Prüfung der Kondensor- und Objektivausleuchtung: Die Austrittspupillen-Lupe

Begonnen von Lupus, Februar 17, 2024, 20:25:15 NACHMITTAGS

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Lupus

Hallo,

ein nicht seltenes Problem ist eine falsch eingestellte Kondensor-Aperturblende, dessen schlechte Ausleuchtung oder die nicht optimale Höheneinstellung des Kondensors. Ohne visuelle Prüfung der Austrittspupillenfläche des Objektives ist das eigentlich nicht feststellbar. Das wussten bereits die Mikroskopiker in der 1. Hälfte des 19. Jh.. Durch den später eingeführten Begriff der "kritischen Beleuchtung" wurde die optimale Zentrierung der Beleuchtung und Einstellung der Aperturblende auf den Wert der numerischen Apertur des Objektives (oder etwas geringer bei geeigneten, kontrastärmeren Phasenobjekten) allgemeiner Kenntnisstand.

Damals war der Blick in den okularlosen Tubus die übliche Prüfmethode, heute gibt es bei sehr gut ausgestatteten Mikroskopen mit Phasenkontrasteinrichtung einschwenkbare Linsen (Bertrand-Linse) um die Austrittspupille durch das Okular betrachten zu können. Eine einfache Alternative zur Beobachtung ist das Einstellfernrohr, das aber den Nachteil hat dass man dazu jeweils das Okular entfernen muss. Eine andere Alternative die seltsamerweise weniger bekannt ist, speziell wenn es nicht nur um die Justierung der Phasenblenden geht sondern um regelmäßigere Kontrolle der Ausleuchtung, ist die Beobachtung der Okularaustrittspupille mit Hilfe einer Lupe. Denn die Austrittspupille hinter der Augenlinse des Okulars ist nichts anderes als das vom Okular projizierte Bild der Austrittspupille des Objektives, und auf dessen Ausleuchtung kommt es ja an. Diese Pupille wiederum ist (im Idealfall) das Bild der Aperturblende des Kondensors wenn sich die Aperturblende in der vorderen Brennebene des Kondensors befindet, und die Austrittspupille sich in der Praxis sehr nahe an der hinteren Brennebene des Objektives befindet.

Die Austrittspupille des Okulars hat einen ziemlich kleinen Durchmesser, jeder sollte sie eigentlich schon einmal mit Hilfe z.B. eines weißen Papierstückes beobachtet haben. In der Regel liegt der Durchmesser je nach Objektiv (Verhältnis Brennweite/NA) und Okularvergrößerung bei etwa 1/2 bis 1 mm. Entsprechend stark vergrößernd sollte auch die Lupe sein um die Austrittspupille bequem zu beobachten. Optimal wäre eine Vergrößerung von über 20fach.

Einen interessanten Artikel zu dem Thema hat Julius Rheinberg, der Erfinder der Rheinberg-Beleuchtung, geschrieben. Er schlug vor, eine kurzbrennweitige Linse mit einer Abstandshalterung zum Okular zu verwenden (er nutzte ein einfaches Objektiv eines Kindermikroskops mit etwa 6.5 mm Brennweite). Die in seinem Artikel erwähnte Blende von 1-2 mm Durchmesser ist wichtig zur Verbesserung der Bildqualität und Zentrierung der Blickrichtung.

Rheinberg Viewing Diffraction Spectra Ocular 2.jpg

Ich selbst verwende als preiswerte Lupe ein fernöstliches Okular mit 25x Vergrößerung. Als Abstandshalter zum Okular nutze ich einen kurzen Abschnitt eines PVC-Elektrorohres aus dem Baumarkt mit etwas geringerem Durchmesser als die 23.2 mm der Steckhülse. Der eingesägte Schlitz macht die Hülse elastisch und sorgt i.V. mit einem umwickelten Tesaband für ausreichend hohe Gleitreibung zur Höhenjustierung. Die Blende über der Augenlinse hat etwa 1.5 mm Durchmesser. Man kann diese Lupe problemlos auf das Mikroskopokular auflegen und leicht zentrieren.

