Botanik: Winter-Jasmin - Jasminum nudiflorum *

Begonnen von Fahrenheit, Februar 19, 2024, 20:28:47 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

dieser Tage sieht man bei uns in den Gärten oder auch schon mal verwildert einen seltsamen Strauch, der im auf den ersten Blick mit seinen grünen Zweigen ein wenig dem Ginster ähnelt. Zumal er gerade auch gelbe Blüten trägt. Es handelt sich um den Winter-Jasmin (Jasminum nudiflorum, Syn.: Jasminum sieboldianum Blume), eine der wenigen Arten in der Gattung Jasminum, die nicht duften. Gerade die Ähnlichkeit der Sprosse mit dem Ginster hat mich dazu bewogen, doch mal eine Probe zu schneiden.


Aber wie immer zunächst ein paar Worte zur Pflanze selbst!

Der Winter-Jasmin, Nacktblütiger Jasmin, Gelber Winterjasmin oder Echter Winterjasmin genannt, gehört zur Pflanzengattung Jasminum in der Familie der Ölbaumgewächse (Oleaceae). Ungewöhnlich ist seine in die Wintermonate fallende Blütezeit.

Bild 1: Winter-Jasmin mit Blüten


Er stammt ursprünglich aus den nördlichen und westlichen chinesischen Provinzen Gansu, Shaanxi, Sichuan, dem südöstlichen Tibet und dem nordwestlichen Yunnan. Er wächst in Dickichten, an Hängen und in Schluchten in Höhenlagen zwischen 800 bis hinauf zu 4500 m Höhe.
1844 gelangte er erstmalig nach Europa und heute ist er als Zierpflanze in Parks und Gärten der gemäßigten Breiten zu finden. In Frankreich tritt er sogar beständig verwildert auf. Der Winter-Jasmin wird in Europa, wie schon seit alters her in China, wegen seiner im Winter erscheinenden Blüten als Zierpflanze kultiviert. In Mitteleuropa friert er bei starken Frösten zurück und sollte daher an geschützten Stellen oder Wänden, die auch den Zweigen eine Stütze bieten, gepflanzt werden. Die Art ist auch für Wintergärten geeignet.

Jasminum nudiflorum ist ein sommergrüner, breitwüchsiger Strauch mit grünen, vierkantigen, bogig-niederliegenden Zweigen, die, wenn sie den Boden berühren, anwurzeln. Dadurch kann der Winter-Jasmin wirre, dichte Büsche bilden. Als Spreizklimmer erreicht Wuchshöhen von etwa 2 Metern (mit Kletterhilfe auch bis zu 5 m).

Bild 2: Frischer Spross und Blätter vom Winter-Jasmin

Aus Wikipedia, User Pancrat, CC BY-SA 3.0

Seine glänzend grünen, kurz gestielten Laubblätter sind gegenständig und meist dreiteilig gefiedert, manchmal ,,unifoliolat": mit nur einem Blättchen. Die ganzrandigen, sitzenden, kahlen Blättchen sind eiförmig bis elliptisch oder verkehrt-eiförmig und 1 bis 3 cm lang. Aufgrund der grünen Zweige sieht der Strauch aus, als sei er immergrün, doch er wirft im Herbst seine Blätter ab.

Bild 3: Blüten des Winter-Jasmins



Jasminum nudiflorum ist heterostyl - es werden innerhalb einer Art unterschiedliche Blütentypen Griffelformen) ausgebildet, um die Fremdbestäubung zu fördern. Leider habe ich keine passenden Beispiele fotografieren können. Die Blüten erscheinen in den Wintermonaten vor dem Blattaustrieb und stehen einzeln und achselständig an den kahlen, vorjährigen Zweigen (auf diese Eigenschaft weist auch das Epitheton ,,nudiflorum" = ,,nacktblütig" hin). Im Gegensatz zu fast allen anderen Vertretern der Familie duften die Blüten nicht und die Hauptblütezeit ist von Dezember bis April. Bei milden Temperaturen zeigt der Winter-Jasmin seine Blüten schon vor Weihnachten. Bei stärkerem Frost erfrieren die Blüten, treiben aber nach.
Der Blütenstiel ist 2 bis 3 mm lang. Die gelben, zwittrigen Blüten mit doppelter Blütenhülle messen im Durchmesser etwa 2 bis 2,5 cm und sind fünf- oder sechszählig. Die fünf oder sechs Kelchblätter sind grün, kurz becherförmig mit langen Zipfeln. Fünf oder sechs Kronblätter sind zu einer stieltellerförmigen Blütenkrone verwachsen. Die Kronröhre ist etwa 8 bis 20 mm lang, mit kürzeren, dachigen Lappen. In jeder Blüte sind nur zwei Staubblätter vorhanden. Der zweikammerige Fruchtknoten ist oberständig mit schlankem Griffel.

