Lebt der Baum - vor allem welcher Teil?

Begonnen von rlu, Dezember 08, 2023, 12:11:18 NACHMITTAGS

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rlu

Hallo,

der größte Teil des Baumes besteht aus Xylem = Holz.
Dieses dient dem Wassertransport von den Wurzeln bis zur Baumkrone und als Stützelement.
Immer wieder sieht man Abbildungen mit Markstrahlen, die von außen nach innen zum Mark = Markparenchym verlaufen.

Frage: Ist dieses Markparenchym bei Bäumen noch aktiv und wenn ja, bei welchen und wie lange?

So weit ich es verstanden habe, soll das Markparenchym mit eingelagerten Speicherstoffen dem Baum helfen im Frühjahr auszutreiben.
Dann hört man von Holzzellen(Holzparenchym), die aktiv die Leitungsbündel des Xylems verblocken***, so dass der Wassertransport nur noch im Splintholz vollzogen wird. Dann sollen Gerbstoffe eingelagert werden, damit das Holz nicht fault. Splintholz ist das jüngste vom Kambium gebildete Xylem.

*** These: Könnten diese Zellen dann so arbeiten wie weiße Blutkörperchen?

Xylem = Holz, Kernholz = tot, Splintholz?
Pholem = Bast, lebt
zwei Kambiumbereiche, Wachstums-Schicht, lebt
1.Kambium zwischen Phloem und Xylem = Leitgewebe-Kambium
2.Kambium zwischen Kork und Rindenparenchym = Kork-Kambium
Parenchym = allgemeine Bezeichnung für lebendes Gewebe mit irgendeiner Funktion

HS = Holzstrahl = Markstrahlen, lebt/tot?
PA = Parenchymzelle, lebt/tot?
Markparenchym im Zentrum der "Torte"


https://www.forstbuch.de/produkt/anatomie-europaeischer-hoelzer-anatomy-of-european-woods-umfang-806seitenschweingruber-f
eingefärbt, so wie ich mir das vorstelle
Laubholz.jpg

wiki/bast
Querschnitt_Baum.jpg

weitere sehr gute Informationen:
Biologie Screencasts: Dreidimensionale Organisation der Sprossachse

Biologie Screencasts: Splint- und Kernholz

Biologie Screencasts: Jahresringe

Biologie Screencasts: Sekundäres Dickenwachstum der Sprossachse

aus Biologie Screencast: Sekundäres Dickenwachstum der Sprossachse
Biologie Screencast_Sekundäres Dickenwachstum der Sprossachse.jpg


Liebe Grüße
Rudolf

rlu

#1
Hallo Zusammen,

auch noch interessant: Xylella fastidiosa

wiki/Xylella_fastidiosa
Ist ein Baum befallen, besiedelt das Bakterium das Xylem und verstopft durch sein massenhaftes Auftreten die Leitungsbahnen. Wasser- und Nährstoffzufuhr werden zunehmend blockiert. Anfangs verfärben sich Blattspitzen und -ränder braun. Später verdorren Zweige, bis irgendwann der ganze Baum abstirbt. Befallene Pflanzen können jedoch auch monatelang symptomfrei bleiben
Alle aus dem Xylem saugenden Insekten in Europa sind potentielle Überträger des Bakteriums.

Pflanzensaft-Saugende_Insekten_als_Überträger.jpg
wiki/fastidiosa Zwergzikade, kann beim Saugen von Pflanzensäften das Bakterium in das Xylem der Pflanze übertragen

https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-09/xylella-bakterium-apulien-plage-olivenbaeume
Der Fluch der Sputacchina _ ZEIT ONLINE.jpg

Liebe Grüße
Rudolf



rlu

#2
Hallo,

im Botanischen Garten läuft, leider nur noch sehr kurz, die Ausstellung "Friends and Foes".
Hier geht es um Pflanzengesundheit und die Wechselwirkung zwischen Mikroben und Pflanzen.
Ein Forschungsteam aus LMU, TUM, Tübingen, u.a. forschen zu diesem Schwerpunkt.

Die Ausstellung zeigt spektakuläre Bilder zu diesen Themen und liefert auch gleich noch die Erklärungen dazu.
www.plantmicrobe.de

Erstaunlich wie das Immunsystem der Pflanzen funktioniert. Und warum es durch Züchtungen immer schlechter arbeitet.

Dr. Hann hat das Thema mit Olivenbäumen erwähnt und sich gewundert, warum sich die Bakterien in diesem nährstoffarmen Bereich aufhalten und die Xylemgänge verblocken.
Vielleicht wird dort nicht nur Wasser transportiert.???