Austrittspupillenlupe.jpg

Man könnte natürlich auch zusätzlich z.B. mit Hilfe eines 3D-Druck Bauteiles das Ganze mit Zentrierfassung am Okular konstruieren, aber in der Praxis reicht der vorfixierte Abstand zum Beobachten aus. Gegenüber einem Einstellfernrohr besteht der schon erwähnte Vorteil der unkomplizierten und spontanen Verwendung ohne Umstecken des Okulars.

Die Beobachtung der Objektiv-Austrittspupille ist nicht unbedingt nur etwas für Spezialisten mit teurer Mikroskopausstattung. Im Gegenteil, gerade bei der Verwendung einfacherer Mikroskope mit billigeren Bauteilen entstehen oft ungeahnte Fehler bei der Einstellung des Mikroskops. Beispielsweise haben nicht aplanatische Kondensoren eine deutliche sphärische Aberration, die sich speziell bei der Verwendung einer Leuchtfeldblende in Verbindung mit Objektiven hoher NA nachteilig auswirken kann.

Als Demonstrationsbeispiel habe ich eine Fotoserie der Objektiv-Austrittspupille an einem Leitz HM Schülermikroskop gemacht. Das Mikroskop ist gut transportabel und sehr praktisch als Exkursionsmikroskop. Es hat einen Steckkondensor, mein Exemplar einen einfachen einlinsigen Kondensor mit einer NA von 0.65 was eigentlich gut zum stärksten Objektiv 40/0.65 passt.

Leitz HM Kondensor.jpg

Nun kann man einerseits natürlich die Aperturblende nach Gefühl einstellen, aber meine Erfahrung ist dass gerade Anfänger dazu neigen, die Blende viel zu stark zu schließen um ein scheinbar optimal kontrastreiches Bild zu erhalten. Die bekannte Faustregel, bis auf max. 2/3 der vollen Apertur abzublenden (besser weniger) wird da gerne nicht eingehalten. Eine schnelle Kontrolle kann hier nicht schaden.

Und andererseits ist auch (oder gerade) bei solchen einfachen Kondensoren die richtige Höheneinstellung wichtig. Den Effekt der Kondensorhöhe sieht man in der Fotoserie. Ich habe hier vereinfacht mit Smartphone in den okularlosen Tubus fotografiert und dazu den digitalen Zoom maximal ausgenutzt, daher das etwas verrauschte und nicht ganz scharfe Bild, auch mit etwas Überstrahlung der Austrittspupillenfläche.

In der oberen Reihe sieht man das Pupillenbild bei ganz nach oben eingestelltem Kondensor und von links nach recht zunehmend geöffneter Aperturblende. Bei Annäherung an die optimale offene Aperturblende entsteht ein zusätzlicher Lichtring außen, die Fläche wird nicht homogen ausgeleuchtet. Bei deutlich geringerer Kondensorhöhe ist die Ausleuchtung homogen (untere Reihe), aber der Durchmesser zu klein für das Objektiv. Nur in einem engen Zwischenbereich lässt sich eine homogene Ausleuchtung bei (fast) optimaler NA erreichen.

Übersicht Kondensorstellung Aperturblende.jpg

Natürlich ist das Ganze in der Praxis bei unkritischen Anwendungen nicht problematisch, ich wollte primär zeigen dass es sich lohnen kann mit einfachen Hilfsmitteln die Beleuchtungseinstellungen zu überprüfen und zu optimieren. Das gilt auch bei Basteleien an der Beleuchtungseinrichtung. Oder beim Erkennen dass der Kondensor mit der falschen Hilfslinse verwendet wird oder auf einen anderen Lichtquellenabstand ausgelegt ist.

