Volvox aureus Plasmabrücken (*und interzelluläre Transportvesikel?)

Begonnen von Spectrum, Januar 09, 2025, 17:45:37 NACHMITTAGS

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Spectrum

Die einzelnen Zellen einer Volvox aureus Kolonie besitzen bereits eine einfache Spezialisierung/Arbeitsteilung. Während einzelne Tellen vor allem der Fortbewegung mittels Geißeln dienen, sind andere Zellen vornehmlich auf die Energiegewinnung mittels Photosynthese spezialisiert.
Die einzelnen Nachbarzellen einer Kolonie sind bei Volvox aureus über sogenannte Plasmabrücken miteinander verbunden. Diese bilden ähnlich wie die Nähte eines Fußballs eine Verbindung zu den jeweiligen Nachbarzellen, welches sich wie ein Netz um die ganze Kolonie erstreckt.

Nachdem auf einer Fluoreszenzaufnahme von Carsten Wieczorrek im Bereich dieser Plasmabrücken auffällige "globuläre Strukturen" sichtbar wurden, wollte ich wissen um was genau es sich dabei handelt. Meiner Recherche zufolge dürfte es sich bei diesen Strukturen um sogenannte interzelluläre Transportversikel handeln.
Ähnlich wie kleine Seilbahngondeln werden diese mit z.b. Nährstoffen gefüllte Bläschen von Motorproteinen angetrieben entlang dieser Plasmastränge von einer Zelle zur Nachbarzelle transportiert. Auf diesem Standbild sieht man sie aufgereiht wie eine Perlenkette zwischen den Zellen IMG_20250109_160347.jpg
Sie ermöglichen es der Kolonie beispielsweise die auf Fortbewegung spezialisierten Zellen mit Energie zu versorgen oder auch die Tochterzellen zu ernähren. So wie es aussieht werden über diesen Weg wohl aber auch Informationen ausgetauscht.

Um diese Vesikel fluoreszenzmikroskopisch darstellen zu können, habe ich eine Volvoxprobe mit Rhodamin 6G angefärbt.
Beleuchtet wurde mit einer 467nm LED mit KP490nm Anregungsfilter, Strahlteiler FT 510nm, Emissionsfilter LP500nm.
Objektiv war ein Nikon Fluor 40/ 1.15 für Wasserimmersion. Um die Strukturen überhaupt erst erkennen zu können wurden die Bilder und das Video nachbearbeitet.
Entstanden ist folgende Aufnahme:
Holger
Duzen und meine Bilder (auch ungefragt)  bearbeiten, mit eigenen Aufnahmen ergänzen und weitergeben erwünscht!

Peter T.

Hallo Holger,

fantastischer Beitrag!
Gibt es Angaben, wie lange die Gondeln unterwegs sind, also wie lange der Transport von Zelle zu Zelle dauert?
Liebe Grüße
Peter

Jürgen Boschert

Lieber Holger,

das ist wirklich super! Wie hast Du eigentlich die Volvox zum Stillhalten gebracht?
Beste Grüße !

JB

Spectrum

#3
Hallo Jürgen,
Die Volvox war unter dem Deckglas eingeklemmt. Ausserdem war sie auch schon halb "durchgegart" aufgrund der Lichtbestrahlung.

Hallo Peter,
Dazu hab ich keine Angaben gefunden, hab's aber unter dem Mikroskop an den noch aktiven Volvox beobachten können. Das konnte ich aber bisher leider nicht filmen. Ich schätze so 1-2Minuten von Zelle zu Zelle.
Schau auch mal genau auf's Video, ich meine da sieht man auch noch ein wenig Bewegung.

Ich verlinke unten mal ein paar Artikel, wo es um Volvox im allgemeinen und auch die Plasmabrücken im Speziellen geht. Hochinteressant. Vor allem die großen Interschiede zwischen den einzelnen Volvox Arten finde ich total faszinierend. Jede Art hat einen anderen Bauplan und anders organisierte Abläufe, z.b bei der Fortpflanzung oder der vegetativen Vermehrung. So als wäre es eine "Prototypenreihe" zum Thema wie baut man einen Mehrzeller...
Hier ein paar Links zum schmökern:

https://www.sciencedirect.com/topics/agricultural-and-biological-sciences/volvox

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/j.1550-7408.1968.tb02098.x

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK6424/

Beste Grüße Holger
Holger
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Peter T.

Zitat von: Spectrum in Januar 09, 2025, 18:35:37 NACHMITTAGSSchau auch mal genau auf's Video, ich meine da sieht man auch noch ein wenig Bewegung.


