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Rattenfloh und Pesterreger

Begonnen von ammererlutz, April 21, 2022, 12:57:10 NACHMITTAGS

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ammererlutz

Xenopsylla cheoptis einmal mit DIC optisch versucht zu"sezieren" ( 400x)

Mundwerkzeuge
Rachen (über dem Punktauge verlaufend)
Gehirn ( hinter dem Auge)
Magen ( in dem sich beim infizierten Tier die Pesterreger befinden)
Penis

und Yersinia pestis als Erreger ( gekauftes Präparat): ein Stäbchenbakterium, das 1894 von Alexandre Yersin entdeckt wurde,  im Bild neben etlichen Kokken. ( 1000x)

Die Infektion geschieht bei der Beulenpest durch hervorwürgen der Bakterien aus dem Magen des Flohs beim Biß. Die Bakterien verstopfen den Magen des Flohs, wodurch es zu stärkerem Hungergefühl des Tieres kommt,.
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

ammererlutz

PS klinisches Bild ( Wachspräparat und aktueller Fall aus den USA mit Fingergangrän bei Sepsis mit Pesterregern)
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

Gerd Schmahl

Hallo Lutz,
hast Du auch ein Übersichtsbild von dem Rattenfloh. Details sind besser einzuordnen, wenn man auch den Gesamtüberblick hat.
LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

ammererlutz

Hallo Gerd, hier bei 50x, Pol
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

Gerd Schmahl

Hallo Lutz,
das ist doch ein schönes Übersichtsbild. Was hast Du für ein Hilfsobjekt benutzt, um diesen Farbverlauf zu generieren? Eine Quarzkeil?
LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

ammererlutz

der Farbeffekt im Pol entsteht durch das Lambdaplättchen im Strahlengang
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

rlu

#6
Soll noch schlimmer als der Rattenfloh sein, rohes Murmeltier aus der Mongolei:




Ausstellung Pest

Schöne Aufnahmen.

Liebe Grüße
Rudolf

ammererlutz

Hallo Rudolf,

ja, der Übertragungsmodus weicht in den aktuellen Fällen mitunter von der "klassischen" Übertragung durch den Rattenfloh ab, in den USA sind es oft Bisse durch Präriehunde, in China und New York waren einige Lungenpest Fälle, die ja über Tröpfcheninfektion übertragen wird.

Verzehr von Murmeltier ist auch mir neu :-), danke für den link, hatte ich ja Glück in Peru, aber das war ja ein Meerschweinchen, was ich serviert bekam :-))
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

rlu

#8
Hallo Lutz,

da hast du ja noch mal Glück gehabt. Wir haben immer vorsorglich unsere Meerschweinchen von unseren peruanischen Bekannten wegräumt. ;-)

Es scheint ja so zu sein, dass es je nach Befallsort zu unterschiedlichen Ausprägungen kommt, obwohl es immer der gleiche Erreger ist.
Beulenpest, Anschwellen der Lymphknoten
Sepsis/Blutvergiftung durch Eintritt in die Blutbahn, schwarze Hautstellen(wie Bild oben), Tod innerhalb von 36h
Lungenpest, Befall der Lungenbläschen, Bluthusten(sehr ansteckend)

Gerade nachgelesen, früher dauerte es zwei Wochen bis man den Pesterreger nachgewiesen hat. Das ist ja auch noch immer Thema bei einer klassische Sepsis. Es dauert zu lange.
Das soll mit einem Schnelltest in 15min gehen.
wiki/Pest#Untersuchungsmethoden

Was mich ja wundert, dass die Pest so derartig durchgelaufen ist im 14. Jahrhundert. Mit einer Inkubationszeit von 3 Tagen, mit eindeutigen äußeren Symptomen und einer hohen Letalität.
Das hätten wir uns doch bei Corona gewünscht, dass man sieht wer es hat und ein kurzer Krankheitsverlauf.

Auch hier zum Nachlesen
wiki/Pest#Verlauf einer Epidemie
Die armen Rattenpopulationen wurden von dem Menschen angesteckt.

