Mikroskop Kompendium G. F. Brander um 1760

Begonnen von hotte, Mai 28, 2024, 11:35:58 VORMITTAG

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hotte

Seit einiger Zeit vermisse ich Beiträge über Historische Mikroskope. Ich möchte daher dieses Thema wieder auffrischen und die Foristen ermuntern weitere Beiträge über die Entwicklung und Geschichte der Mikroskopie in das Forum einzustellen.

Also, Sammler von Buntmetall und Altglas, auf geht`s

Ein feinmechanisches und optisches Kunstwerk
weltweit einziges Exemplar von G. F. Brander in dieser Ausführung



aus meiner Sammlung wissenschaftlicher Instrumente.


Mikroskop Kompendium von Georg Friedrich Brander (1713-1783)
Signiert G.F. Brander Aug. Vind. Fecit  um 1760


Georg Friedrich Brander war im 18.Jhdt. der bedeutendste deutsche Instrumentenbauer.
1713 wurde er in Regensburg geboren und zog nach Studien in Nürnberg und Altdorf (u a. bei Doppelmayr) im Jahr 1734 nach Augsburg um.
In den ersten Jahren seiner Selbstständigkeit fertigte er chirurgische Instrumente. Durch den Bankier v. Halder und anderen Gönnern in Augsburg wagte er sich auch an mathematische und optische Instrumente.
1737 fertigte er das erste Spiegelteleskop in Deutschland. Die kurfürstliche Akademie der Wissenschaften machte ihn zu ihrem Mitglied.
Brander entwickelte auch ein besonderes Verfahren (Teilapparat) um Glasmikrometer von besonderer Güte herzustellen. Die unglaublich genauen, mit einem Diamanten in Glas geritzten Mikrometer waren in der ganzen Welt unerreicht.
Seine meist nach englischem Vorbild gebauten Instrumente wurden an die bedeutenden europäischen Universitäten, Fürstenhöfe, Sternwarten und an viele Klöster geliefert. Sie zeichneten sich durch hohe Präzision und kunstvolle Ausführung als wissenschaftliche Instrumente erster Güte aus.
Sein Fertigungsprogramm umfasste: Thermometer, Barometer, Luftpumpen, astronomische Instrumente, Feldmessgeräte, Fernrohre Mikroskope, Sonnenuhren etc.
Um das Jahr 1760 trat Caspar Höschl (1744-1820) als Mechanicus in Branders Firma ein

Besonders sei hier auf die Literatur über Brander und über die Augsburger Instrumentenmacher des 17 Jahrhunderts von Inge Keil verwiesen.

•  G. F. Brander 1713-1783 Wissenschaftliche Instrumente aus seiner Werkstatt.  Alto Brachner, Deutsches Museum München 1983
•  Inge Keil Augustanus Opticus—Johann Wiesel (1583-1662) und 200 Jahre optisches Handwerk in Augsburg. Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg, Band 12, Akademie Verlag GmbH Berlin 2000
Ein lesenswertes Buch über die Frühgeschichte der optischen Instrumente, Rohstoffe und deren Bearbeitung, Europäische Beziehungen, Transfer von Wissen und Instrumenten, Optisches Handwerk etc.

Mikroskop Kompendium von G.F. Brander um 1760
signiert G.F. Brander Aug.(ustorum)Vind.(elicorum)fecit


Das Kompendium enthält vier unterschiedliche Mikroskop Typen des 18. Jahrhunderts in einem sehr schön ausgeführten Instrumentenkasten aus Obstbaum Holz.