Bild 4: Blüten und Blätter des Winter-Jasmins am Ende der Blütezeit

Aus Wikipedia, User Wildfire, CC BY-SA 2.5

Es werden leicht transparente, ein- bis zweisamige, eiförmige bis ellipsoide, kahle Beeren mit beständigem Kelch gebildet, die bis 6 mm lang sind und einen Durchmesser von 3 bis 4 mm haben.

Literatur:
Anatomy of the Dicotyledons; Metcalfe & Chalk; Vol II, S. 899 ff; Oleaceae
Wikipedia: Winter-Jasmin


Kurz zur Präparation

Die Probe eines Sprosses aus "Nachbars Garten" habe ich frisch und freistehend auf dem "Tempelchen" geschnitten. Wie immer mit Leica Einmalklingen 818 im SHK Halter bei einer Schnittdicke von ca. 50 µm. Die anschließende Schnittfixierung in AFE dauert ca. 60 Minuten.

Zwischenzeitlich habe ich einige Aufnahmen vom frischen, ungefärbten Schnitt gemacht.

Nach stufenweiser Überführung in Aqua dest. habe ich mit W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller für 8 min mit einmaligen Erhitzen bis vor den Siedepunkt gefärbt und mehrfach mit Aqua dest. gespült, bis keine Farbe mehr abgeht.

Nach Überführung in Isopropanol 99,9% (3* im schnellen Wechsel, 2* 1 Minute, 3* 5 Minuten) habe ich in Euparal eingedeckt.


Kurz zur verwendeten Technik

Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem NPlan 5x sowie den PlanApos 10x, 20x, 40x und 100x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker Version 1.04 Build T2023-06-11-1120 (64Bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.


Nun aber zu den Mikroskopischen Aufnahmen!

Zunächst einige Aufnahmen vom frisch geschnittenen, ungefärbten und unfixierten Spross.

Bilder 5a-f: Unfixierter, frischer Spross, 5f im Polarisationskontrast, alle Aufnahmen gestapelt







In der Übersichtsaufnahme kann man schön zwei der vier "Nasen" sehen, die in Blattknospen enden und dem Spross das Vierkantige Aussehen verleihen. Dazwischen an der Oberseite eine Lentizelle. Ebenfalls gut erkennbar das ausgeprägte Assimilationsparenchym (Teil des Rindenparenchyms), das dem Spross sein kräftig grünes Aussehen verleiht. Darunter folgen hinter einigen Sklerenchymnestern Phloem, Cambium und das Xylem. im Inneren dann ein kräftiges Markparenchym. Im Ploarisationskontrast (letztes Bild) treten die Sklerenchymzellen und die verholzten Zellen des Xylems besonders deutlich in Erscheinung.

Nach der Färbung mit W3Asim finden wir Folgendes:

Bilder 6a-g: Bilder vom gefärbten Schnitt, alle Aufnahmen gestapelt








Wie nicht anders zu erwarten, finden wir: Epidermis und Cuticula (Ep & Cu) sowie die Lentizelle 8Len), darunter eine Hypodermis (Hyp), das "Assimilationsparenchym" ("AP") und das normale Rindenparenchym (RP) mit den Sklerenchymzellen (Skl). Darunter dann Phloem, Cambium und Xylem (Pl, Ca & Xl). Im Xylem dicht an dicht einzellige Markstrahlen (MS) und kleine Tracheen (T). Im Zentrum dann das Markparenchym (MP).