ZitatDer endemische Verlauf der Pest folgt einem für diese Seuche typischen Muster, das so bei keiner anderen Seuche festzustellen ist: Der Tod setzt bei Ratten nach Befall einer Kolonie mit der Zeit immer schneller ein. Während anfangs mit ca. 7 Flöhen pro Ratte diese einen normalen Krankheitsverlauf zeigen, wird der Befall mit der Dezimierung der Kolonie bei den verbleibenden Ratten immer stärker, so dass 50 bis 100 Flöhe pro Ratte vorkommen, was zu einer wesentlich höheren Verseuchung führt. Nach 10 bis 14 Tagen ist die Rattenkolonie so stark reduziert, dass die Flöhe kaum noch Wirte finden. Diese Dauer von 10 bis 14 Tagen ist die erste wichtige Phase der Verbreitung. Danach nehmen die Flöhe ungefähr 3 Tage lang kein Blut auf, bis ihr Drang so groß ist, dass sie, da sie keine Ratten finden, nunmehr den Menschen anfallen. Es folgt die Inkubationsperiode von 3 bis 5 Tagen. Ihr folgt die Krankheitsperiode von 3 bis 5 Tagen, die bei der Mehrzahl der Befallenen zum Tode führt. Von der Ansteckung bis zum Tode vergehen durchschnittlich 8 Tage. Von der Erstinfizierung einer Rattenkolonie bis zum ersten Todesfall vergehen also 20 bis 28 Tage, gewöhnlich sind es 24 Tage.

Der Kontakt zwischen verseuchten und frischen Rattenkolonien führt zu einer langsamen Ausbreitung. Wichtiger ist der Ausbreitungsprozess über die Besuchspersonen. Sie nehmen die verseuchten Flöhe nach Hause mit und stecken so die eigene Rattenkolonie an.

Da bekommt der Leichenschmaus, wo alle Verwandten aus der Nachbarschaft zusammenkommen, eine ganz andere Bedeutung. ~ 40(x +24) Tage später waren dann alle in den Nachbardörfern erkrankt.
Wirklich schwierig für die Leute damals einen Zusammenhang herzustellen.


Mir kommt auch noch der Begriff "pest control" in den Sinn. Dachte früher, hier geht es nur um Insekten, aber tatsächlich auch um Nager.

Interessantes Thema

Liebe Grüße
Rudolf

rlu

#9
Hallo,

hier noch mal eine Aufstellung basierend auf dem Beitrag in wiki
wiki/Pest#Verlauf einer Epidemie

Tag 0: Rattenkolonie wird infiziert
Tag 10-14: Ratten sind stark dezimiert
Tag 15-17: Flöhe hungern
Tag 18-   : Flöhe beginnen Menschen anzufallen
Tag 18-23: Inkubationszeit des Menschen 3-5 Tage
Tag 23-28: Krankheitsperiode 3-5 Tage (hohe Sterblichkeit)
Von der Ansteckung bis zum ersten Todesfall der Ratten durchschnittlich 8 Tage
Von der Ansteckung der Ratten bis zum ersten Todesfall beim Menschen 20-28 Tage, durchschnittlich 24 Tage

Durch Laufwege, Begräbnisfeier, Nachfolgeregelung braucht es dann durchschnittlich noch mal 12 Tage bis die nächste Rattenkolonie angesteckt wird
Tag 40: Eine neue Rattenkolonie wird angesteckt. Der Zyklus beginnt von vorne nach 40 Tagen bzw.  40/7 = 5,7 Wochen.

Der Zyklus beginnt von vorn.
Tag 0: Erste Ratte wird angesteckt
Tag 64 bzw. Tag 24 vom zweiten Zyklus : Also 24 Tage nach der Ansteckung der neuen Rattenpopulation sind die ersten Toten im Nachbardorf sichtbar.

Wäre interessant wie schnell sich dann die Pest über das Land verbreiteten konnte. Damals wusste man noch nichts von einem Kevin Bacon Faktor = jeder kennt jeden.
Dafür gibt es bestimmt Modelle. Und ich bin sicher, wir sind für das was kommen wird nicht vorbereitet.
Aber uns kann aus der Richtung nichts mehr passieren, weil wir den Atomkrieg,(gestern am 28.4.2022 wurde im Bundestag die Lieferungen von schweren Waffen in die Ukraine durchgewunken), eh nicht überstehen.

Liebe Grüße
Rudolf

rlu

#10
Hallo,

oder war es vielleicht ganz anders, zumindest bei dem großen Ausbruch in der Mitte des 14. Jahrhunderts?
Oder eine Mischung?