Den Eindruck hatte ich auch, war mir aber nicht sicher. 1-2 Min. wäre ja high speed.
Kann mich nicht erinnern, jemals einen Transport (von was auch immer) zwischen Zellen gesehen zu haben.
Liebe Grüße
Peter

Spectrum

100% sicher bin ich mir da auch nicht, da ich immer wieder den Fokus verloren hab. Die Aufnahmen sind auch schon an der Grenze dessen was mit meinen Mitteln machbar ist. Man sieht im Live View auch nur ein sehr verrauschtes Bild. Alles wackelt und muss nachfokussiert werden. Schnell muss es auch noch gehen, weil ich die maximale Lichtmenge für solche Videoaufnahmen benötige+hohe Isowerte. Da hat man dann auch mit Bleaching und bei Lebendbeobachtungen mit der Phototoxizität zu tun.
Ich versuche aber weitere Aufnahmen zu machen.
Holger
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Siegfried

Hallo Holger
sehr interessant sind deine Beobachtungen und die Dokumentation. Mitreden kann ich da nicht, du befasst dich ja intensiv mit der Materie. Ich kann dabei nur etwas dazu lernen. Danke.
   Gruß von Siegfried

Spectrum

#7
Du Siegfried,
Das ist bei mir auch alles gerade noch "learning by doing".
Sowohl was die Ausrüstung als vor allem auch die Nachbearbeitung angeht. Wie du ja weißt mache ich alles aufgrund mangeldem PC an meinem Smartphone. Für die Videobearbeitung nutze ich Luma Fusion. In die Bearbeitung muss ich mich mühsam einarbeiten, aber langsam wird's. Versiertere Softwarenutzer holen da sicher mehr aus den Rohaufnahmen raus. Ich verlinke mal die Originalaufnahme wie sie aus der Kamera kam, inklusive meiner jodelnden Hauskatze im Hintergrund. Wer will kann sich da gerne dran versuchen (an der Nachbearbeitung, nicht am Jodeln):

https://drive.google.com/file/d/1WZfVX21IJlq8f5gSGqENfnSbiHpscOAD/view?usp=drivesdk
Holger
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Siegfried

Hallo Holger
Was du nur willst, das Video würde ich so lassen wie es ist. Ich finde es klasse. Hab mal meinen Lautsprecher etwas lauter gemacht und deine Katze gehört. Da kam Wehmut auf. Unsere Lissi (Liesbeth) hat uns voriges Jahr nach 17 Jahren verlassen, das hat uns sehr mitgenommen. Jetzt sitzt sie oben auf einer Wolke.
  Gruß von Siegfried

Spectrum

Ja Katzen sind wohl auch so eine Art Prototyp der Schöpfung. 😅😾
Absolut liebenswerte Geschöpfe, und immer auch sture Freigeister. Meine heißt übrigens Zora. Wenn ich am Mikroskop, sitze schmeckt ihr das meistens gar nicht (Eifersucht?).
Sie turnt und hampelt dann noch mehr als sonst in der Wohnung herum. (Hatte ich als Erschwernisfaktor für verwacklungsfreie Aufnahmen noch gar nicht erwähnt.)
Holger
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Spectrum

Hallo Peter,
Hier noch eine Nachtrag zur Geschwindkeit von Motorproteinen, je nachdem um welches Motorprotein es sich handelt sind sie zwischen 18nm/s - 60000nm/s schnell.
 
https://book.bionumbers.org/how-fast-do-molecular-motors-move-on-cytoskeletal-filaments/
Holger
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Peter T.

Hallo Holger,


vielen Dank für den Link.

"Magical sleight of hand", das ist genau das, was ich empfinde, wenn ich das alles sehe. Dass an der "Demystifizierung" dieser Vorgänge gearbeitet wird, verschiebt die Thematik um eine Stufe der Erkenntnis. Das Wunder bleibt (für mich). Je mehr ich verstehe, desto mehr staune ich.

Liebe Grüße
Peter

Spectrum

Geht mir genauso, lieber Peter.
Was die Natur im Laufe der Evolution alles hervorgebracht hat ist und bleibt unfassbar.
Holger
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anne

Hallo Holger,
gigantischer Beitrag! Gratulation!
Eine Frage stellt sich mir, da es sich um eine Art Bläschen handelt, wären diese nicht auch im DIC sehr gut zu sehen?
lG
Anne

Spectrum

#14
Morgen Anne,
Ich denke das im DIC das Bild wohl auch durch die Tubuli der Plasmabrückem selbst überdeckt wird. Das tolle an Fluoreszenz ist ja, das auch sehr kleine Strukturen dargestellt werden können. Aber Versuch macht klug. Die Hülle schmiegt sich ja wenn das Deckglas aufliegt, sehr schön an. Vielleicht kommt man da mit einem hochaperturigen 100er dran.
Grüße Holger
Holger
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