Botanik: Kultur-Birne Pyrus communis *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, September 18, 2022, 14:34:01 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Die Kultur-Birne, auch Birnbaum genannt, ist eine sehr alte Kulturpflanze, welche aus mehreren in Europa und Westasien natürlich vorkommenden Wildarten entstand. Zunächst wurde sie vor allem in Vorderasien kultiviert und gelangte dann schon etwa während der Jungsteinzeit nach Mitteleuropa. Seit etwa 1750 wurden vermehrt Birnen gezüchtet und es entstanden viele neue Sorten.
In Ägypten und in Syrien gab es keine Birnen, vielleicht aber nur wegen des Klimas. Die Römer pflanzten den Birnbaum nicht nur an, sondern verstanden es sogar, die Früchte zu konservieren und Marmelade aus ihnen zu bereiten.
Woher die Birne stammt, ist nicht ganz sicher. Sicher ist jedoch, dass sie dank den Römern nach Europa gebracht wurde.
Unsere germanischen Vorfahren hielten alte Birnbäume für unverletzlich. Es herrschte damals auch die Sitte, bei der Geburt eines Kindes einen Birnbaum zu pflanzen. Dieser Brauch hat sich in unserem Volk lange erhalten und wäre es wert, neu aufzuleben.
Einst wurden Birnenblätter geraucht, bevor es Tabak gab.
Da das Obst mittlerweile in nahezu allen Kontinenten angebaut wird, finden wir sie auch das ganze Jahr über in den Regalen vor. Die Hauptsaison ist jedoch von August bis November. Je nach Sorte kann die Erntezeit etwas variieren.
Die schwerste Birne der Welt wog fast 3 Kilo und wurde 2011 in Japan geerntet.

Bild 01 Habitus, blühender Hochstamm-Birnbaum

Urheber: Joris Egger

Der Birnbaum ist ein langlebiger, bis zu 20 Meter hoher Baum.
Durch Auslese- und Kreizungszüchtung aus der eiheimischen Holzbirne und asiatischen Birnbaum Arten hervorgegangen.
Im Unterschied zur Holzbirne meist dornenlose Triebe, größere und zur Reifezeit weiche, süße Früchte.
Der Birnbaum hat einen stark zerfurchten, runzligen Stamm mit glatten, oder nur leicht behaarten Zweigen.
Von den zahlreichen Wurzeln wächst die mittlere wie ein Pfahl tief in den Boden (Pfahlwurzel).

Bild 02 Borke eines Hochstamm-Birnbaums

Urheber: Joris Egger

Bild 03 Spross mit hellgrünen Blattstielen, Kultur-Birne Pyrus communis

Foto: H.-J_Koch

Bild 04 Blatt, Kultur-Birne Pyrus communis

Foto: H.-J_Koch

Die Blätter sind glatt, unbehaart, glänzend und oval. Ihre größte Breite liegt in der unteren Hälfte; sie sind ziemlich regelmäßig gezähnt.
Wird die Blattfläche von einem heftigen Windstoß getroffen, so stellt sie sich wie eine Wetterfahne in seine Richtung. Ist der Stoß vorüber, dann kehrt sie unverletzt zurück; denn der lange Blattstiel ist sehr elastisch.
Ebenso weichen die Blattflächen den aufschlagenden Regentropfen aus. Die nötige Festigkeit erhalten sie durch die Blattnerven. Ein starker Hauptnerv durchzieht die ganze Blattfläche. Er bildet die Verlängerung des Blattstieles.
Beim Birnbaum spricht man von Holztrieb, Fruchtholz, Ringelspießen, Fruchtspießen oder Quirlholz, zu denen noch spindelförmige Verdickungen von Fruchtzweigen hinzukommen, aus denen neue Knospen entstehen.
Während dem Holz des Apfelbaumes wenig Nutzwert zukommt, ist das wertvolle Holz des Birnbaumes zu verschiedenen Drechsel-, Schnitz- und Tischlerarbeiten verwendbar. Es ist schwer, wenig elastisch, relativ dauerhaft und politurfähig. Gebeizt diente es früher als Ebenholzimitat, auch zur Herstellung von Truhen und Klavierhämmern.
Birnbäume können 100-150 Jahre alt werden. Sie gehören mit Apfel, Kirsche, Himbeere und Erdbeere zu den Rosengewächsen.
Die Birne umfasst weltweit etwa 5000 Sorten.

