, was wir dazu in den Präparaten finden.
Den folgenden Fragen möchte ich nachgehen:
Ist die Anatomie der Hybriden O. fortunei ähnlich genug, um die beschriebenen Strukturen aufzufinden? (P1 - P3)
Ist die dargestellte Entwicklung der Sklereiden nachvollziehbar? (P1 & P2)
Zeigt die Art O. yunnanensis ähnliche Features? Dies würde bedeuten, dass die Blattsklereiden in allen Arten der Gattung mehr oder weniger ähnlich zu finden sind. (P4)

Wir beginnen mit Probe 1 (P1), dem ausgewachsenen, glattrandigen Blatt

In der folgenden Serie findet Ihr beschriftete Bilder von ungefärbten und gefärbten Schnitten, die es ermöglichen, die entsprechenden Strukturen auch in den Serien der anderen Proben zu erkennen.

Bilder 14a-i: P1, ungefärbte Schnitte










Bilder 15a-g: P1, gefärbte Schnitte









Betrachten wir zunächst die Mittelrippe: unter einer stark ausgeprägten Cuticula (Cu) folgen die Epidermis (Ep) und eine kleine Gruppe Kollenchymzellen (Kol). Das Leitbündel hat einen symmetrischen Aufbau: es besteht, von oben nach unten, aus zwei Gruppen die sandwichartig übereinander liegen: wir finden Sklerenchym (Skl), Phloem (Pl) und Xylem (Xl) und dann in umgekehrter Reihenfolge und deutlich größer Xylem, Phloem und Sklerenchym. Dabei zeigt es sich, dass am Sklerenchym oben und unten zerstörte Phloemzellen anliegen (dPl, disfunktionales Phloem). Nach unten hin folgen dann wieder Kollenchym, Epidermis und die an der Blattunterseite deutlich dünnere Cuticula.
Weiterhin finden wir dort Stomata (St) und vereinzelt Drüsenhaare (hier einfach Tr für Trichom).

Spannend wird es, wenn wir uns die Blattspreite anschauen, die bis über 600 µm dick sein kann: neben dem hier vorhandenen mehrreihigen Assimilationsparenchym (AP) und dem ausgeprägten Schwammparenchym (SP) sehen wir auch die Sklereiden, wegen derer ich die Schnitte präpariert habe. Da das Lignin der Zellwände doppelbrechend ist, habe ich einige Aufnahmen mit parallelen Polfiltern gemacht: die Sklereiden erscheinen dabei bläulich. Bei gekreuzten Polfiltern treten sie, wie alle anderen ligninhaltigen Strukturen auch, hell leuchtend hervor.

Wir sehen sofort: so ideal wie auf der Zeichnung im Buch (Bild 13, Skizze D) liegen die Sklereiden nicht und sie sind auch nicht so schön ausdifferenziert. Was sich aber erkennen lässt: wie bei Evert beschrieben, finden sich nur im oberen Teil der Sklereiden, dort wo sie direkten Kontakt mit den Zellen des Assimilationsparenchyms haben, Tüpfel und Tüpfelkanäle. im unteren Bereich, wo die Sklereiden in das Schwammparenchym hinein ragen und nur losen Kontakt mit den umgebenden Zellen haben, gibt es keine Tüpfel mehr:

Bilder 16a,b: Herausvergrößert: Oberer teil mit und unterer teil eines Sklereiden ohne Tüpfel / Tüpfelkanäle



Sehen wir uns nun die zweite Probe vom jungen Blatt an (P2)!

Bilder 17a-f: P2, ungefärbte Schnitte







Bilder 18a-: P2, gefärbte Schnitte





Huch! In dem kleineren Blatt, das ich vom selben Zweig weiter oben entnommen habe, das somit also nicht nur kleiner sondern auch deutlich jünger als das Blatt von P1 ist, zeigen sich die Sklereiden deutlich ausgeprägter! Somit hängt deren Wachstum sicherlich nicht nur vom Blattalter sondern auch von zusätzlichen Faktoren ab. Damit haben wir es bei Evert wohl mit einer idealisierten Darstellung nicht nur bei Größer und Form sondern auch bei der Entwicklung der Sklereiden zu tun.
Der Aufbau des Blattes hingegen ist identisch zu dem aus P1, daher hier keine neuerliche Beschriftung. Es fällt allerdings auf, dass das junge Blatt von P2 mit rund 340 mm deutlich dünner ist.

