Interessante Pilzfunde 72 - Weinroter Dottertäubling

Begonnen von Bernd Miggel, Juni 02, 2023, 10:04:26 VORMITTAG

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Bernd Miggel

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Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Beim Weinroten Dottertäubling (Russula decipiens) handelt es sich um einen mittelgroßen, scharf schmeckenden Dottersporer mit meist weinrotem Hut, dottergelben Lamellen und weißem Stiel. Er bevorzugt Laubwälder auf sommerwarmen, basenreichen Böden, z.B. Orchideen-Buchenwälder auf Kalkboden. Bevorzugte Mykorrhizapartner sind Hainbuchen, Rotbuchen, Eichen, Esskastanien. Die Rote Liste Pilze Deutschlands (2016) stuft ihn in die Gefährdungskategorei ,,2" (stark gefährdet) ein.

Bernd Miggel

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#1
Für die hier gezeigten Bilder möchte ich mich bei Uwe Winkler, Karl Wehr und Helga Marxmüller herzlich bedanken. Ich selber hatte bisher nicht das Glück, dieser Art zu begegnen.
Uwe Winkler zu seinen Bildern und Funden (persönl. Mitteilung): ,,... Beide Bilder vom Farbspiel sehr typisch. Russula decipiens ist recht farbkonstant, kann aber auch ausgeblasst daherkommen. Auffallend immer die recht gelben Lamellen. Die Art sieht eigentlich wie ein zu gross geratener R. risigallina aus und ist deutlich scharf. Ich finde die Art meist unter Eiche auf besseren Böden, gerne wo andere seltene Arten wachsen, also an meinen Hotspots für Boleten und Cortinarien."

Bernd Miggel

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#2
Makroskopische Merkmale

Der Hut erreicht Breiten von 4 bis 10 cm, ist bereits von Anfang an ausgebreitet und später trichterförmig vertieft, farblich meist mehr oder weniger weinrot (Bilder 1 und 2), oft mit gelblichem Zentrum. Auch orangefarbene bis ziegelrote (Bild 3), purpurrote, blutrote, rosa- oder ockerfarbene, sogar stark ausgeblasste Formen kommen vor. Die Huthaut ist glatt und etwas körnig oder gerunzelt, bei älteren Fruchtkörpern am Rand gerieft, zur Hälfte des Radius abziehbar, bei feuchtem Wetter glänzend und klebrig. Die Lamellen sind dünn und stehen dicht, im reifen Zustand nehmen sie eine dottergelbe Färbung an. Der Stiel ist weiß, zylindrisch, längsadrig, bei reifen Exemplaren gekammert hohl. Das Fleisch ist weiß. Es ist in etwa geruchlos und schmeckt deutlich, meist aber nur mäßig scharf.

Bernd Miggel

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#3
Makrochemische Farbreaktionen
•   FeSO4 färbt Fleisch und Stielhaut rosa.
•   Phenol ergibt nur eine banale, braune Reaktion.

Frisch ausgefallener Sporenstaub ist dottergelb, IVe nach der Farbtafel in MARXMÜLLER, H. (2014).


Mikroskopische Merkmale (zum Vergleich siehe Bild 4):

Die Epikutis (oberste Lage der Huthaut) besteht aus:
•   schlanken, vielfach verzweigten Epikutishaaren (,,eh"), deren Glieder 2-4 µm breit sind
•   sowie aus keuligen, sich in Sulfovanillin gut anfärbbaren, meist unseptierten, an der breitesten Stelle 6-12 µm messenden Pileozystiden (,,pz"). 

Die Hymenialzystiden ("hz") sind spindelförmig, apikal ausgezogen oder mit Anhängsel.

Die Sporen (,,sp") sind breit ellipsoid und messen 7,5-9,5 x 6,5-8 um, bei einem Schlankheitsgrad Q von etwa 1,2. Die Ornamentation ist bis 1,0 um hoch und besteht aus Warzen, die teils isoliert stehen, teils reihig oder teilnetzig miteinander verbundenen sind. Ornamentation und Hilarfleck sind deutlich amyloid.

Bernd Miggel

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#4
Verwechslungsmöglichkeiten mit ähnlich gefärbten Arten
•    Chamäleon-Täubling (Russula risigallina), Kurzstieliger Ledertäubling (R. curtipes), Rotstieliger Ledertäubling (Russula olivacea), Weinroter Graustieltäubling (R. vinosa) können ähnlich aussehen, sind aber allesamt mild im Geschmack.
•    Der Purpurfarbene Dottertäubling (R. cuprea) ist scharf im Geschmack und lässt sich oft nur über die Mikromerkmale von unserer Art unterscheiden.
•    Der Gefleckte Täubling (R. maculata) ist scharf im Geschmack. Seine Hutfarbe ist aber freudiger rot und besitzt keinerlei Blauanteile. Im Zweifelsfall hilft nur eine mikroskopische Untersuchung.

Literatur
•    EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. Hoppea, Denkschr. Regensb. Bot. Ges. 43: Nr. 41.
•    GALLI, R. (1996): Le Russule: 472-473.
•    KRÄNZLIN F. (2005): Pilze der Schweiz Bd. 6, Russulaceae: Nr. 117.
•    KRIEGLSTEINER, G.J. (2001): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 3. Ständerpilze: Blätterpilze I: 581-582.
•    MARXMÜLLER, H. (2014) - Russularum Icones: 666-669.
•    MONEDERO, C. (2012): El Género Russula en la Península Ibérica: 254-255.
•    https://de.wikipedia.org/wiki/Weinroter_Dotter-T%C3%A4ubling (abgerufen am 1.6.2023).
•    https://fundkorb.de/pilze/russula-decipiens-weinroter-dottert%C3%A4ubling


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



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