Habe folgendes Bild gefunden, wo das Bakterium Xylella das Xylem der Pflanze blockiert.
https://www.researchgate.net/figure/Xylella-fastidiosa-bacteria-in-a-cross-section-of-petiole-xylem-vessel-affected-by-coffee_fig3_249303124
Xylella fastidiosa_research_gate.jpg


Ausstellung Friends and Foes im Botanischen Garten München
Botanischer Garten München-Nymphenburg » Friends and Foes – Interaktionen zwisch.jpg

Bild aus der Ausstellung:
Zitat"Wenn eine Zelle von einem Erreger infiziert wird, ändert sich die Anordnung des Aktin-Cytoskeletts. Es reorganisiert sich, um den Erreger zu bekämpfen.
Friends_and_Foes_Cytoskelett.jpg

rlu

Hallo,

hier, das ist auch noch spektakulär
https://youtu.be/ALnarOIxkAU?t=206
Biologie Screencasts: Splint- und Kernholz: Parenchymzellen wachsen via Tüpfel in Tracheen ein, um sie zu verstopfen.
Splint- und Kernholz.jpg

Deshalb wäre es schon gut zu wissen, inwieweit der Baum noch lebt und ob er noch noch aktive Elemente im Xylem besitzt.

Liebe Grüße
Rudolf

rlu

Hallo,

ich habe nun Antworten auf meine Fragen erhalten.
Vielen Dank an den Betreiber des Kanals: BiologieScreencasts.

Fragen
Ist das Markparenchym in der Mitte vom Baum noch aktiv?
Das Markparenchym soll dem Baum ja helfen im Frühjahr auszutreiben?
Haben die Markstrahlen dann noch andere Funktionen, z.B. gehören sie zum Immunsystem des Baums.
Wenn Parenchymzellen aktiv einwachsen, dann könnte man sich doch auch vorstellen, dass sie Krankheitserreger a la Xylella bekämpfen.
Das Xylem transportiert also nicht nur Wasser, sondern auch gelöste Nährstoffe(vmtl. Mineralien), vielleicht auch Zucker?
Sind Markstrahlen und Holzstrahlen das gleiche?


Antworten
• Bei einem Baumstamm ist das Markparenchym nicht mehr aktiv. In den Ästen hingegen, insbesondere wenn sie noch relativ dünn sind, ist das Markparenchym ein Speichergewebe.
• Die einzige Aufgabe der Markstrahlen ist der Transport von Zucker zwischen dem Phloem und dem Mark (radialer Transport).

• Pflanzen verfügen zwar über Abwehrmechanismen gegen Krankheitserreger. Diese Abwehrstrategien funktionieren jedoch ganz anders als das Immunsystem bei gewissen Tiergruppen.

• Theoretisch könnte eine Pflanze bei einer Infektion mit Xylella die Parenchymzellen in die Tracheen des Xylems einwachsen lassen, sie verstopfen und damit die Ausbreitung des Bakteriums stoppen. Allerdings könnte die Pflanze dann auch kein Wasser mehr transportieren und würde genau so absterben wie wenn Xylella den Wassertransport in den Tracheen blockiert. Der Effekt wäre damit der gleiche und der Pflanze nicht geholfen.

• Das Xylem transportiert ausschließlich Wasser und darin gelöste Nährstoffe, die über die Wurzeln aufgenommen wurden. Der Transport geht daher aus den Wurzeln über die Sprossachse zu den Blättern. Zucker, der über die Fotosynthese gebildet wurde, wird ein einem eigenen separaten Ferntransportsystem in der Pflanze verteilt, das als Phloem bezeichnet wird. Das Phloem transportiert den Zucker aus den Blättern zu den verbrauchenden/speicherenden Organen wie Früchten, Samen, Wurzeln oder dem Mark.

• Holz- und Markstrahlen sind fast dasselbe. Markstrahlen gehen durchgehend vom Phloem (aussen) bis zum Mark im Zentrum. Holzstrahlen hingegen werden im Verlauf des sekundären Dickenwachstums angelegt und damit zu einem späteren Zeitpunkt im Leben der Pflanze. Sie beginnen ebenfalls beim Phloem, enden blind im Xylem und gehen nicht bis ganz ins Zentrum. Die Zellen der Mark- und Holzstrahlen können auch Zucker in Form von Stärke speichern genau wie das Mark. Daher erfüllen auch die blind endenden Holzstrahlen eine Speicherfunktion, selbst wenn sie nicht bis ins Mark reichen.

Fahrenheit

Lieber Rudolf,

wie Du sicher gesehen hast, ist es schwierig, auf so eine Gemengelage sauber zu antworten und daher kommen oft eben keine Antwortet. Da ist es besser, die jeweiligen Fragen in einzelne Threads zu packen.

Die Fragen, die Du hier stellst, gehen alle in die Richtung "Physiologische Pflanzenanatomie" - also der Verknüpfung vom anatomischen Aufbau der Gewebe zu deren Funktion bzw. Aufgaben.
Ein gutes Buch hierzu ist der Eschrich (https://www.mikroskopie-bonn.de/literatur/index.html#a42), der manchmal auch aus dem Netz herunter geladen werden kann (dann bei mäßiger Bildqualität). 

