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Biotop Vogelnest

Begonnen von Gerd Schmahl, Januar 12, 2024, 22:54:12 NACHMITTAGS

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Gerd Schmahl

Hallo,
nachdem ich mich Ende '22/Anfang '23 sehr intensiv mit Vogelflöhen beschäftigt habe und verschieden Präparationsmethoden (Mazeration in NaOH, Aufhellung mit Wintergreenoil) erprobte, habe ich mich jetzt mal den anderen Bewohnern von Vogelnestern zugewandt. Damit mich nichts "anspringt" habe ich ein Nest aus einem Nistkasten, das überwiegend aus Moos bestand mit 70%igem Alkohol übergossen, zerpflückt und den Sud durch zwei Siebe gegossen: eine grobes mit ca. 2mm Maschenweite und ein sehr feines mit 65µm Maschenweite (Planktonnetz). Was auf dem feinen Sieb hängen blieb habe ich unter dem Stereomikroskop augelesen.
Hier ein paar der Funde:
Wie zu erwarten, waren zahlreiche Milben zu finden. Die Hornmilben kannte ich schon aus den Moosproben, die ich nach Bärtierchen untersucht hatte:
Hornmilbe.jpg

Hier eine andere von mir nicht näher bestimmte Milbe:
Mikbe.jpg

Besonders spannend fand ich eine Raubmilbe mit interessanten (?)Sinnesorganen an den martialischen Mundwerkzeugen:
RaubmilbeStak.jpg

Was natürlich zahlreich zu finden war, waren Federreste:
Federstrahlen.JPG

Auch Sternhaare von Pflanzen waren zu finden:
Sternhaar.JPG

Ebenso wie Flügelschuppen von Schmetterlingen:
Schmetterlingsschuppe.JPG

...und Deckflügel von Käfern:
Elytron-Käfer.JPG

Auch ein Mäusehaar war dabei:
HaarEchteMaus.JPG

Recht häufig war ein Problematikum, das ich nicht sicher zuordnen kann. Vielleicht was Pflanzliches?
Problimatikum.JPG

Sehr häufig waren Springschwänze, die ich aber auf Grund ihrer Größe nur im Stereomikroskop anschauen konnte und deshalb nicht fotografiert habe.

Zwei Objekte, die ich erwarte habe, konnte ich in diesem ersten untersuchten Nest leider nicht finden: (Pfeil-)Haare von Speckkäferlarven und Afterskorpione.

LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Jakob_Wittmann

Guten Morgen Gerd,

danke für das Zeigen. Es ist faszinierend, was man alles in einem Vogelnest finden kann. Eine gute Idee, ein solches Biotop mikroskopisch  im wahrsten Sinn de Wortes –,,unter die Lupe zu nehmen" ...

Bei den nicht bestimmten Objekten (letztes Bild) halte ich es für nicht ausgeschlossen, dass es sich dabei Sporen der Gattung Glomus handeln könnte.

Von Mykorrhizapilzen also. Wenn man z. B. im verlinkten Dokument die Abbildungen betrachtet, ist meiner Meinung nach eine Ähnlichkeit festzustellen:

https://www.zobodat.at/pdf/OestZPilz_24_0015-0022.pdf



Liebe Grüße

Jakob

 
jakob.wittmann@hotmail.com


,,Ein Leben mit nur einem schwarzen Mikroskop ist möglich aber sinnlos."

Bernhard-Viktor ,,Vicco" Christoph-Carl von Bülow zugeschrieben

Siegfried

#2
Hallo Gerd
Ein sehr interessanter Beitrag. Gerade unsere unmittelbare Umgebung zu untersuchen ist eigentlich das Nächstliegende. Wird auch von mir immer vernachlässigt. Aber eine Anregung jetzt für mich. Ich hatte ja voriges Jahr das Falkenpaar hier bei mir und hatte mir gefundene Gewölle aufgesammelt zum untersuchen. Hab ich bis jetzt noch nicht gemacht. Mal schauen ob ich die Proben noch finde oder ob sie meine Frau (aufgeräumt  ;) hat)?