Nun schauen wir uns noch einige Details an.

Bilder 7a-c: Ein Stoma, Bild 7c mit Beschriftung


 

Der Spross hat ziemlich viele Stomata, sicherlich um in Anbetracht des hohen Anteils an Zellen mit Chloroplasten im Rindenparenchym für einen ausreichenden Gasaustausch zu sorgen.

Bilder 8a,b: Ein Trichom



Das Trichom ist eher eine Ausstülpung der Cuticula.

Bilder 9a,b: Lentizelle und Pilzbefall an einer Verletzung



Hier nun eine Lentizelle (Bild 9a) und eine Verletzung mit Pilzbefall (Bild 9b) im direkten Vergleich. Makroskopisch sind beide kaum zu unterscheiden.

Und weil es da gewisse Ähnlichkeiten gibt, zum Schluss noch einige alte Aufnahmen vom Querschnitt durch einen Ginster-Spross.

Bilder 10a,b: Ginster-Spross, Färbung Etzold FCA, alle Aufnahmen gestapelt.



Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den Sprossquerschnitten von Winter-Jasmim und Ginster ist durchaus erkennbar, vor allem wegen des "Assimilationsparenchyms" im Rindenparenchym.
Allerdings sind beide Arten in unterschiedlichen Ordnungen zuhause: der Winter-Jasmin findet sich bei den Lamiales (Lippenblütlerartige), der Ginster bei den Fabales (Schmetterlingsblütenartige ).

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Wutsdorff Peter

Guten Abend  Jörg,
die Beschreibung und die Aufnahmen sind, wie immer bei Dir, beeindruckend!
Gratulation zu diesem tollen Beitrag.
Gruß  Peter  Wff

Jürgen Boschert

Hallo Jörg,

schließe mich Peter an: Herzlichen Dank für Deinen wundervollen Beitrag!
Beste Grüße !

JB

Fahrenheit

Lieber Peter, lieber Jürgen,

vielen Dank für Euer Lob, das mich sehr freut!

Beste Grüße
Jörg
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Nordlicht

Hallo Jörg,

auch von mir ein Dank für den netten und informativen Beitrag.

Ich freue mich jedesmal wenn ich einen Beitrag von dir sehe.
Das einzige was mich jedesmal gestört hat war, das die Photos
direkt aneinander lagen. So hatte ich öfters das Problem zu erkennen
wo eigendlich der Übergang von z.B. Bild 3 auf Bid 4 ist.
Ich fand das dann immer etwas verwirrend. ???

Aber diesmal - eine kleine Trennlinie - so gefällt es mir sehr viel besser. :)

Grüße   Matthias

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

super Beitrag, vom Winter - Jasmin hatte ich noch nie etwas gehört.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

RainerTeubner

Hallo Hans-Jürgen,

  in Sachen Winterjasmin kann ich Dir helfen, der wächst und blüht bei
mir im Garten. Wenn Du mir Deine postalische Adresse schickst, kann ich
Dir Proben zuschicken.

Viele Grüße!

Rainer
Mikroskop: Carl Zeiss Standard Universal
Bildbearbeitung: Gimp, Helicon focus und picolay
Kamera: Canon EOS 5D II

Hans-Jürgen Koch

Hallo Rainer,

ich habe dir meine Adresse per email geschickt.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Liebe Freunde,

auch Euch vielen Dank für Euer Lob!

Lieber Matthias,

ich habe eigentlich nichts anders gemacht als sonst. Vielleicht eine allgemeine Einstellung im Forum? Aber ich werde einmal darauf achten, es ist schon übersichtlicher.

Lieber Hans-Jürgen,

ich hätte die Pflanze auch nie Jasminum zugeordnet und habe immer an so eine Art Ginster gedacht, bis ich dann mal auf die Blüten geachtet habe.
Das Zeug ist ein wenig Frostfest und wächst auch gerne wild. Rainers Probe sollte bei Dir also locker angehen: die Zweige ziehen Wurzeln, wenn sie die Erde berühren.

Allen beste Grüße
Jörg
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