Interessante Pilzfunde 95 – Kleiner Zinnobertäubling

Begonnen von Bernd Miggel, November 09, 2023, 15:10:25 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

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Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Bisher hatte ich nur einmal das Vergnügen, den Kleinen Zinnobertäubling Russula emeticicolor zu finden. Das war am 17.7.2010 während einer Exkursion des Mykolog. Arbeitskreises Mittlerer Schwarzwald  im Walddistrikt ,,Büchereck" bei Hornberg.
Dort wuchs auf einem lehmigen Waldweg, vom Buchenlaub fast verdeckt, ein voll ausgewachsener Fruchtkörper mit 3,5 cm breitem, blutrotem Hut. Beim Wald handelt es sich um einem Hallen-Buchenwald mit Naturverjüngung auf basenreichem Gneis.
Aufgrund ihrer Seltenheit wird die Art in der Rote Liste Deutschlands (2016) in der Kategorie 2 (stark gefährdet) geführt.


Sämtliche Bilder im Beitrag beziehen sich auf diesen Fund.
Die kolorierte Fruchtkörperzeichnung verdanke ich Heike Braun.



Bernd Miggel

Makroskopische Merkmale

Der Hut wird maximal 5 cm breit, ist meist blutrot mit dunklerer Mitte, trocken, matt und am Rand meist gerieft. Auf den Bildern 3 und 4 erkennt man zudem im mittleren Hutbereich eine weißliche Beflockung, die von den herausragenden Primordialhyphen herrührt. Die Huthaut ist zur Hälfte des Radius abziehbar, das Fleisch darunter ist weiß. Schneckenfraßstellen röten nach.


Bernd Miggel

#2
Die Lamellen sind rein weiß, breit, etwas entfernt stehend, am Grunde anastomisierend. Die Schneiden sind glatt und mit den Flächen gleichgarben. Der Stiel ist relativ kurz, zylindrisch, rein weiß, die Oberfläche (wie bei R. velutipes) bepudert. Innen ist er wattig ausgestopft. Das Fleisch ist weich, brüchig, rein weiß, doch auf Druck etwas bräunend. Es ist geruchlos und mild.

Bernd Miggel

#3
Makrochem. Farbreaktionen
•    Guajak: blaugrüne Reaktion langsam und schwach
•    FeSO4: schwach rosalich grau.
•    SV (am am Frischpilz): negativ.
•    SV (am Exsikkat): sehr eindrucksvoll rotviolett

Sporenstaubfarbe
Das frisch ausgefallene Sporenpulver ist rein weiß, Ia nach der Farbtafel in MARXMÜLLER, H. (2014).


Bernd Miggel

Mikroskopische Merkmale

Die Sporen sind breitellipsoid, derbstachelig mit stumpfen, bis 1 µm hohen und an der Basis bis 1 µm breiten, im wesentlichen isolierten Stacheln. Nach SARNARI 2005 mit den Maßen: 6,5-8,4 x 5,5-6,6 µm.



Bernd Miggel

Die Epikutis (oberste Schicht der Huthaut) besteht aus Epikutishaaren und inkrustierten Primordialhyphen. Die Epikutishaare sind 2,5-3 µm breit, gleichdick,  schlank zylindrisch, die Terminalglied sind 20-25 µm lang, apikal einfach abgerundet, nicht keulig, mit einzelnen einfachen Verzweigungen.

Bernd Miggel

Die inkrustierten Primordialhyphen sind zahlreich, sehr lang und schlank, sich vielfach verzweigend, 2 bis 5 µm dick, in Karbolfuchsin und anschließendem Auswaschen in schwachem HCL mit dicken Exsudat-Tropfen versehen.


Bernd Miggel

#7
Bestimmung
Wegen der negativen SV-Reaktion am frischen Fruchtkörper, der groben, isolierten Sporenbestachelung, im Zusammenhang mit dem kleinen, blutroten Hut und der dunklen Hutmitte erkenne ich auf R. emeticicolor. Auch die Huthaut spricht für diese Art..

Notizen

•    Nach SARNARI 2005 kommen bei R. emeticicolor auch Exemplare mit stark ausgeblasster oder sogar gelber Hutfarbe vor.
•    Gemäß Felix Hampe (pers. Mittlg.) ist die SV-Reaktion nur am frischen Fruchtkörper relevant. Dass also beim hier beschriebenen Fund das Exsikkat rotviolett reagiert, ist für die Bestimmung unwichtig.

Ähnliche, kleine, mildschmeckende Täublinge mit rotem Hut, weißen Lamellen und weißem Stiel
•    Der Kleine Rosatäubling (R. minutula) besitzt am frischen Fruchtkörper eine rote SV-Reaktion. Auch sind die Sporen verbunden niederwarzig.
•    Der Fleischrosa Täubling (R. roseoaurantia, syn. R. incarnata) besitzt niederwarzig teilnetzige Sporen, und die Epikutishaare sind dicker und kurzgliedrig.
•    Der Rubinrote Täubling (R. zvarae) hat immer einen irgendwo rötlichen Stiel, und die Epikutishaare sind voluminös und kurzgliedrig.
•    Der Rotstielige Reiftäubling (R. lilacea) besitzt einen lila-violetten Hut.

Literatur

•    EINHELLINGER, A. (1985): Die Gattung Russula in Bayern. In: Hoppea, Denkschr. Regensb. Bot. Ges. 43: Nr. 53.
•    GALLI, R. (1996): Le Russule: 274-275.
•    KIBBY, G. (2017): Mushrooms and Toadstools of Britain & Europe Vol. 1: 212-213.
•    KRIEGLSTEINER, G.J. (2000): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 2: 481-482.
•    KRÄNZLIN F. (2005): Pilze der Schweiz Bd. 6, Russulaceae: Nr. 128.
•    MICHAEL, M., Hennig, B. & Kreisel, H. (1983): Handbuch für Pilzfreunde Band V Blätterpilze – Milchlinge und Täublinge: Nr. 100.
•    MARXMÜLLER, H. (2014): Russularum Icones: 408-409.
•    SARNARI, M. (2005): Monografia illustrata del Genere Russula in Europa, Tomo Secondo: 1311-1317.
•    https://de.wikipedia.org/wiki/Zinnoberroter_Reif-T%C3%A4ubling
(abgerufen am 08.11.2023).
•    https://fundkorb.de/pilze/russula-emeticicolor-kleiner-zinnobert%C3%A4ubling

Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



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