Beyrichienkalk mit netten Kleinigkeiten

Begonnen von plaenerdd, Mai 08, 2022, 20:24:43 NACHMITTAGS

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plaenerdd

Hallo,
der Beyrichienkalk ist ein sehr weit verbreitetes nordisches Geschiebe aus dem Oberen Silur (430...420 Mill. Jahre). Dieser Kalk ist meist sehr fossilreich, aber relativ artenarm. Oft dominiert eine einzige Art das Gestein. Hier ein paar Beispiele aus meiner "Streichholzschachtelsammlung".
Bild 1:
Das erste Stück stammt von der Insel Rügen und enthält fast ausschließlich Brachiopden (keine Muscheln!) der Gattung Protochonetes:


Das zweite Stück ist schon seit meiner Kindheit in meinem Besitz und stammt vom Schaalsee, an dem ich aufgewachsen bin. Neben Protochonestes ist darauf ein Tentakulit zu sehen. Tentakuliten werden heute als ein ausgestorbene Weichtierklasse angesehen. Ihren Namen haben sie aber von der Deutung als Tentakel der Trilobiten (Dreilappkrebse).
Bild 2:
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Das dritte Stück zeigt kleine braune Pünktchen. Das sind die namensgebenden Beyrichien eine spezielle Gruppe der Ostrakoden (Muschelkrebse). Die Beyrichien sind nach dem Berliner Geologen Ernst BEYRICH benannt, der als erster ihre Zugehörigkeit zu den Ostrakoden erkannte. Ich habe dieses Stück auf der Insel Poel gefunden.
Bild 3:


Diese Muschelkrebse sind natürlich ein Fall für das Mikroskop. In dem gezeigten Stück sind zwei Gattungen zu finden. Die glattschalige Kloedenia.
Bild 4:


Rechts in dem Foto ist aber schon die zweite Gattung zu sehen, allerdings in Seitenansicht: Nodibeyrichia. Ihre Schalen sind mit Knötchen ("Nodi") besetzt. Hier die gleiche Art in der Draufsicht.
Bild 5:

Und um die Räumlichkeit zu verdeutlichen nochmal in 3-D für die Rot-Cyan-Brille.
Bild 6:

Das sind die häufigsten Fossilien im Beyrichienkalk, aber es gibt auch noch Moostierchen zu finden. Hier ein ca. 6cm langes Bruchstück einer ursprünglich weidenblattförmigen Kolonie. (Passt leider nicht in die Streichholzschachtel). Ich habe es vor 2 Wochen südwestlich von Leipzig gefunden.
Bild 7:

Wir gehen noch etwas näher heran. Es ist neben der großen hellen Kolonie ("A") noch eine kleine dunkle zu erkennen ("B")
Bild 8:


Man könnte denken, es würde sich um eine andere Art handeln, aber das Mikroskop schafft auch hier Klarheit.
Die nächsten beiden Fotos stammen von der hellen Kolonie.
Bild 9:


Bild 10:

Die dunkle Kolonie gehört zur gleichen Art Ptylodictya lanceolata (GOLDFUSS 1829), allerdings sind die Zoecien teilweise mit Pyrit gefüllt, wodurch die ganze Kolonie dunkler erscheint.
Bild 11:


Ich hoffe mit diesem Beitrag Eure Aufmerksamkeit beim nächsten Strandbesuch etwas auf kleine graue Steine lenken zu können.
Beste Grüße
Gerd

Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Siegfried

Hallo Gerd
Sehr schöner Beitrag.
Du gehst halt durch die Welt mit offenen Augen.
Solche Menschen sind mir symphatisch.
Ich muß wohl auch mal wieder in die Tongrube Buttenheim.
Mal sehen was meine Liebste dazu sagt. ;) :D
   Gruß von Siegfried

Florian D.

Hallo Gerd,

vielen Dank für die interessante Darstellung des Beyrichienkalks, den ich noch nicht kannte. Scheint ja eher nördlich des Weisswurstäquators vorzukommen.

Viele Grüsse
Florian

plaenerdd

Hallo Florian,
ja der Äquator heißt aber Feuersteinline und ist noch recht weit nördlich des Weisswurstäquators. ;)
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

3nzo

Hallo Gerd,
sehr interessant, wie immer. Meine Komplimente.
Mit freundlichen Grüßen.

Enzo

Florian D.

Zitat von: plaenerdd in Mai 09, 2022, 20:31:18 NACHMITTAGS
Hallo Florian,
ja der Äquator heißt aber Feuersteinline und ist noch recht weit nördlich des Weisswurstäquators. ;)
LG Gerd
Hallo Gerd,

die Bezeichnung "Feuersteinlinie" kannte ich noch gar nicht, genauso, wie mir die norddeutschen Namen der Eiszeiten kein Begriff waren. Erstaunlich, wie weit Deutschland am Maximum der Glaziale von Eis bedeckt war.

Viele Grüsse
Florian

plaenerdd

#6
Hallo Florian,
innerhalb des Weißwursthorizontes gab es auch Eisbedeckung, aber die kam vom Süden aus den Alpen und hatte deshalb keine nordischen Geschiebe im Gepäck.

(Quelle: Wikipedia aus R. HOHL (Hrsg.): Die Entwicklungsgeschichte der Erde. 6. Auflage. Werner Dausien Verlag, Hanau 1985)

LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Florian D.

Zitat von: plaenerdd in Mai 10, 2022, 17:33:49 NACHMITTAGS
Hallo Florian,
innerhalb des Weißwursthorizontes gab es auch Eisbedeckung, aber die kam vom Süden aus den Alpen und hatte deshalb keine nordischen Geschiebe im Gepäck.

(Quelle: Wikopedia aus R. HOHL (Hrsg.): Die Entwicklungsgeschichte der Erde. 6. Auflage. Werner Dausien Verlag, Hanau 1985)

LG Gerd

Ja, der öde Kalk der Münchener Schotterebene ist mir bestens vertraut!