Hubert

olaf.med

Lieber Hubert,

zu Deinem schönen und sehr informativen Beitrag habe ich eine kleine historische Anmerkung. Die Betrachtung der Austrittspupille des Okulars wurde auch schon sehr früh von den Kristallographen für die Betrachtung von Interferenzbildern (Achsenbildern) genutzt. Das dafür gestaltete Hilfmittel wird als "Kleinsche Lupe" bezeichnet (nach Carl Klein, 1842-1907, Professor für Kristallographie in Göttingen und Berlin und begnadeter Ideengeber für innovative Mikroskop-Konstruktionen und besondere Zusatzgeräte). Hier sieht man eine solche ,,Kleinsche Lupe" (rechts) von der Fa. R. Fuess in Berlin aus der Zeit um 1900, die in Verbindung mit einem Ramsden-Okular (links) verwendet wird. Eine Mikrometer-Strichplatte in der Austrittspupille erlaubt dabei präzise Messungen im Achsenbild.

28.jpg

Im zeitgenössischen Stich (Montage zweier Originalstiche, die die Kombination der Kleinschen Lupe mit dem Ramsden-Okular zeigt) sieht man die Messplatte (M), die durch die beiden Knöpfe k/k1 zur Fokussierung in der Höhe verschiebbar ist.

Klein.jpg

Später wurden solche Kleinschen Lupen mit wechselbaren Einsätzen als Zubehör für Polarisationsmikroskope von verschiedenen Firmen angeboten, hier eine von Leitz aus dem zweiten Quartal des 20. Jahrhunderts.

R.jpg

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

purkinje

Hallo Hubert,

schön gemachter Beitrag, erinnerte mich irgendwie an die "Unterweisungen" an meinem ersten gescheiten Mikroskop durch eine alte Tierärztin  ;), wird viel zu selten und schon gar nicht so gut illustriert erklärt.
Die klasse Möglichkeit der Wiederverwertung von 20 oder 25x Okularen erspart einem die Anschaffung von recht teuren Hilfsmikroskopen.

Auch der 2-linsige einfachere Kondensor von Leitz n.A: 1,2 bringt trocken nur eine Beleuchtungsapertur von 0,7.

Diesen hatten wir, auch an einem Reisemikroskop für Urlaub am Meer, noch mit matt beklebter Frontlinse um mit einem 63/0,85 Objektiv etwas hinreichender ausleuchten zu können. Natürlich kann man diesen Kondensor auch einfach mit Wasser immergieren. 
Irgendwo sah ich auch einmal die Variante der matt beklebten Kondensorfrontlinse unter Aussparung eines ca 2mm Spaltes in der Mitte, erinnerte dann irgendwie an den ungarischen 3-D-Kondensor. Bei diesem ist aber die mattierte Spaltblende unten brennebenennah angebracht.

Julius Rheinberg scheint, auch jenseits der bekannten Farbkontrastmethode, ein interessanter Mann gewesen zu sein. So gründete der Brite 1914 mit seinem Bruder Ernest ein Firma, welche bis heute besteht (Graticules Optics Ltd.). Auch hat er z.B. eine Methode zur Platinbeschichtung für halbdurchlässige Spiegel und sehr fein gekörnte Fotoemulsionen entwickelt.
Politisch interessant finde ich, dass er in der deutschen Mikroskopikerliteratur der 1920er und 30er Jahre m. W. nicht erwähnt wird, seine optische Produktion für die britische Armee im WKI könnte hierfür ein naheliegender Grund sein. (Einen Wikipedia-Eintrag scheint es ja bis heute nicht zu geben)

Beste Grüße Stefan 




Lupus

Hallo Olaf,

mich hat der Stich mit dem Querschnitt der Kleinschen Lupe gleich an die diversen Lupenformen erinnert, die man früher konstruiert hat um mit einfachen Plankonvexlinsen eine bessere Abbildungsqualität zu erreichen. Die abgebildete Kombination mit den zugewandten konvexen Linsenseiten wurde z.B. als Fraunhofersche Lupe bezeichnet. Und es hat mich an die Möglichkeit erinnert, selbst billigst eine solche, relativ stark vergrößernde Lupe zur Beobachtung der Austritspupille zu bauen.