Idealisierte Darstellung? Das prüfen wir schnell mit Probe 3 vom gezahnten Blatt (P3):

Bilder 19a-b: P3, ungefärbte Schnitte



Bilder 20a-: P3, gefärbte Schnitte





Im alten, gezahnten Blatt (P3) zeigen sich etwas mehr Sklereiden als in P1, ohne ganz die Sklereidendichte von P2 zu erreichen. Ansonsten auch hier nichts Neues, was ebenfalls für eine idealisierte Darstellung im Buch spricht, wie es auch nicht anders zu erwarten war. Die Dicke des Blattes liegt bei ca. 530 µm.
Um die noch weniger differenzierten Jugendstadien der Sklereiden zu sehen, muss man wohl im Frühjahr ein ganz frisches Blatt schneiden.

Werfen wir nun noch einen Blick auf einen Blattquerschnitt von O. yunnanensis aus Probe 4, um einen Vergleich mit einer anderen Art der Gattung Osmanthus zu erhalten.

Bilder 21a-c: P4, ungefärbter Schnitt




Bilder 22a-e: P4, gefärbte Schnitte





 
Auch hier finden wir prinzipiell den gleichen Aufbau vor, wie man es auf mikroskopischer Ebene von Arten der gleichen Gattung erwarten kann. Jedoch zeigt die Blattspreite bei einer Dicke von rund 500 µm ein deutlich ausgeprägteres Assimilationsparenchym, das mit seinen bis zu 5 Zelllagen teils mehr als die Hälfte des Gesamtdurchmessers der Spreite einnimmt.
Auch hier finden wir die Sklereiden, die somit für die Gattung typisch zu sein scheinen - wenn auch in deutlich geringerer Anzahl. 

In der Blattspreite eingelagerte, senkrecht stehende und lang gestreckte Sklereiden sind übrigens nicht so selten. Wir finden sie z.B. auch bei der Welwitschie 8Welwitschia mirabilis):

Bild 23: Blattquerschnitt der Welwitschie mit Sklereiden, die Färbung ist W3Asim II


Hier reichen die Sklereiden (sklI für sklerenchymatische Idioblasten) von der Blattober- und Unterseite nur je bis knapp in die Mitte des Querschnitts und sind zusätzlich mit rhomboedrischen Calciumoxalatkristallen besetzt.

Schauen wir zum Schluss noch einmal auf eines der mehrzelligen Drüsenhaare an der Blattunterseite:

Bilder 23a,b: Drüsenhaar (Tr)



Leider wurden die meisten Drüsenhaare beim Schnitt zerstört, aber das Exemplar oben ist erhalten geblieben.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

ich habe deinen Beitrag mit großem Interesse gelesen.
Steinzellen in einem Blatt habe ich noch nie gesehen, super Bilder.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

anne

Lieber Jörg,
ein toller Beitrag.
ich habe nur eine Information vermisst (hoffentlich nicht überlesen), wie riecht den nun die  tolle Duft-Blüte?
lg
anne

Fahrenheit

Lieber Anne,  lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank für Euer Lob, das mich wie immer sehr freut!

Die Blüten von O. fortunei hatten einen dezent süßlichen Duft, dehr angenehm, aber bei der kühlen Witterung am Tag der Probenahme nur zu richen, wenn man die Nase fast in die Scheindolden steckt. :)
Der Duft von O. fragrans muss laut Beschreibung ungleich intensiver sein.

Die Steinzellen finden sich z.B. auch in den Blättern der Seerose (das Paradebeispiel aus den Lehrbüchern) und als Astrosklereiden in den Phyllokladien der Schirmtanne (Sciadopitys verticillata).


Einzelner Astrosklereid der Schirmtanne.

Euch beiden herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM