Interessante Pilzfunde 80 - Wässriger Moortäubling

Begonnen von Bernd Miggel, Juli 14, 2023, 15:19:47 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Bernd Miggel

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080



Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Beim Wässrigen Moortäubling (Russula aquosa) handelt es sich um eine eher kleine Art, die man wie folgt charakterisieren kann: meist lilarosa Hut mit dunklerem Zentrum, weiße Lamellen, weißer Stiel, milder bis deutlich scharfer Geschmack und weißliches Sporenpulver. Wir finden den Täubling in feuchten Bergnadelwäldern, insbesondere in Mooren zwischen Torfmoosen (Sphagnum-Arten). Er geht dort eine Mykorrhiza mit Fichten oder Kiefern ein. Häufig ist er nicht: Die Rote Liste Deutschlands (2016) weist die Art in der Gefährdungskategorie 2 (stark gefährdet) aus.

Alexander Reichert und Uwe Winkler danke ich für einige der hier gezeigten Bilder.


Bild 1 – Typisch gefärbte Fruchtkörper im feuchten Fichtenwald zwischen Etagen- und Peitschenmoos. Foto: Alexander Reichert.



Bernd Miggel

#1
Makroskopische Merkmale

Bei dieser Art kennt man Hutbreiten bis etwa 8 cm. Die Hutfarbe ist interessant: Meist findet man Hüte in einem trüben, ,,verwaschenen" Lilarosa mit dunklerem Zentrum vor, also nicht etwa Hüte in reinem Rot, wie das bei den Speitäublingsarten der Fall ist. Neben Exemplaren mit lilarosa Hüten kommen auch solche mit z.B. karmin-, kirsch- oder braunrotem Hut vor. Zur Identifizierung besonders wichtig ist das stets dunklere Zentrum. Die Huthaut ist glatt, glänzend, bei feuchter Witterung klebrig und fast komplett abziehbar. Der Hutrand reifer Fruchtkörper ist gerieft.


Bild 2 – Eine kleine Population mit fast bräunlichroten Farben und dunklerem Hutzentrum. Begleitmoose: Frauenhaar- und Torfmoos. Foto: Uwe Winkler



Bernd Miggel

#2
Die Lamellen des Wässrigen Täublings sind anfangs reinweiß, später cremefarben, sehr brüchig, dünn, kaum einmal gegabelt oder untermischt. Der Stiel ist reinweiß und längsadrig, von der Form her zylindrisch bis schlankkeulig, mitunter wie ,,aufgeblasen" verdickt. Das Fleisch ist fragil und ebenfalls reinweiß. Es ist geruchlos oder riecht schwach fruchtig. Der Geschmack ist recht variabel und reicht von mild bis deutlich scharf.

Sporenstaubfarbe
Das frisch ausgefallene Sporenpulver ist weißlich, Ib nach der Farbtafel in MARXMÜLLER, H. (2014).

Makrochemische Farbreaktionen
FeSO4 ergibt eine rosa Reaktion.
Guajaktinktur hat eine sehr schwache, bläulichgrüne Reaktion zur Folge.


Bild 3 – Drei Exemplare in unterschiedlichen Hutfarben, gefunden zwischen Torfmoosen. Foto: Bernd Miggel,


Bernd Miggel

#3
Mikroskopische Merkmale

Die Sporen sind nicht besonders groß. Sie sind breitellipsoid mit warzig-teilnetzigem Ornament. Dabei fließen die Warzen oft zu mehreren zusammen oder sind durch feine Linien miteinander verbunden. Ornament und Hilarfleck sind deutlich amyloid.  Gemessene Werte (35 repräsentative Sporen, 95-prozentiges Vertrauensintervall):
L x B = 6,0-8,4 x 5,3-6,9 µm     Schlankheitsgrad Q = 1,16-1,21    Maximale Ornamenthöhe = 0, 6 µm


Bild 4
– Collage von 12 Sporen, präpariert in Melzers Reaganz. Foto: Bernd Miggel.