Beschreibung der Einzelteile

Instrumentenkasten Maße: 40,5cm x 28,3cm

Der sehr schön polierte Kasten aus Obstbaumholz ist vermutlich mit einer Gipsmasse ausgefüllt in die Umrissformen der Instrumente und Zubehörteile eingedrückt wurden, die dann formanpassend mit einem feinen Chamoisleder überzogen wurden. So ergibt sich ein sicherer und fester und übersichtlicher Halt der Instrumententeile
Unter dem quadratischen Holzrahmen mit dem Scioptic Ball liegen in einer Vertiefung die Befestigungsschrauben (Flügelschrauben aus Messing) und Muttern (Eisen) zur Befestigung in einen Fensterladen. 
Der Kasten ist mit zwei Haken an der Schmalseite verriegelt




branderKasten.jpgbrander7.jpg

Schraubenmikroskop / Screw- Barrel Microscope

Das typische Screw Barrel Mikroskop entspricht dem von Hartsoeker /Wilson erfundenen und im 18. Jhdt. gängigen ,,Schraubenmikroskop". Besonders die englischen Mikroskop Hersteller fertigten die Art von einfachen Mikroskopen (u.a. Scarlet, Culpeper etc.)
Zweifach nutzbar
Das feuervergoldete Instrument kann sowohl als eigenständiges Instrument als auch als Teil eines Sonnenmikroskopes eingesetzt werden.
Als Zubehör sind dem Instrument sechs nummerierte, gefasste und schraubbare Linsen mit unterschiedlicher Vergrößerung beigefügt. Als Handhabe dient ein gedrechselter Handgriff aus Elfenbein.
Als Sammellinse dient ein Kondensor. Fokussiert wird durch Drehen des Gewinde-Tubus. Der Objektträger aus Lindenholz wird zwischen die beiden Messingplatten gesteckt, die durch eine Feder gegeneinandergepresst werden, Zur Beobachtung wird das Mikroskop gegen den klaren Himmel oder eine Lampe gehalten
Vergrößerungen bis 200fach sind möglich
brander2.jpgDSCN9821.JPG

Zirkelmikroskop oder Compass Microscope
Das Zirkelmikroskop ist feuervergoldet und mit einer Handhabe aus Elfenbein versehen. Zirkelmikroskope haben ihren Namen durch das Gelenk, das ähnlich einer Zirkelausführung funktioniert. Zur Fokussierung wird das kleine Handrad gegen die Blattfeder gedreht und das bewegliche Teil mit der Pinzetten Aufnahme und der Pinzette wird auf den Fokus eingestellt.
Fünf Lieberkühn Spiegel (Versilberte Spiegel zur Konzentration des Lichtes auf das Objekt) mit unterschiedlicher Vergrößerung werden in die Aufnahme eingeschraubt
Als weiteres Zubehör befindet sich eine zweizackige Gabel, sowie eine schwarz/weiße Objektplatte aus Elfenbein, die auf die Pinzetten Spitze aufgesteckt werden im Kasten.

DSCN939999.jpgDSCN9762.JPG



Scioptic Ball oder Ochsenauge oder Projektionslinse
Der Sciotic Ball ist eine Erfindung von Daniel Schwenter (1585-1636), Professor für Mathematik und orientalische Sprachen an der Universität in Altdorf. Ein quadratischer Holzrahmen (17,8cm im Quadrat) aus Eben- und Walnussholz Holz fasst einen Messingring, der mit vier Flügelschrauben den Anpressdruck des Kugelsegmentes im Holzrahmen bestimmt. Im Messingring ist die Signatur G. F. Brander deutlich mit einem Stichel eingraviert.
Das gedrechselte Kugelsegment aus Mahagoni beinhaltet ein einfaches optisches System. Zum Ausbau weiterer optischer Instrumente z. Bsp. als Sonnenmikroskop ist an dem einen Endstück eine aus vergoldetem Messing gefertigte Aufnahmevorrichtung angebracht.
Das bewegliche, frei drehbar gelagerte Kugelsegment kann nach dem Sonnenverlauf gerichtet werden und somit jeweils die maximale Helligkeit eingestellt werden. Somit können auch Sonnenflecken betrachtet werden.
An den vier Ecken des Rahmens sind Bohrungen für die Befestigungsschrauben angebracht. Die langen Flügelschrauben werden durch die rautenförmigen Aufnahmen gesteckt und auf der Rückseite des Fensterladens mit Muttern befestigt. Somit erhält man eine Projektionseinrichtung mit Sonnenlicht für einen verdunkelten Raum.


