Interessante Pilzfunde 99 – Braungestiefelter Risspilz

Begonnen von Bernd Miggel, Januar 12, 2024, 14:30:40 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080


Einführung, Lebensweise und Verbreitung


Heute möchte ich den seltenen Braungestiefelten Risspilz Inocybe melanopus vorstellen. Es handelt es sich um einen mittelgroßen, stämmigen, einzeln bis büschelig wachsenden Glattsporer mit bräunlichem, meist filzigem Hut und im reifen Zustand in der unteren Stielhälfte dunkelbraun verfärbendem Stiel. Er geht eine Mykorrhiza mit Nadel-, aber auch mit Laubbäumen ein und wächst auf sauren bis basischen Böden. In der Roten Liste Deutschlands 2016 wird die Art in der Kategorie ,,G" (Gefährdung unbekannten Ausmaßes) geführt.


Bilder 1 und 2 – Fruchtkörper am Fundort. Man erkennt die eingewachsen faserige bis filzige Hutbekleidung, außerdem bei reifen Fruchtkörpern den von unten her dunkelbraun verfärbten Stiel. Fotos: Hans Stern.

Bernd Miggel

#1
Hans Stern beobachtete die Art über mehrere Jahre hinweg an unterschiedlichen Standorten im ,,Germanswald" bei Villingen.
Sein Text: Die seltene Art wurde von mir am 22.06.2015 im Germanswald, MTB 7916/21 auf 730 m NN gefunden. Die Pilze standen im sauren Heidelbeer-Wald auf Erde mit geschlossenem Moosbewuchs. Das Grundgestein ist Granit und roter Sandstein. Den Baumbestand bilden Weißtanne (Abies alba), Fichte (Picea abies) und zerstreut Kiefer (Pinus sylvestris). Es gab zwei verschiedene Fundstellen: Am Krummbaumweg nach Abzweigung Jägerhütte zweiter Holzabfuhr Weg 10 Fruchtkörper, dann 300 Meter weiter die zweite Fundstelle mit 15 Fruchtkörpern, die teils büschelig wuchsen. An beiden Fundstellen im Umkreis von 50 Meter besteht der Baumbestand nur aus Picea abies.


Bild 3 – Lamellenansatz und -schneide sind gut erkennbar.
Bild 4 – Büscheliges Wachstum. Fotos: Hans Stern.

Bernd Miggel

#2
Makroskopische Merkmale (Text H. Stern)

Hut bis 58 mm Durchmesser, Hut nicht hygrophan, strohfarben erst halbkugelig, dann mit abgeknicktem Rand, Huthaut mit angedrückten Schüppchen, Cortina an jungen Fruchtkörpern vorhanden, am Hutrand noch bei älteren sichtbar. Lamellen jung weißlich alt mehr beige, mit schmaler weiß bewimperter Schneide. Stiel auf ganzer Länge weiß überfasert, später wird die untere Hälfte dunkel braun. Der Stiel war bei allen Fruchtkörpern krumm und zur Basis verdickt bis leicht knollig. Mit feinem Pilzgeruch (an Boletus edulis erinnernd) und mildem Geschmack. Fleisch bei jungen Fruchtkörpern weiß bei älteren blass-beige werdend.

Bild 5 – Habitus, Fleischfarbe, leicht knollige Stielbasis. Foto: Hans Stern.

Bernd Miggel

#3
Mikroskopische Merkmale

Sporen L x B = 7,8-8,6-9,3 x 4,8-5,2-5,7 µm, Schlankheitsgrad Q = L/B = 1,5-1,8, glatt, braun, mandelförmig, ohne Keimporus; Basidien mit 4 Sterigmen; Cheilozystiden und Pleurozystiden ähnlich in Form und Größe, einige mit Kristallschopf, Maße: 47-61 x 19-21µm, Wandstärke bis 1,3 µm; keine Kaulozystiden gefunden; Hyphen der Huthaut mit Schnallen, teils inkrustiert.

Bild 6 –  Mikromerkmale. Oben links hellbräunlichen Sporen, oben rechts inkrustierte Huthauthyphen, unten Hymenialzystiden. Fotos: Hans Stern.

Bernd Miggel

#4
Notizen
•    Die ehemalige Großgattung Inocybe wurde im Verlauf der letzten Jahrzehnte in mehrere Einzelgattungen aufgeteilt: Mallocybe, Inosperma, Pseudosperma und Inocybe, wobei in der Gattung Inocybe zusätzlich zwischen Glatt- und Höckersporern unterschieden wird. Inocybe melanopus gehört in dieser neuen Unterteilung zu den Glattsporern innerhalb der Gattung Inocybe.
•    Beim Aufsammeln von Risspilzen nie den Stiel anfassen, um die Kaulozystiden nicht zu zerdrücken.
•    Auch immer möglichst ganz junge Fruchtkörper mitnehmen, um die Velumverhältnisse später zu studieren.

Literatur
•    KRIEGLSTEINER, G. & GMINDER, A. (2010): Die Großpilze Baden-Württembergs, Bd. 5. Blätterpilze III: 419-420.
•    LUDWIG, E. (2017): Pilzkompendium Bd. 4: Nr. 130.36.
•    STANGL, J. (1989): Die Gattung Inocybe in Bayern. Hoppea Bd. 46. Regensburg: Nr. 62; Tafel 12-3.
•    https://www.inocybe.org/genus-inocybe-glattsporer-smooth-spored/melanopus/
•    (abgerufen am 11.01.2024).
•    https://fundkorb.de/pilze/inocybe-melanopus-braungestiefelter-risspilz


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



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jcs

Hallo Bernd,

wieder eine sehr gelungene und interessante Dokumentation. Bei jedem Deiner Beiträge ist wieder etwas Neues dabei. Schon spannend, wie viele unterschiedliche -iden es bei den Pilzen gibt!
LG
Jürgen

Bernd Miggel

Hallo Jürgen,

freut mich, dein Kommentar. Die Fülle an Pilzarten ist überwältigend. Wir haben sicher an die 5000 Arten in Deutschland. Bei den Flechten, die man durchaus zum Reich der Pilze zählen kann, haben wir sicherlich nochmal 2000 Arten. Da sind meine Portraits nur ein sehr bescheidener Beitrag zur Naturbeobachtung.

Viele Grüße
Bernd