Liebe Grüße
Rudolf

nationalgeographic.de/ratten-womoeglich-doch-nicht-fuer-mittelalterliche-pestausbrueche-verantwortlich

ZitatDie Studie wurde am 15. Januar 2018 in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht und verweist auf menschliche Parasiten – wie Läuse und Flöhe – als primäre Überträger des Pestbakteriums während der Ausbrüche vom 14. bis zum 19. Jahrhundert.

Zitat,,Die Pest hat die menschliche Geschichte wirklich umgestaltet, deshalb ist es so wichtig zu verstehen, wie sie sich ausbreitete und warum sie das so schnell tat", sagt die Hauptautorin der Studie Katharine Dean. Die Doktorandin arbeitet am Zentrum für ökologische und evolutionäre Studien der Universität von Oslo.

Zitat
Mathematisch gesehen unterscheiden sich die Ausbreitungsmuster der Krankheit innerhalb einer Population je nachdem, ob ein Rattenfloh oder ein Menschenfloh der Überträger ist.

ZitatZum anderen wird in mittelalterlichen Aufzeichnungen zur Pest kein massenhaftes Sterben von Ratten erwähnt.

ZitatZu ihrer Überraschung fanden sie heraus, dass bei sieben von neun untersuchten Städten das Modell für die menschlichen Parasiten besser zu den Aufzeichnungen über die Todesraten passte als das Modell für Rattenflöhe.

selbe Studie
focus.de/seuche-sorgte-fuer-millionen-tote-ratten-waren-nicht-die-hauptschuldigen-am-schwarzen-tod

ZitatEnger Wohnraum und fehlende Hygiene begünstigten den Sprung der Menschenläuse von Wirt zu Wirt.

Quelle: wiki, Menschenfloh(ohne Zahnkämme am Kopf), Kopflaus, Menschenfloh weiblich/männlich


[/img]


rlu

#11
Hallo,

wir haben vielleicht da noch einen  "culprit"

Katze als Vektor.

rki/Yersinia pestis - Eine Bedrohung für die Menschheit

ZitatKatzen sind im Gegensatz zu den meisten Fleisch fressenden Tieren sensitiv gegenüber dem Pesterreger und erkranken nach der Infektion meist an Lungenpest. Beim Husten einer Hauskatze entstehen sehr effektive kleinste Aerosoltröpfchen, die leicht vom Menschen inhaliert werden können [13]. Gewöhnlich reichen schon 1 bis 10 Bakterien aus, um Nagetiere und Primaten auf oralem, intradermalem, subkutanem oder intravenösem Wege zu infizieren.

Das könnte evtl. den schlechten Ruf der Katze im Mittelalter zum Teil erklären.





rlu

#12
Bakterium oder Parasit?

In diesem Artikel u.a. wird darauf hingewiesen, dass Y. pestis den Magen von Flöhe blockt, damit diese hungrig werden und zu beißen beginnen.
Und im Laufe der Evolution hat sich der Erreger ein paar Mechanismen einfallen lassen, die es dem Immunsystem schwer macht das Bakterium zu bekämpfen.

rki/Yersinia pestis - Eine Bedrohung für die Menschheit

ZitatDie Pest kann durch mehr als 30 Floharten übertragen werden

Zitat
Normalerweise nimmt der Floh bei einer ausreichend starken Bakteriämie des Wirtes ca. 300 Y. pestis-Zellen auf.
Im Laufe von 3–9 Tagen können die Bakterien den Proventriculus des Flohs blockieren.
Der hungrige infizierte Floh sucht sich einen neuen Wirt und würgt den Blutklumpen zusammen mit ca. 2×10 4 Bakterien in die Bisswunde des Säugetierwirts.
Der Floh kann 6 Monate ohne Nahrungszufuhr überleben.

Hier das gleiche bei wiki wiki/Yersinia_pestis

ZitatSo bildet der Pesterreger im Vektor Floh einen Biofilm, der wie ein Vormagenblock wirkt. Der Parasit kann damit nicht mehr abschlucken, wird hungrig und beißwütig und wechselt den Wirt. Dieser wissenschaftlich bestätigte Algorithmus bewirkt eine effiziente Verbreitung des Pesterregers auf andere Säugetierindividuen oder auch den Menschen.