Scioptic Ball montiert.JPGScioptic Ball und Projektion.JPG


[font=Arial]Aufbauteile zum Projektionsmikroskop mit Scioptic Ball
Ein Adapterstück aus Elfenbein und einem Auszug aus Cardboard wird in die Aufnahme des Scioptic Balls eingeschraubt.
In dieses Adapterstück wird das Screw Barrel Mikroskop eingeschraubt. Dann wird der Beobachtungs- Tubus aus Elfenbein mit einer vergoldeten schraubbaren Hülse und dem Tubus aufgesetzt. Der Tubus enthält eine Linse. Fokussiert wird durch Herausdrehen des Tubusses. Somit erhält man ein zusammengesetztes Mikroskop.



Projektionsmikroskop zum Scioptic Ball.JPG

Objektschieber / Objektträger
Die Objektträger (13,4 cm x 14,1 cm) aus Lindenholz sind in einem mit marmoriertem Papier überzogenem Etui untergebracht. Es sind sechs Objektträger vorhanden, die jeweils mit acht Bohrungen (1,1cm Durchmesser) versehen sind. In diese Bohrungen sind Glimmerplättchen mit den Präparaten eingelegt. Die Glimmerplättchen werden durch eine Messingring gegen das Herausfallen geschützt.
Auch nach über 250 Jahren sind die Insektenteile, Blätter etc. noch sehr gut erkennbar

Leider lässt diese Software keine weiteren Bilder in diesem File zu. Deshalb werde ich die Bilder im nächsten File anhängen


Elfenbein Schraub Dosen für die Präparation
Zwei sehr schöne gedrechselte und schraubbare Dosen aus Elfenbein sind vorhanden.Sie beinhalten die Glimmerplättchen und die Messingringe

Bilder im nächsten File

Netzmikrometer in einer schraubbaren Elfenbeindose

Die große Kunst von Brander bestand in der Herstellung von Glasmikrometern.  Hierzu war besondere Aufmerksamkeit, Können und Genauigkeit erforderlich.  Dies ist eines der seltenen Exemplare mit einer Auflösung von 0,22558 mm

siehe Bilder im nächsten File


Pinzette
Eine feuervergoldete, kunstvoll gestaltete Pinzette ist diesem Kompendium beigelegt

Literatur: s.o.
Bildnachweis: Bilder 1,2,3,8 entnommen aus Auktionskatalogen von Christies, Sothebys für nicht kommerzielle oder andere gewerbliche Zwecke


Viel Spass

Liebe Grüße
Horst Kuhn
www.kuhn-scientificinstruments.de










olaf.med

#1
Lieber Horst,

herzlichen Dank für diese schöne Darstellung Deines wundervollen Brander-Kompendiums. Das ist wirklich ein grandioses Beispiel für die große Ingenieurskunst der Zeit gepaart mit einer außerordentlich kunstvollen Umsetzung. Gut nur, dass mein sammlerisches Interesse sich engbegrenzt auf mineralogische Instrument beschränkt, sonst würde dieses Kompendium bei mir allergrößte Begehrlichgkeiten und Neid erzeugen  ;D . So freue ich mich mit Dir an diesem wundervollen Schatz


Mit herzlichen Grüßen,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

beamish

Lieber Horst,
Danke, daß du deinen außergewöhnlichen Schatz hier bei uns dokumentiert hast!
Ich hoffe, daß deine Initiative auch andere dazu bewegt, ihre historischen Schätze zu zeigen.

Herzlich
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Peter V.

Lieber Horst,

in der Hoffnung auf "Mehr" habe ich soeben für Dich - wie seinerzeit schon für Olaf Medenbach - eine Linkliste mit dem Titel

"Historische optische Apparaturen - Beiträge von Horst Kuhn zu seiner Sammlung" erstellt:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?board=36.0

Du kannst also weiterhin wie heute Beiträge in das "Hauptboard" stellen, ich werde diese Artikel dann jeweils verlinken. Da aber selbst mir manchmal etwas entgeht, was im Forum abläuft oder ich die Verlinkung mal vergessen könnte, wäre es gut, wenn Du mir jeweils per PN einen kurzen Hinweis auf neue Beiträge gibst.

Herzliche Grüße
Peter



Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.