Falkennachwuchs2-Flaum.JPG


Zusammen_Bildgröße ändern.JPG


   Gruß von Siegfried
PS: Mit Gewölle meine ich das nicht zu verdauende, was wieder ausgespuckt wird.

dicentra

Hallo Gerd,

könnte es sich bei der dir als Raubmilbe bezeichnete Milbe nicht auch um ein Männchen aus der Familie der Hypoderatidae handeln? Die haben monströs vergrößerte Cheliceren, die zur Nahrungsaufnahme völlig ungeeignet sind, aber bei der Paarung eine Rolle spielen.

Wer sich für die nicht ganz einfachen Lebenszyklen der Bindegewebsmilben interessiert findet im Artikel von Wurst und Pavelka im MiKo 1998, Heft 5 auf den Seiten 263-273 einen sehr lesenswerten Artikel, der auch ein Bild dieses Typs von Männchen zeigt.

Viele Grüße!

Oli

SNoK / Stephan Krall

Lieber Gerd,

ich habe in meiner Diplomarbeit 1979/80 Nester der Stadttaube Columba livia domestica untersucht und mein Kommilitone die Nester von anderen Vogelarten, u. a. Meisen und Amseln. Nach kurzer Zeit war er ganz neidisch auf mich, denn die Nester der Stadttauben wimmeln von Arthropoden. Das liegt daran, dass die Stadttauben die reinsten Dreckschleudern sind. Tote Jungtiere bleiben im Nest, der Kot ebenso. Die anderen Vogelarten sind total reinlich. Wenn du also viel finden willst, dann nehme ein Nest der Stadttaube. Ich habe die Arthropoden seinerzeit mit selbstgebauten Apparaten nach Tullgren ausgelesen und dann unter dem Stereomikroskop bestimmt. Es waren über 100 Arten. Bei Bedarf schicke ich dir die Arbeit. Es waren übrigens, wie ich dir an anderer Stelle schrieb, viele Vorratsschädlinge in den Nestern.

Viele Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK), Lomo MBD-1 ("Für-alle-Fälle-Mikroskop")
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

Gerd Schmahl

Hallo Oli,
das ist ja ein sehr interessanter Artikel im MiKo, auf den Du hier aufmerksam machst. Tja, das ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass das so ein Bindegewebsmilben-Männchen ist, aber die nach innen gerichteten Kieferklauen schienen mir eindeutig zum Fang anderer Tiere dienlich. Ich habe bei der Tübinger Mikroskopischen Gesellschaft ein Foto von Alfons Renz gefunden mit einer Erklärung dazu, die eher meine These der Raubmilbe stützt. Auch hier sind die Sinnesorgane neben den Klauen erkennbar und ebenso zwei lange Tasthaare an jedem Fuß:Raubmilbe (Cheyletus eruditus)
LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Gerd Schmahl

#6
Hallo,
ich habe heute noch mehrere der schönen Raubmilben gefunden und nochmal die schönen Kieferklauen fotografiert. Es sind Staks, die mit PICOLAY zu Anaglyphenbilder verrechnet wurden.

Hier der Kopf:
RaubmilbeKopf-Rot-Cyan-1200.jpg

Und hier die Klaue mit den Sinnesorganen:
SPlanApo40-Raubmilbe-Rot-Cyan-1200.jpg

Die roten Problematika halte ich inzwischen für Flechten. Anders als in den ersten Bildern suggeriert, handelt es sich nicht um Kügelchen, sondern um schüsselförmige Gebilde. Ich meine auch Grünalgen erkennen zu können (links unten). Da das in Rot-Cyan bei roten Objekten nicht funktioniert, gibt 's ein Bild für den Kreuzblick:
Flechte.jpg

Beste Grüße aus dem Vogelnest
Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Gerd Schmahl

#7
Ach, und eben ist mir noch ein schöne Milbe begegnet, die ich zu den Zecken stecken würde. Zumindest hat sie auch zwei deutliche Stigmen und so etwas wie einen Stachel., aber auch ein beeindruckend muskulöses 3. Beinpaar mit einer interessanten Kralle, während die übrigen Beinpaare die "üblichen" Haftscheiben aufweisen. Was es nicht alles gibt!
Hier ein Übersichtsbild mit teilweise gekreuzten Polarisatoren:
Zecke.JPG

