Interessante Pilzfunde 73 - Großer Kammtäubling

Begonnen von Bernd Miggel, Juni 08, 2023, 11:13:15 VORMITTAG

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Bernd Miggel

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Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Neben den Arten mit leuchtenden Farben in Rot, Violett, Gelb oder Grün gibt es auch solche in gedeckten grauen bis graubraunen Farben. Hierhin gehört die Gruppe der Kammtäublinge mit ihrem kammrandigem, bei feuchtem Wetter scheimigem Hut. Ihr größter Vertreter, der Große Kammtäubling (Russula sororia), soll hier beschreiben werden.

Bernd Miggel

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#1
Beim Großen Kammtäubling handelt es sich um einen scharf schmeckenden Cremesporer mit rußbraunem Hut, cremefarbenen Lamellen und weißlichem Stiel. Man findet ihn typischerweise in offenem Gelände bei Laubbäumen, insbes. Eichen, gerne auf schwach sauren bis schwach basischen, schweren, feuchten, mitunter sogar  nassen, schlammigen Lehm- oder Tonböden. Er ist in Deutschland nicht häufig. Die Rote Liste Pilze Deutschlands (2016) stuft ihn in die Gefährdungskategorei ,,3" (gefährdet) ein.
Für die hier gezeigten Bilder möchte ich mich bei Karl Wehr, Thiemo Rudolf und Helga Marxmüller bedanken. Mir selber ist diese Art bisher noch nicht begegnet.

Bernd Miggel

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#2
Makroskopische Merkmale

Der Hut erreicht Breiten von 5 bis 12 cm, ist anfangs konvex und glatt, später ausgebreitet mit vertiefter Mitte, eingebogenem Rand und höckerig geriefter, matt glänzender Huthaut. Bei feuchtem Wetter sind die Hüte klebrig bis schleimig. Die deutlich elastische Huthaut lässt sich etwa bis zur Hälfte des Radius abziehen. Die Lamellen sind anfangs cremefarben, werden später dunkler, haben dann oft einen Graustich und werden an verletzten Stellen braunfleckig. Sie sind am Grunde queradrig verbunden und bei vielen Exemplaren stark gegabelt (Bild 3). Der Stiel ist zylindrisch bis bauchig, oft basal verjüngt, anfangs weiß und voll, später bräunlich bis graulich und gekammert hohl. Das weiße Fleisch riecht spermatisch bis schwach fruchtig und schmeckt deutlich, jedoch nicht brennend, scharf.

Bernd Miggel

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#3
Makrochemische Farbreaktionen
•   FeSO4 färbt Fleisch und Stielhaut rosa.
•   Die Guajak-Reaktion ist schwach.

Die Farbe des frisch ausgefallenen Sporenstaubs ist ein mittleres Creme, IIb-c nach der Farbtafel in MARXMÜLLER, H. (2014).



Mikroskopische Merkmale (zum Vergleich siehe Bild 4)

Die Epikutis (oberste Lage der Huthaut) besteht aus:
•   schlank zylindrischen, vielfach verzweigten, 2-4 µm breiten Epikutishaaren (,,eh")
•   sowie aus spindelförmigen, konisch zulaufenden, einzelligen, 3-5 µm breiten Pileozystiden (,,pz"), die von den Epikutishaaren wenig differenziert sind und deren Inhalt sich in Sulfobenzaldehyd grau verfärbt.

Die Hymenialzystiden ("hz") sind spindelförmig, apikal ausgezogen oder mit eingeschnürtem Fortsatz.

Die Sporen (,,sp") sind breit ellipsoid und messen 6-8 x 5-6 um, bei einem Schlankheitsgrad Q = 1,3. Die Ornamentation besteht aus niedrigen, bis ca. 0,4 µm hohen, meist isolierten, hier und da durch kurze Grate oder feine Linien verbundenen Warzen. Der Hilarfleck ist quasi inamyloid.

Bernd Miggel

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#4
Ähnliche Arten mit grauen bis graubraunem Hut
•    Der Camembert-Täubling (Russula amoenolens) sieht wie eine kleine Ausführung unserer Art aus. Er riecht deutlich nach Camembert und ist brennend scharf im Geschmack. Seine Guajak-Reaktion ist stark, und seine Sporenwarzen sind bis 0,7 µm hoch.
•    Der Milde Kammtäubling (R. insignis) ist quasi geruchlos und schmeckt mild. Seine Stielbasis ist gelblich und färbt sich mit Kalilauge feuerorange.
•    Der Kratzende Kammtäubling (R. pectinatoides) riecht leicht obstig und schmeckt im Wesentlichen mild. Seine Stielbasis ist oft rotfleckig.
•    Der Bleigraue Täubling (R. consobrina) besitzt im Gegensatz zu unserer Art einen ungerieften Hut. Er ist fast geruchlos und schmeckt brennend scharf.

Literatur
•    EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. Hoppea, Denkschr. Regensb. Bot. Ges. 43: 315.
•    GALLI, R. (1996): Le Russule: 154-155.
•    KIBBY, G. (2014): The genus Russula in Britain: 62.
•    KRIEGLSTEINER, G.J. (2001): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 3. Ständerpilze: Blätterpilze I: 543-544.
•    MARXMÜLLER, H. (2014) - Russularum Icones: 226-227.
•    MONEDERO, C. (2012): El Género Russula en la Península Ibérica: 172-173.
•    PIDLICH-AIGNER, H. (2012): Bemerkenswerte Russula-Funde aus Ostösterreich 12. Österr. Z. Pilzk. 23 (2014): 181-187.
•    ROMAGNESI , H., 1985: Les Russules d ́Europe et d ́Afrique du Nord: 357-358.
•    SARNARI , M., 1998: Monographia illustrata del genere Russula in Europa 1: 456-460.
•    https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fer_Kamm-T%C3%A4ubling (abgerufen am 7.6.2023).
•    https://fundkorb.de/pilze/russula-sororia-gro%C3%9Fer-kammt%C3%A4ubling


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



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