Bild 05 Blüten, Kultur-Birne Pyrus communis

Quelle: Ackerbaum GmbH & Co. KG, 67823 Obermoschel

Die langstieligen Blüten stehen in Büscheln, sie sind weiß und haben
rote Antheren.
Der Staubbeutel (Anthere) bildet zusammen mit dem Staubfaden (Filament) das so genannte Staubblatt, den männlichen Teil einer Blüte. Der Staubfaden trägt den Staubbeutel und ist bei jeder Blüte unterschiedlich lang ausgeprägt. Dadurch kommt der Staubbeutel im Kontakt mit den Blütenbesuchern in die optimale Position. Bei den meisten Blütenpflanzen bestehen die Staubbeutel aus zwei Kammern, die jeweils zwei Pollensäcke enthalten. Darin reift der Pollen.
Die Blütezeit ist je nach Sorte und Standort zwischen April und Mai. Sie werden von Insekten bestäubt. Birnen sind selbstfruchtbar. Allerdings erhöht sich der Fruchtertrag durch Kreuzbestäubung. Die Fruchtreife ist im Juli bis Oktober.

Systematik:
Ordnung: Rosenartige (Rosales)
Familie: Rosengewächse (Rosaceae)
Unterfamilie: Spiraeoideae
Tribus: Pyreae
Untertribus: Kernobstgewächse (Pyrinae)
Gattung: Kultur-Birne
Wissenschaftlicher Name: Pyrus communis
Trivialnamen: Birnbaum, Gemeine Birne, Gartenbirne, Wildbirne, Holzbirne, Wilder Birnbaum und Kulturbirne
Englische Bezeichnung: pear

Der wissenschaftliche Name ist Pyros communis (lat. Pirus), Linné schrieb ihn jedoch Pyrus, wobei er dem Beispiel des Plinius folgte.
Carl von Linné war ein schwedischer Naturforscher, der mit der binären Nomenklatur die Grundlagen der modernen botanischen und zoologischen Taxonomie schuf.
Frische Birnen enthalten im Durchschnitt 24% Wasser, 3-13% Zucker (Glukose und Lavulose), 0,2% Säuren, hauptsächlich Apfelsäure, 0,4% Eiweißstoffe, 0,3% Fett, 3,5% pektische Substanzen, 2,5% verschiedene, nicht verdauliche Stoffe sowie Vitamin A und C.
Zu den ebenfalls vorhandenen Mineralsalzen gehören hauptsächlich Kali-, Phosphor-. Magnesium- und Kalzium-Verbindungen.
Die Birnen haben also einen höheren Zucker- und einen geringeren Säuregehalt als Äpfel. Birnen enthalten vier Prozent mehr Ballaststoffe als Äpfel.

Bild 06 Illustration, Kultur-Birne Pyrus communis

Dieses Bild ist gemeinfrei.
Quelle: www.biolib.de
Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz 1885, Gera.

Bild 07 Zeichnung, Birne Pyrus

Urheber: Loudon, J. C. (John Claudius), 1783-1843
Es bestehen keine bekannten Urheberrechtsbeschränkungen.

Teil 1
Spross, Querschnitt
25 Mikrometer


Bild 08 Übersicht, ungefärbter Schnitt, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 09 Übersicht, ungefärbter Schnitt, Dunkelfeld, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 10 Detailaufnahme, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 11 Detailaufnahme, Kultur-Birne Pyrus communis


W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert

Arbeitsablauf :
1.Pflanzenprobe liegt in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung 8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca.15 Sekunden!!!
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 1 Minute.
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 3x gewechseltem Isopropylalkohol (99,9 %)
10. Einschluss in Euparal.

Ergebnis :
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Bei der Betrachtung wird eine Kontrastverbesserung bei Verwendung eines BG 38 Filters (blaugrün, 3mm dick) erreicht.
Fotos: Nikon D5000, Sony alpha 6000

Bild 12 Übersicht, Kultur-Birne Pyrus communis

Ast mit einer schwarzbraunen, rissigen stark zerfurchen, runzligen Borke bedeckt.

Bild 13 Detailaufnahme, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 14 Detailaufnahme mit Beschriftung, Kultur-Birne Pyrus communis

MP = Markparenchym, J1 = Jahresringgrenze (1.Jahr), J2 = Jahresringgrenze (2.Jahr), XY = Xylem, K = Kambium, P = Periderm, RP = Rindenparenchym, PH = Phloem, SK = Sklerenchym

Junger Spross.
Bild 15 Detailaufnahme, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 16 Markparenchym, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 17 Dunkelfeld, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 18 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Kultur-Birne Pyrus communis

LED Modul 455 nm
Reflektormodul FL mit Filtersatz 67
Erregerfilter: BP 470 nm
Strahlenteiler: FT 477 nm
Emission (Sperrfilter): LP 485

Bild 19 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Detailaufnahme, Kultur-Birne Pyrus communis

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Hans-Jürgen Koch

#1
Teil 2
Spross, Längsschnitt
20 Mikrometer

W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Bild 20 Übersicht, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 21 Detailaufnahme, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 22 Detailaufnahme, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 23 Verletzung, Kultur-Birne Pyrus communis

Alle Verletzungen eines Baumes, welche die Borke durchdringen und das Bildungsgewebe zwischen Holz und Rinde stören, schaffen Eintrittspforten für Organismen, die den Holzkörper des Baumes schädigen können. In erster Linie sind dies Fäulnis verursachende Pilze, die das Holzgewebe zu zerstören vermögen.

