Trocknung/Aushärtung unter Vakuum von Eindeckmitteln

Begonnen von anne, Dezember 21, 2022, 19:39:37 NACHMITTAGS

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anne

#15
Hallo Bob,
ich erhitze 2 Stunden auf 200Grad. Ich habe noch keine Nachteile festgestellt. Vorher dampfe ich vorsichtig das Isopropanol ab..
lg
Anne

jako_66

#16
Hallo Bob,
glaube nicht, dass Pleurax vollständig vernetzt ist, sondern es wird eher eine Mischung von verschiedenen schwefelverbrückten Oligomeren sein. Je länger die einzelnen Ketten, desto höher sollte der Brechungsindex sein. Irgendwann zerlegt sich das Ganze wieder. Müsste man mal ausprobieren, ob bei > 200°C nur noch eine Spur Phenol emittiert wird oder ob fast alles als Zerfallsprodukt ,,abraucht". Wobei wir da sicher über etliche Stunden reden.

Viele Grüße

Sven

jochen53

#17
Hallo,
hier wurde mehrfach berichtet, daß es beim Anlegen eine Vakuums zu starker Blasenbildung kommt. Das hat verschiedene Ursachen:
Zum Einen ist in Flüssigkeiten Luft gelöst, die im Vakuum entweicht. Ich habe beruflich im Labor oft Öle und Fette im Vakuum "entlüftet", Öl kann beispielsweise etwa 10 % Luft in gelöster Form enthalten, d.h. in einem Liter Öl sind bis zu 10 Liter Luft enthalten, wohlgemerkt bei Normaldruck. Bei anderen organischen Flüssigkeiten ist es ähnlich. Dieses Volumen vergrößert sich im Vakuum nochmals enorm. Wenn man zu schnell evakuiert, schäumt die Flüssigkeit extrem stark unter Bildung von sehr großen Blasen. Bei hochviskosen Systemen dauert es manchmal sehr lange, bis die Blasen zur Oberfläche aufsteigen und platzen. Man sieht sehr schön, wie das Schäumen mit der Zeit nachläßt und mit zunehmendem Vakuum die Luftblasen immer kleiner werden, bis das Schäumen schließlich ganz aufhört. Eine Temperaturerhöhung senkt die Viskosität und die Löslichkeit von Luft, aber flüchtige Substanzen verdampfen dann auch schneller. Je größer die Oberfläche ist, desto schneller entweicht die Luft.
Zum Anderen sind in der flüssigen Phase im hier diskutierten Fall auch flüchtige Bestandteile gelöst (Lösemittel, Phenol, Naphthalin....), die im Vakuum ebenfalls schneller verdampfen. Auch diese Stoffe können, je nach Temperatur "Dampfblasen" bilden. Geduld ist auch hier sehr nützlich, nur sehr langsam evakuieren und die volle Saugleistung der Pumpe erst ganz zum Schluß anwenden und dann erst langsam erwärmen.
Wenn man größere Volumina im Vakuum entlüften oder das Lösemittel entfernen möchte, kann es zum sog. spontanen "Siedeverzug" (auch "Stoßen" genannt) kommen, wenn man nicht ständig rührt oder auf andere Weise das Entstehen von Dampfblasen verhindert, z.B. mit einem Rotationsverdampfer, wo die Verdampfung/Entlüftung aus einem ständig erneuerten Flüssigkeitsfilm an der rotierenden Kolbenwand erfolgt.
Noch eine Anwendung für Vakuum: Die Vakuum-Filtration von Flüssigkeiten und Lösungen. Das funktioniert zwar i.d.R. ganz gut, aber im Vakuum verdampft dabei auch ein erheblicher Teil des Lösemittels, je nach Siedepunkt und hinterher hat man eine andere Konzentration als vorher. Hier geht man manchmal den umgekehrten Weg: Man filtriert unter Druck, wenn die Apparatur es aushält, kann man dabei sogar eine größere Druckdifferenz und damit eine wesentlich höhere Filtrationsgeschwindigkeit erzeugen, als mit 1 bar atmosphärischem Luftdruck, ohne daß es zu erhöhter Verdampfung kommt. Durch den erhöhten Druck enthält das Filtrat denn allerdings wieder einen höheren Anteil an gelöster Luft, die dann bei Normaldruck wieder ausperlt, wie beim Mineralwasser. Man muß danach u.U. nochmal vorsichtig im Vakuum entlüften.
Was passiert eigentlich mit dem, was im Vakuum verdampft?
Bei der Wasserstrahlpumpe landet es in der Kanalisation und in der Kläranlage, bei einer Membranpumpe kommt es aus dem Auspuffstutzen der Pumpe wieder raus und bei der Drehschieberpumpe (allg. als "Ölpumpe" bekannt) verdünnt und versaut es das Pumpenöl und tritt ebenfalls größtenteils aus dem Auspuffstutzen wieder aus. Bei Lösemitteln und anderen flüchtigen Stoffen quellen dann die Dichtungen der Pumpe auf und sie wird undicht, es läuft Öl raus und die Pumpe steht in einer kleinen Ölpfütze. Wenn man Glück hat, schrumpfen die Dichtungen nach einem Ölwechsel wieder, aber wer hat schon Glück? Verhinder kann man das eigentlich nur durch Vorschalten einer mit Trockeneiskältemischung oder flüss. Stickstoff gekühlten "Kühlfalle"

Viele Grüße aus dem Reich der Chemie und Verfahrenstechnik, Jochen

anne

Lieber Jochen,
ich danke Dir! Genau auf so eine Antwort hatte ich gewartet.
lg
Anne

Bob

Hallo Jochen,
danke für Deine umfassende Erklärung, Du hast da eine gute Mixtur aus theoretischem Hintergrund und praktischer Bedeutung getroffen.

Viele Grüße,

Bob