Zwar hat mein fernöstliches 25x Okular nur etwa 8.- € gekostet, aber es geht noch etwas billiger: Vor dem Kauf habe ich mit Acryllinsen von AstroMedia experimentiert (davon habe ich immer eine breite Palette in meiner Optik-Kiste). Meine einfache Lösung für eine solche, etwa 30x vergrößernde Lupe mit zwei aufeinander gesetzten Linsen von 15 mm Brennweite ist hier zu sehen:

Austritspupillen Lupe.jpg

Der Außendurchmesser der Linsen von 16.5 mm passt gut in ein anderes Elektrorohr vom Baumarkt. Die Sprengringe zum Fixieren der Linsen und der Blende sind ebenfalls aus dem Rohrmaterial gesägt. Durch Verschieben der ganzen Einheit innerhalb des Rohrs lässt sich die Fokuslage wieder an das verwendete Okular anpassen. Durch den umlaufenden zylindrischen Rand der Linsen lassen sich diese auch perfekt zentriert senkrecht zur optischen Achse montieren.

Ein Bild der Austrittspupille mit dieser Lupe auf dem Okular des Leitz HM - wieder etwas unsauber zentriert von Hand mit Smartphone aufgenommen:

Austrittspupille Leitz HM Acryllinsen.jpg


Noch eine kleine, etwas dazu passende historische "Anekdote" von Nelson im Journal of the Royal Microscopical Society 1907, über die Verwendung von kurzbrennweitigen astronomischen Okularen als  starke Lupe bzw. Mikroskopobjektiv:

Nelson Okular als Lupe 1907 .jpg

Viele solcher Artikel von nicht berufsmäßigen Mikroskop-Fachleuten wie Nelson und Rheinberg in der damals sehr wichtigen Fachzeitschrift JRMS betreffen ähnliche technisch-mikroskopische "Randthemen".  ;)

Hubert

Lupus

Hallo Stefan,

ZitatJulius Rheinberg scheint, auch jenseits der bekannten Farbkontrastmethode, ein interessanter Mann gewesen zu sein.
... Politisch interessant finde ich, dass er in der deutschen Mikroskopikerliteratur der 1920er und 30er Jahre m. W. nicht erwähnt wird, seine optische Produktion für die britische Armee im WKI könnte hierfür ein naheliegender Grund sein.
ich denke eher dass er - außer durch die Rheinberg-Beleuchtung - allgemein nicht sehr bekannt war, nicht nur in Deutschland. Anders ausgedrückt, sein eigenes mikroskopisches Wirken war nach der Publikation der Rheinberg-Filter relativ beschränkt, ihn interessierten wohl allgemeinere technische Themen. Ein Beispiel für einen seiner Artikel 1912, wo er sich eher sehr allgemein mit Problemen der Mikroskopie beschäftigte:
Rheinberg Englische vs Kontinentale Mikroskopstative.pdf

Mit dem Thema der Produkte seiner früheren Firma beschäftigt sich dieser Beitrag:
https://ia600708.us.archive.org/view_archive.php?archive=/28/items/crossref-pre-1923-scholarly-works/10.1088%252F1475-4878%252F12%252F1%252F301.zip&file=10.1088%252F1475-4878%252F20%252F8%252F301.pdf

Hubert

rhamvossen

Hallo Hubert,

Vielen Dank für diesen sehr nützlichen Beitrag. Es kann nicht oft genug gesagt werden, wie wichtig es ist, die Ausleuchtung des Objektivs regelmäßig zu überprüfen.

Zitataber meine Erfahrung ist dass gerade Anfänger dazu neigen, die Blende viel zu stark zu schließen

Nicht nur die Anfänger. An unserem Institut wird es viele Labormitarbeiter geben, die glauben, dass die Aperturblende der Regulierung der Lichtintensität dient.......... ::)

Beste Grüsse,

Rolf