Bild 24 Polarisation, Kultur-Birne Pyrus communis


Etzold – Blau: Fuchsin; Safranin; Astrablau (FSA) Dr. Helmut Etzold
Arbeitsablauf :
1. Mit AFE fixierte Schnitte gründlich in 70 % Ethanol auswaschen 5 Minuten.
2. 50 % Ethanol (kein Brennspiritus) 3 Minuten
3. 30 % Ethanol 3 Minuten
4. Wasser entmin. 3 x wechseln je 1 Minute
5. FSA -Farblösgung, 8 Min. gelegentlich schwenken. (verdünnte Etzold-Lösung-2 Tropfen auf 5 ml dest.Wasser)
6. Kurz abspülen in Aqua dest. , je 1 x wechseln, je 1 Minute
7. In 100 % Isopropylalkohol sorgfältig entwässern 2 x wechseln. 1. Stufe = 30 Sekunden, 2. Stufe = 3 Minuten, 3. Stufe = 5 Minuten
9. Einschließen in Euparal


Bild 25 Detailaufnahme, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 26 Detailaufnahme, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 27 Detailaufnahme, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 28 Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Kultur-Birne Pyrus communis


Teil 3
Blattstiel, Querschnitt
25 Mikrometer



W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Bild 29 Übersicht, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 30 Leitbündel, Kultur-Birne Pyrus communis

EP = Epidermis, SK = Sklerenchym, PH = Phloem, XY = Xylem, RP = Rindenparenchym, HY = Hypodermis

Bild 31 Detailaufnahme, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 32 Übersicht, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Kultur-Birne Pyrus communis


Bild 33 Detailaufnahme, Auflichtbeleuchtung Fluoreszenz, Kultur-Birne Pyrus communis


Ein berühmtes Zitat von Abraham Lincoln lautet:
"Ein Mann beobachtet seinen Birnbaum, Tag für Tag, und wartet ungeduldig auf das Reifen der Früchte. Erzwingt er die Reife, sind Baum und Frucht verdorben. Wartet er aber geduldig, fällt ihm die reife Birne irgendwann in den Schoß!"
Abraham Lincoln amtierte von 1861 bis 1865 als 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

Bild 34 Eine Williams-Christ-Birne in einer Obstbrandflasche (Nordkroatien)

Urheber: Silverije

Quellen und weiterführende Informationen:

Wikipedia; Freie Enzyklopädie
Burkhard Bohne, ,,Taschenatlas Giftpflanzen"
P. Schütt ,,Lexikon der Bäume und Straucharten", ISBN: 978-3-86820-123-9
Schmeil ,,Leitfaden der Pflanzenkunde", 1952
,,Botanica" Das Abc der Pflanzen, ISBN: 3-8290-0868-6
,,Das große illustrierte Pflanzenbuch", 1966
Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen.
Gerne zeige ich euch die schönen Seiten der Pflanzen.
Viele Aufnahmen von einer Pflanze ermöglichen eine umfassende Wahrnehmung.
Es freut mich natürlich sehr, wenn auch euch die Bilder gefallen.
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Wutsdorff Peter

Grüß dich Hans-Jürgen,
das ist wieder einmal ein toller Beitrag,  wie wir es von Dir gewohnt sind
Gartulation!
Gruß Peter

* ich lese gerade den Krimi von Th. Fontane: Unter dem Birnebaum

jcs

Hallo Hans-Jürgen,

sehr gelungene Bilder Aufnahmen, wie immer in Deinen Beiträgen, und interessante Infos gibt es als Draufgabe.

Spannend wäre noch ein Schnitt durch einen Fruchtstiel, bei den Birnen gibt es dazu sehr schöne Aufnahmen.

LG

Jürgen

Fahrenheit

Guten Morgen Hans-Jürgen,

danke für den schönen, umfangreichen Beitrag!
Natürlich habe ich ihn gleich gelistet.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Hallo Peter, Jürgen und Jörg,

danke für euer Feedback.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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