Einige Ergänzungen von mir:

Bildung von Xylem und Phloem: Das Xylem bildet den Stam eines Baums und kann über die ganze Lebensdauer beträchtliche Dicken erreichen. Wie das markparenchym handelt es sich dabei nach innen hin in der Regel um totes Gewebe (auch die Xylemparenchymzellen sterben ab, am längsten leben die Zellen der verschiedenen Markstrahlen, die ja eine Transportaufgabe zu erfüllen haben.
Das sekundäre Dickenwachstum findet ausschließlich durch Teilung der Cambiumzellen statt. Wenn der Stamm also dicker wird, reisst das aussen vor dem Cambium liegende Phloem (wie alle anderen Gewebe ausserhalb des Cambiums auch) ein und geht unter. Es wird nach und nach abgestoßen (Periderm, Rinde als Stichwörter) und durch neue Zellen ersetzt. Somit ist immer nur soviel Phloem "in Betrieb" wie der Baum zum Stofftransport (Zucker, Stärke, sekundäre Pflanzenstoffe ...) braucht. Der Transport erfolgt übrigens aktiv (Stichwort Phloembeladung). Im Gegensatz zum Waseer- und Mineralstofftransport im Xylem, der passiv durch Verdunstung in den Blättern erfolgt.

Das markparenchym und das Xylem dienen im Stamm übrigens immer auch als Wasserspeicher.

Thyllen bildet eine Pflanze meist, wenn Tracheen oder Tracheiden durch mechanische Verletzungen beschädigt werden und Luft ziehen. Dann können sie ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen und werden "abgeriegelt" um weiteren Schaden in der Umgebung zu vermeiden und den Wassertransport wieder sicher zu stellen.
In wie weit sie bei einem Bakterienbefall entstehen, kann ich nicht sagen, aber bei Pilzbefall sind die Reaktionen der Pflanzen meist drastisch: die befallenen Zellen sklerifizieren und sterben ab. Manchmal gelingt es so, den Pilz einzudämmen, das betroffene Gewebe geht dabei unter.   

Herzliche Grüße
Jörg
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Zum Mitnehmen: Leitz SM
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lemmi

Guten Sonntagmorgen zusammen!

ich habe mit großem Interesse diesen thread verfolgt, vor allem dr Befall durch Xylella, den den Baum zum absterben bringt.

Seit mehreren Jahren habe ich Probleme in unserem Balkonkasten Lippenblütler zu kultivieren. Lavendel geht mir, im Frühjahr gepflanzt, nachdem er gut angewachsen ist und geblüht hat, regelmäßig im Spätsommer ein. Er vertrocknet einfach. Und ein großer Rosmarinbusch, der seit Jahren gut gedieh ist letztes Jahr zu Hälfte vertrocknet. Es sah aus, als hätte man ihn in der Mitte durchgeschnitten - eine Hälfte abgestorben, die andere grün. In diesem Spätsommer ist von der verbliebenen Hälfte wieder die Hälfte vertrocknet. Das Bild passt perfekt auf ein "verstopfte-Leitungsbahnen-Syndrom".

Allerdings habe ich nie Insekten an diesen Pflanzen gesehen, und was mir auffällt ist, dass beide betroffenen Pflanzen Lippenblütler sind (wobei ein in der Nachbarschaft wachsender Thymian und ein Oregano nicht betroffen sind). An anderen Balkonpflanzen, unter anderem einem Lorbeer und einem Liguster, habe ich keine vergleichbaren Probleme gehabt.

Hat jemand eine Idee was passiert sein könnte? Gibt es vielleicht Pilze/Bakterien, die die Leitungsbahnen verstopfen, die in der Erde vorhanden sein können?

Grüße
Thomas

Fahrenheit

Lieber Thomas,

mach doch mal einen entsprechenden Schnitt und schaue nach. Um hier fündig zu werden, bedarf es ja keiner Schau-Präparate, ein einfacher auskeilender Handschnitt zeigt oft schon, was los ist.

Beste Grüße
Jörg
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lemmi

Hallo Jörg,

daran hatte ich auch schon gedacht - aber ich habe keinerlei Erfahtung mit Botanischen Schnittpräparaten. Und mit was soll ich färben?

Gibt es dazu hier im forum eine Anleitung für "boody beginners"?

LG
Thomas

Fahrenheit

Lieber Thomas,

da kann ich Dir zwei Links auf den Webseiten des MKB empfehlen:

Botanische Dauerpräparate:
Erstellung pflanzlicher Dauerpräparate (mikroskopie-bonn.de)

Und für absolute Einsteiger mit einfachen Mitteln:
Von_der_Probe_zum_Praeparat_V1_5_170308.pdf (mikroskopie-bonn.de)

Die Autoren sind mir persönlich bekannt. :D

Wenn Du Fragen hast: gerne.

Beste Grüße
Jörg

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