Und hier der Kopf in 3-D:
Zecke-Rot-Cyan1200.jpg

Viel Freude beim Betrachten!
Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

dicentra

Hallo Gerd,

deine Einwände zur Raubmilbe kann ich nachvollziehen, aber vielleicht kann ich bei deinem "neuen" Tierchen etwas beitragen? Das ist ja ein tolles Exemplar! Es handelt sich aber definitiv nicht um eine Zecke. Ich würde es für eine Federmilbe aus der Gattung Analges halten. 
Halt uns weiter auf dem laufenden, was du so findest!

Schöne Grüße!

Oli


Gerd Schmahl

Hallo Oli,
herzlichen Dank für die Einordnung der Federmilbe.
Heute habe ich noch mal ein weiteres Nest zerpflückt. Im mikroskopischen Bereich war es etwas enttäuschend, nach dem es im makroskopischen Bereich schon etwas "speziell" war: Ich habe die Skelette von 3 Jungvögeln und einem Altvogel einer Meisenart gefunden und 2 nicht ausgebrütete Eier, die noch ganz waren. Es gab etliche leere Fliegenpuppenhüllen und selbst die Federn waren nur noch in Relikten vorhanden.

Nach dem Sieben und Überführen in eine große Petrischale, schwamm Einiges als Haut auf der Oberfläche. Da kam das "Schwimmende Deckglas" zum Einsatz, das ich von der Tümpelei her gut kenne. Es gab jede Menge Insektenschuppen, Sternhaar und auch sehr viel recht kleine Milben, bzw deren leere Hüllen. Deshalb schwammen sie mit Luftfüllung oben, waren dadurch aber anderseits auch nicht wirklich fotogen.

Aus dem Satz vom Grund habe ich zwei Pflanzenteile gesammelt, von denen ich denke, dass sie zu den Sporenkapseln von Moosen gehören, denn auch dieses Nest bestand zu 90% aus Moos.
Mooshütchen.jpg
Moosteil.JPG

LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Michael K.

Hallo Gerd,

Das letzte Bild von der Milbe (Zecke) in 3D gefällt mir. Es kommt richtig zu Geltung wenn man es in Originalgrösse betrachtet.

Danke für zeigen!



LG
Michael

Gerd Schmahl

Hallo,
hier habe ich noch eine weitere Milbe:
Milbe3-800Pix.jpg

und eine Staublaus (Rot-Cyan-Brille aufsetzen!):
Staublaus-Rot-Cyan-800.jpg

LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Gerd Schmahl

#12
Hallo,
heute bin ich endlich mal dazu gekommen, eine Fliege zu fotografieren, die ich vor ca. 2 Wochen in MALINOL eingedeckt habe nach dem sie eine Mareration in NaOH-Lösung genossen hat. Auch sie stammt aus dem Vogelnest:
Fliege-aus-Vogelnest-SPA10-Pano-aus6-800.jpg

Das ist natürlich ein schlaffe Chitinhülle, die zu einem sehr flachen Präparat gepresst ist und von der ursprünglichen Körperform stark abweicht. Trotzdem zeigt das Präparat interessante Detail. Hier die Kopfpartie:
Kopf.jpg

Aus diesem Foto ein fast 100%-Crop des Fühleransatzes:
Kopfpartie mit Fühler.jpg

Besonders interessant finde ich, dass fast alle Haare, die auf den ersten Blick wie Dornen aussehen, bei näherer Betrachtung ihrerseits nochmal behaart sind, also eher Federn gleichen. So auch hier am Flügelansatz:

Flügelbasis-gefiederteHaare.jpg

Das Gleiche nochmal in 3D für die Ananglyphenbrille:
Flügelbasis-gefiederteHaare-3D.jpg

LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Heiko

Hallo Gerd,
top Ergebnis, und die Totale mit lithographischer Anmutung – exzellent.
Gruß, Heiko