Interessante Pilz- und Flechtenfunde 123 – Essigflechte

Begonnen von Bernd Miggel, März 24, 2024, 10:29:52 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Bernd Miggel

Essigflechte (Pleurosticta acetabulum)

Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080
Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=48585.msg356806#msg356806

Bild 1 - P1020713_b, Bernd Miggel, x800.JPG
Bild 1 – Oben: angefeuchteter, besonnter Fruchtkörper von Pleurosticta acetabulum auf Apfelbaumrinde, Thallus und Apothecienscheiben olivgrün; darunter: die Gelbflechte Xanthoria parietina.  Foto: Bernd Miggel.


Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Bei der Essigflechte (Pleurosticta acetabulum) handelt es sich um eine Blattflechte, die uns erst bei Anfeuchten ihre typische Farbe präsentiert (im trockenen Zustand ist sie unscheinbar dunkelgrau). Sie besitzt meist  zahlreiche, große Apothecien. Als Substrat dient die basenreiche Rinde freistehender Laubbäume, wie z.B. von Apfel- oder Birnbäumen, Eschen, Linden, Pappeln. Der Fund der Bilder 1-3 stammt von Altbäumen einer Streuobstwiese nahe Karlsbad-Spielberg in Baden-Württemberg. Die Rote Liste der Flechten Deutschlands führt die Art mit ,,V" (Vorwarnliste) auf.

Vielen Dank an Norbert Kühnberger für Bild 4.

Bild 2 - P1020722_b, Bernd Miggel, x800.JPG
Bild 2 – Ausschnitt aus Bild 1. Apothecienränder krenuliert (fein gekerbt). Foto: Bernd Miggel.

Bild 3 - 20240302_095421, Liss Hoffmann, x800.jpg
Bild 3 – Angefeuchteter Fruchkörper auf Birnbaumrinde, Thallus und Apothecienscheiben grasgrün. Foto: Liss Hoffmann.


Morphologische Merkmale
(vorwiegend nach KIRSCHBAUM & WIRTH 2010)

Die Lager zeigen sich im trockenen Zustand als wenig auffällig düstere, matt graue, grüne, graugrüne, bräunlichgrüne, bläulichgrüne oder olivgrüne Rosetten. Sprüht man sie mit Wasser an, werden die Lager sofort heller, glänzend und farbintensiv, oft grasgrün oder froschgrün (Bilder 1-3). Die Rosetten haben einen Durchmesser von bis zu 15 cm. Ihre Loben sind groß und bis 10 mm breit, am Rand kaum einmal eingeschnitten und randlich vom Substrat abgehoben. Schaut man genau hin, entdeckt man viele kleine schwarze Punkte, die sogen. ,,Pyknidien" (Bild 4). Isidien oder Soredien werden wir bei dieser Art vergeblich suchen. Apothecien dagegen sind auf fast jedem Lager zahlreich vorhanden. Sie sind schüsselförmig, werden sehr groß, nämlich bis 25 mm im Durchmesser, und besitzen einen fein gekerbten Lagerrand. Die Farbe der Scheibe ist nach eigenen Beobachtungen vom Feuchtigkeitszustand abhängig: trocken braun (Bild 5), angefeuchtet grün (Bilder 1-3).

Bild 4 - pleurosticta_acetabulum_2, Norbert Kühnberger, 800x.jpg
Bild 4  – Trockener, grauer Thallus mit leichtem Grünstich, noch winzigen Apothecien und zahlreichen, schwarzen, punktförmigen Punkten, den Pyknidien. Foto: Norbert Kühnberger.

Bild 5 - wiki2 - 2007-04-06Parmelia_cf._acetabulum03, 800x.jpg
Bild 5  – Besonnter, völlig ausgetrockneter Thallus, bei dem nur noch die zahlreichen, großen, braunscheibigen Apothecien zu sehen sind:
Seite ,,Pleurosticta acetabulum".  In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 4. Februar 2019, 21:28 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Pleurosticta_acetabulum&oldid=185387917 (Abgerufen: 23. März 2024, 14:25 UTC)

Farbreaktionen (K: Kalilauge 10-20%, C: Natrium-Hypochlorit, KC: erst K dann darauf C, P: para-Phenylendiamin):
Rinde K-, an hellen Stellen K+ gelb bis braun, C-, KC-, P-; Mark K+ gelb, nach 10-20 Sek. rot, C-, P+ gelb, dann langsam orange.

Notizen
• Empfehlenswerte Fotos des Essigflechte bieten die Internet-Links 1. und 2. (siehe unten).

Ähnliche Flechtenarten (nach KIRSCHBAUM & WIRTH 2010)
• Wenn man auf den im feuchten Zustand auffallend oliv- bis bläulichgrünen oder grasgrünen, isidien- und soredienfreien Thallus, die breiten Loben und die zahlreichen Apothecien achtet, ist eine Verwechslung mit anderen Blattflechten nahezu ausgeschlossen.

Literatur
• KIRSCHBAUM, U. & WIRTH, V. (2010): Flechten erkennen – Umwelt bewerten: 161.
• WIRTH, V. (1995): Die Flechten Baden-Württembergs, 2. Aufl., 1006 S.; Ulmer, Stuttgart: 638, 664.
• FRAHM, J.-P., SCHUMM, F., STAPPER, N.J. (2010): Epiphytische Flechten als Umweltgütezeiger: 144.
• WIRTH, V. & DÜLL, R. (2000): Farbatlas Flechten und Moose: 69.
• Wirth, V. et al. (2011): Rote Liste der Flechten und flechtenbewohnende Pilze Deutschlands.

Internet (abgerufen am 22.3.2024)
1. https://italic.units.it/index.php?procedure=taxonpage&num=658
2. http://www.stridvall.se/lichens/gallery/Pleurosticta
3. https://de.wikipedia.org/wiki/Pleurosticta_acetabulum
4. http://www.norbert-kuehnberger.de/pilzbildergalerie/D_Flechten-Lichenes_-_226_Arten/index.htm


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd



Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080
Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=48585.msg356806#msg356806