ZitatY. pestis ist ein unbewegliches, gramnegatives kokkoides Stäbchenbakterium der Gruppe der Enterobacteriaceae. Es ist fakultativ anaerob und bildet keine Sporen.
Und trotzdem ist es ziemlich robust, obwohl es keine Sporen bildet.

Y. pestis kann:
● bis zu 7 Monaten im Boden,
● 5–6 Monate auf Kleidung,
● bis zu 40 Tagen auf Getreide,
● 80–90 Tage in Milch,
● in Wasser, Lebensmitteln und Getreide über Wochen,
● in Flöhen bis zu 2 Monaten,
● bis zu 2 Monaten bei 35°C in Kadavern
überleben

Bei unhygenischen Verhältnissen hatte die Pest wohl Heimspiel.

ZitatDies liege an der Fähigkeit des Bakteriums, bei höheren Temperaturen Schutzmechanismen gegen die Phagocytose, einen Bestandteil der menschlichen Immunabwehr, zu entwickeln.
ZitatZwei für Y. pestis spezifische Plasmide, ,,pMT1" und ,,pPCP1", tragen zahlreiche Virulenz-Gene, so bildet das Proteinprodukt eine Proteinkapsel aus, das sogenannte ,,F1-Antigen". Dieses schützt Yersinia pestis vor der primären Immunantwort im Säugetierorganismus.

Bayrisches Hausmittel ;-), so ein Einzeller hat Eindruck hinterlassen
https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%A4fflertanz#/media/Datei:Sch%C3%A4fflertanz_2012-05.JPG



Liebe Grüße
Rudolf

ammererlutz

#13
Hallo Rudolf,
Ja, Yersinia pestis verstopft den Magen der Flöhe, diese werden dadurch hungriger. Der Rattenfloh gilt als primärer Vektor, es ist jedoch bekannt, dass auch andere Floharten wie der Menschenfloh  Y. pestis übertragen haben, von der Lungenpest ganz abgesehen.

Der "Schwarze Tod" im 14. Jh war eine Sonderform des Pestverlaufes und unterschied sich deutlich von der Bubonenpest der späteren Jahrhunderte. Der Erreger ist nach den genetischen Analysen der Knochen aus London weitgehend ident mit dem aktuellen Stamm, aber wir gehen trotzdem von einer deutlich stärkeren Virulenz des Bakteriums von 1347 aus.
Seit der Justinianischen Pest des 8.Jahrhunderts gab es keine dokumentierten Pestausbrüche in Europa, die Bevölkerung war daher immunologisch naiv gegenüber dem Erreger, das könnte ein Grund für die katastrophale Dimension der Pandemie gewesen sein, die entstehung eines virulenteren Bakterienstamm in Asien mit Übergriff auf das mongolische Heer wäre auch eine Erklärung.

Klar ist der Verlauf, beginnend in der Belagerung von Kaffa und dem Mongolen Einfall auf der Krim, den Pestfällen in den mongolischen Kämpfern, die so die Genuesischen Seefahrer infizierten, die den Erreger auf ihren Schiffen nach Italien brachten.
Die Ratten "umgingen" die neu eingeführte Quarantäne indem sie über Schiffstaue auf das Festland liefen.
An Land verlief die weitere Verbreitung sicher nicht mehr ausschließlich über Rattenflöhe.
Besonders typisch für die Pest des 14.Jahrhunderts war das gehäufte Auftreten der hochaggressiven Lungenpest, die ja über Tröpfcheninfektioon direkt von Mensch zu Mensch ohne Flohbeteiligung übertragen wird und oft binnen Stunden zum Tod führte.

1347 bis 1353 waren die größten Teile Europas durchseucht, ca 30 % der Gesamtbevölkerung wurde ausgelöscht, die sozialen Normen und die Infrastruktur brachen zusammen, die Zeit der Gotik endete. Rätselhafterweise blieben die Territorien des heutigen Polens weitgehend verschont. Durch die kühlen Temperaturen auch der hohe Norden Europas ( Flöhe sind unter 10 Grad nicht aktiv, könnte ein Grund sein) .

mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

Florian D.

Auf scinexx gab es hierzu vor ein paar Tagen einen interessanten Artikel:
https://www.scinexx.de/news/medizin/die-pest-hat-eine-doppelte-wurzel/

Viele Grüsse
Florian