Interessante Pilzfunde 97 - Stumpfer Saftling

Begonnen von Bernd Miggel, November 12, 2023, 19:31:35 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Bernd Miggel

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080


Einführung, Lebensweise und Verbreitung


Am 4. November 2023 unternahm der Mykol. AK Hornberg eine Pilzexkursion in der Nähe von Zell am Harmersbach, Baden-Württemberg. Auf einer Magerwiese am Rand eines Golfplatzes auf ca. 300 m Höhe fanden wir eine große Anzahl des Stumpfen Saftlings Hygrocybe chlorophana. Hunderte dotter- bis orangegelbe, teil im Gras verborgene Fruchtkörper, boten ein unbeschreibliches Bild.

Die Fruchtkörperfotos hat Alexander Reichert erstellt, vielen Dank dafür!


Bilder 1 und 2Hygrocybe chlorophana am Fundort, zwischen Gräsern einer Wiese am Rand eines Golfplatzes. Fotos Alexander Reichert.

Bernd Miggel

#1
Makroskopische Merkmale

Hygrocybe chlorophana
gehört mit Hutbreiten bis 8 cm zu den größeren Saftlingsarten. Die Hüte besitzen anfangs eine halbkugelige Form, breiten sich dann aber plankonvex bis plan aus. Sie sind zitronengelb, gelb oder orangegelb gefärbt, glatt, bei feuchter Witterung klebrig bis schleimig und glänzend. Stiel, Lamellen und Fleisch sind in etwa hutfarben. Der Stiel ist glatt und brüchig. Schneidet man einen Fruchtkörper längs durch, erkennt man, dass er hohl ist (Bild 3). Was für die Artbestimmung wichtig ist: Die Lamellen sind etwas dick, stehen etwas entfernt und sind stark mit Lamelletten untermischt, am Stiel schmal angeheftete oder ausgebuchtet angewachsen. Geruch und Geschmack sind unbedeutend.
Wie auch die meisten anderen Saftlingsarten bevorzugt unsere Art Magerwiesen, wo sie möglicherweise eine Mykorrhiza mit krautigen Pflanzen oder Gräsern eingeht. Die Rote Liste Deutschlands (2016) führt den Stumpfen Saftling in der Gefährdungskategorie V (Vorwarnliste).


Bild 3Hygrocybe chlorophana im Längsschnitt. Man erkennt die dünne Huttrama und den  hohlen Stiel. Foto: Alexander Reichert.

Bernd Miggel

#2
Mikroskopische Merkmale

Die Sporen sind ellipsoid, ovoid, angedeutet zylindrisch oder länglich, außerdem glatt, dünnwandig und hyalin. Von 50 ausgemessenen, repräsentativen Sporen erhielt ich folgende Ergebnisse (mit L Länge, B Breite, Q = L/B Schlankheitsgrad, V Volumen):
L X B = 6,8-8,7 x 4,4-5,8 µm    Q = 1,50-1,55    V = 100-110 µm3  


Bild 4 –  Hygrocybe chlorophana, Sporen in Wasser. Foto: Bernd Miggel.

Bernd Miggel

#3
Die Huthaut besteht aus einer dicken Lage verschleimter, aufwärts gerichteter Hyphen, einem Ixotrichoderm. Bild 5 zeigt einen Radialschnitt durch den Hut, beginnend oben mit der stark verschleimten Epikutis (violett), darunter eine Schicht dichterer Hyphen, vermutlich die Subkutis (dunkelblau), ganz unten die Huttrama (etwas heller blau). Der Mikrotomschnitt zeigt die einzelnen Hyphen leider nur andeutungsweise. Möglicherweise ist der Schnitt zu dick.

Bild 5 –  Hygrocybe chlorophana, Radialschnitt des Hutes. 30 µm dicker Mikrotomschnitt, gefärbt in Tannin-Eisen-Toluidinblau. Foto: Bernd Miggel.

Bernd Miggel

#4
Verwechslungsmöglichkeiten mit anderen gelben Saftlingen
•    Der  Spitzgebuckelte Saftling (Hygrocybe persistens) besitzt einen spitzgebuckelten Hut, einen faserigen Stiel und wesentlich größere Sporen.
•    Die Fruchtkörper des Gebrechlichen Saftlings (Hygrocybe ceracea) bleiben kleiner, besitzen herablaufende Lamellen und kleinere Sporen.

Literatur

•    BOERTMANN, D. (2000): The genus Hygrocybe. Fungi of Northern Europe, Vol. 1: 140-141.
•    BON, M. (1988): Pareys Buch der Pilze: 106-107.
•    BREITENBACH, J. & KRÄNZLIN F. (1991): Pilze der Schweiz Bd. 3: Nr. 81.
•    KIBBY, G. (2020): Mushrooms and Toadstools of Britain & Europe Vol. 2 : 24-25.
•    KRIEGLSTEINER, G.J. (2001): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 3: 43-45.
•    LUDWIG, E. (2012): Pilzkompendium Bd. 3: Nr. 108.6.A-C,
•    http://tintling.com/pilzbuch/arten/h/Hygrocybe_chlorophana.html
(abgerufen am 12.11.2023).
•    https://fundkorb.de/pilze/hygrocybe-chlorophana-stumpfer-saftling


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080
Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729

jcs

Hallo Bernd,

wieder einmal eine sehr spannende Dokumentation einer Pilzart, von der wohl die wenigsten gehört haben, mich eingeschlossen.

Eine Frage: Was sind Lamelletten?
LG
Jürgen

Bernd Miggel

Hi Jürgen,

das sind die verkürzten, die also nicht bis zum Stiel durchlaufen.

LG - Bernd