Bernd Miggel

#4
Die Epikutis setzt sich aus Epikutishaaren und Pileozystiden zusammen. Die Epikutishaare sind wenig aufsehenerregend: Sie sind etwa 2-4 µm breit, zylindrisch, apikal gerundet und oft verzweigt. In den Bildern 5 und 6 mit ,,eh" gekennzeichnet. Die Pileozystiden besitzen einen gelblichen Inhalt. Sie sind mit ,,pz" gekennzeichnet.


Bilder 5 und 6 -  Huthaut-Abziehpräparat in NH3-Kongorot. Fotos: Bernd Miggel.




Bernd Miggel

Die Pileozystiden verlangen besondere Aufnmerksamkeit. Außer langgestreckt spindeligen oder auch zylindrischen existieren bei Russula aquosa immer zahlreiche mit einem fast kaulquappenförmigem Umriss: Aus einer schlanken Basis entspringt fast abrupt eine bis 10 µm dicke, recht kurze Keule. Die Pileozystiden sind nach eigener Beobachtung ein- bis vierzellig. Epikutishaare und Pileozystiden sind in eine zähschleimige Huthautmasse eingebettet.


Bilder 7 bis 9 - Huthaut-Abziehpräparat in Sulfovanillin. Zu sehen sind zylindrische, spindelförmige und keulenförmige Pileozystiden. Fotos: Bernd Miggel.






Bernd Miggel

#6
Eine Auswahl ähnlicher Arten
•    Die Arten der Gruppe der Speitäublinge (Sektion Emeticinae) besitzen allesamt keine dunklere Hutmitte. Außerdem besitzen ihre Pileozystiden eine andere Form.
•    Kirschroter Speitäubling (Russula emetica): Ähnlicher Standort, doch Hut lebhafter und reiner rot gefärbt, sehr scharfer Geschmack, höhere Sporenornamentation.
•    Grauender Speitäubling (Russula hydrophila, Syn.: R. grisescens): etwas lebhafter, gleichmäßig gefärbter, roter Hut, grauendes Fleisch.
•    Birken-Speitäubling (Russula betulatum): kleiner, gebrechlicher, Hut nach Weiß oder Elfenbein entfärbend, immer scharfer Geschmack.
•    Kiefern-Speitäubling (Russula silvestris): unter Kiefern auf trockenen Böden, Hut lebhafter und reiner rot, sehr scharfer Geschmack.
•    Buchen-Speitäubling (Russula nobilis, Syn.: R. mairei): unter Rotbuchen auf trockenem Boden, Hut gleichmäßig rot, Huthaut nur wenig abziehbar, immer scharfer Geschmack.
•    Starkgilbende Täubling (Russula luteotacta): unter Rotbuchen auf trockenem Boden, Hut gleichmäßig rot, sehr scharfer Geschmack, lange liegende Exemplare stark gilbend.

Literatur
•    BON, M. (1988): Pareys Buch der Pilze: 72-73.
•    DÄHNKE, R.M. (1993): 1200 Pilze in Farbfotos: 908.
•    EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. Hoppea, Denkschr. Regensb. Bot. Ges. 43: Nr. 13.
•    GALLI, R. (1996): Le Russule: 204-205
•    KIBBY, G. (2014): The genus Russula in Britain: 33, 87.
•    KRÄNZLIN, F. (2005): Pilze der Schweiz Bd. 6, Russulaceae: Nr. 95.
•    KRIEGLSTEINER, G.J. (2001): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 2. Ständerpilze: Blätterpilze I: 547-548.
•    MARCHAND, A. (1977):  Champignons  du  Nord  et  du  Midi. 5. Les  Russules: Nr. 443.
•    MARXMÜLLER, H. (2014) - Russularum Icones: 356-357.
•    MONEDERO, C. (2012): El Género Russula en la Península Ibérica: 194-195.
•    ROMAGNESI, H. (1985): Les Russules d ́Europe et d ́Afrique du Nord: 474-475.
•    SARNARI, M. (1998): Monographia illustrata del genere Russula in Europa 1: 499-503.
•    https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4ssriger_Moor-T%C3%A4ubling
(abgerufen am 10.7.2023).
https://fundkorb.de/pilze/russula-aquosa-w%C3%A4ssriger-moort%C3%A4ubling

Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729