Interessante Pilz- und Flechtenfunde 161 – Olivgrüne Schwarznapfflechte

Begonnen von Bernd Miggel, Juli 12, 2024, 07:14:35 VORMITTAG

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Bernd Miggel

Olivgrüne Schwarznapfflechte (Lecidella elaeochroma)

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Text in Anlehnung an WIRTH & DÜLL 2000 und WIRTH & KIRSCHBAUM 2024

Danke an Norbert Kühnberger für Bild 4.


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Bild 1 – Der Fundort: Äste und dünne Zweige eines morschen Apfelbaumes mit diversen Krustenflechtenarten. Foto: Liss Hoffmann.

Einführung, Lebensweise und Verbreitung

Streuobstwiesen, mit ihren Apfel-, Birn-, Pflaumen-, Kirsch- und Walnussbäumen usw., sind eine Fundgrube für Flechtenfreunde. Beim Absuchen eines morschen Apfelbaumes entdeckten wir auf einem dünnen Zweig mit noch glatter Rinde etliche 10-20 mm breite graue Flechtenlager (Thalli) mit zentral angeordneten schwarzen Punkten. Die ,,Punkte" (Bild 1) entpuppten sich als bis zu 0,8 mm breite Früchte (Apothecien) der Olivgrünen Schwarznapfflechte (Lecidella elaeochroma). Sie wuchs dort in Gemeinschaft mit der Hellen Kuchenflechte (Lecanora chlarotera) und der Gemeinen Gelbflechte (Xanthoria parietina). Lecidella elaeochroma ist nach WIRTH & KIRSCHBAUM 2024 ziemlich häufig und wächst vorwiegend auf glatter Rinde.
Der Fund: F02 vom 27.5.2024, auf der Rinde eines Apfelbaumzweiges, Streuobstwiese südlich Karlsbad-Spielberg, Baden-Württemberg.
leg.: B. Miggel & L. Hoffmann, det.: B. Miggel

Bild 2 - Bildbreite = 16mm,(A,R8,S4)dunkel, Bernd Miggel, 800x.jpg
Bild 2 – Lecidella elaeochroma. Thallusbreite = Bildbreite = 16 mm, Apothecien-Durchmesser bis 0,8 mm. Foto: Bernd Miggel.

Bild 3 - (A,R8,S4)mittel_b, Bernd Miggel, 800x.jpg
Bild 3 – Ausschnitt aus Bild 2. Die jungen Apothecien besitzen noch einen schwach erkennbaren, schwarzen Apothecienrand. Foto: Bernd Miggel.


Makroskopische Merkmale

Die Lager sind relativ klein, nur etwa 1-3 cm breit, in weißlichen, graulichen, grünlichen, olivlichen bis gelblichen Tönungen. Die Apothecien werden bis zu 1 mm breit (beim Fund bis 0,8 mm), mit schwarzer Scheibe und schwarzem, glattem Rand.
Die Scheibe kann flach (Bild 4) aber auch stark gewölbt sein (Bild 3). Der Rand ist nicht immer deutlich sichtbar; im Alter ist er häufig nicht mehr vorhanden. Apothecien mit schwarzem Rand bezeichnet man als lecidein.

Farbreaktionen
Lager K+ gelblich (bis K-), C+ orange (bis C-), KC+ gelb, P-
(mit K: Kalilauge 10-20%, C: Natrium-Hypochlorit, KC: erst K auftupfen, dann C auf dieselbe Stelle geben, P: para-Phenylendiamin, UV 365 nm).

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Bild 4 – Flache Apothecien mit z.T. sichtbarem Rand. Foto: Norbert Kühnberger.


Mikroskopische Merkmale

Im Längsschnitt eines Apotheciums (Bild 5) erkennt man von oben nach unten grünlichblaues Epihymenium, farbloses Hymenium mit Sporenschläuchen (Asci), grauliches Subhymenium und zu unterst braunes Hypothecium. Die Asci sind 8-sporig und färben sich in Lugolscher Lösung (alternativ Baralscher Lösung oder Melzers Reagenz) apikal und basal blau (Bild 6). Die Sporen sind 1-zellig, ellipsoid, farblos, durchscheinend (hyalin), glattrandig, etwas dickwandig und besitzen oft 1-2 Tröpfchen (Bild 7). Ihre Maße beim Fund 9-13 x 5,4-6,7 µm.

Bild 5 - IMG_0002, Bernd Miggel, 800x_b.JPG
Bild 5 – Manueller Längsschnitt durch ein Apothecium, präpariert in Wasser. Foto: Bernd Miggel.

Bild 6 -  IMG_0002, 800x.JPG
Bild 6 – Quetschpräparat des Hymeniums in Melzers Reagenz. Foto: Bernd Miggel.

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Bild 7 – Sporen in Wasser. Foto: Bernd Miggel.

Ähnliche Flechtenarten (nach KIRSCHBAUM & WIRTH 2010)
• Die Gewöhnliche Schwarzpunktflechte (Amandinea/Buellia punctata) besitzt ein undeutliches, mit K, C und KC nicht reagierendes Lager. Die Sporen sind braun und 2-zellig.
• Die Scheiben-Schwarzpunktflechte (Buellia disciformis) bis 1,3 mm breite Apothecien und 2-zellige, braune Sporen.
• Die Schwarzkeulige Kesselflechte (Catillaria nigroclavata) hat kleinere Apothecien und sehr schmale, 2-zellige, farblose Sporen.

Literatur
• DÜRHAMMER, O. (2003): Die Flechtenflora von Regensburg. – Sonderdruck aus: HOPPEA, Denkschriften der Regensburgischen Bot. Ges. Bd. 6: 211-212.
• KIRSCHBAUM, U. & WIRTH, V. (2010): Flechten erkennen – Umwelt bewerten: 117.
• FRAHM, J.-P., SCHUMM, F., STAPPER, N.J. (2010): Epiphytische Flechten als Umweltgütezeiger: 54-55.
• SCHUMM, F. (2010): Epiphytische Krustenflechten. Hilfsbuch zum Bestimmen der häufigsten Arten: 36.
• Wirth, V. (1995): Die Flechten Baden-Württembergs, 2. Aufl., 1006 S.; Ulmer, Stuttgart: 525.
• Wirth, V. et al. (2011): Rote Liste der Flechten und flechtenbewohnende Pilze Deutschlands.
• WIRTH, V. & DÜLL, R. (2000): Farbatlas Flechten und Moose: 158.
• WIRTH, V. et al. (2013): Die Flechten Deutschlands: 662, 665.
• WIRTH, V. & KIRSCHBAUM, U. (2024): Die Flechten Mitteleuropas. Bestimmung und Beschreibung der wichtigsten Arten: 57.
https://italic.units.it/index.php?procedure=taxonpage&num=1320
https://www.thm.de/lse/ulrich-kirschbaum/flechtenbilder-leci-lo
http://www.norbert-kuehnberger.de/pilzbildergalerie/D_Flechten-Lichenes_-_226_Arten/pilzbilder-lecidella_elaeochroma_6jpg-stopp.htm


Viel Freude beim Anschauen!
Bernd

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