Merkwürdiger Schaden an einem Reichert-Epi-5,5x

Begonnen von Jakob_Wittmann, Januar 18, 2025, 06:19:25 VORMITTAG

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Jakob_Wittmann

Hallo liebe Runde,

es geht um ein Reichert Objektiv für Auflicht, genauer gesagt um das Epi 5,5-fach/N.A. 0,15/190/0.

Dieses gehört zu einem Set von insgesamt fünf Objektiven für den Universal-Opakilluminator eines Reichert Zetopans. Die Staffelung ist 5,5-, 11-, 28-, 56- und 90-fach. Die beiden letztgenannten sind Fluorid-Typen.

Das Mikroskop samt Zubehörteilen wirkt nahezu ungebraucht. Ausgenommen unwesentliche Kratzer am Sockel, die ziemlich sicher durch den Transport verursacht wurden. Das ist nicht verwunderlich, denn das Instrument ist ausgesprochen schwer und gewissermaßen sperrig. Man stößt beim alleine Tragen sehr leicht mal irgendwo an.

Auch 5 PHK-Objektive sind in einem perfekten Zustand.

Nur das 5,5-fach sieht (dessen Linsen, das Gehäuse ist wie neu) verheerend aus.

Was kann NUR bei einem Teil einen solchen Schaden verursachen, wenn alle anderen Objektive makellos aussehen?

UND wenn alle diese in einem grundsoliden, dicht schließenden Behälter gelagert wurden.

Was meint Ihr bitte dazu? Irgend eine Form von Erosion, meine ich. Glaspilz eher nicht, oder?

(Die zwei Aufnahmen der Linsen habe mit einem Stereomikroskop im Durchlicht gemacht)

Eure Meinung dazu interessiert mich wirklich sehr.

Liebe Grüße


Jakob
 
jakob.wittmann@hotmail.com


,,Ein Leben mit nur einem schwarzen Mikroskop ist möglich aber sinnlos."

Bernhard-Viktor ,,Vicco" Christoph-Carl von Bülow zugeschrieben

Jürgen Boschert

Hallo Jakob,

das sieht für mich nach Verwitterung/Alterungsprozess aus. In manchen Gläsern separieren sich die einzelnen Bestandteile, kristallisieren gelegentlich aus, was dann zu solchen Bildern führt. Das ist leider ein Totalschaden. Habe selbst auch einige solcher Objektive. Warum im gesamten Bundle nur dieses Objektiv: Keine Ahnung, das lässt sich wahrscheinlich auch nie erklären.
Beste Grüße !

JB

Rama61

Das Objektiv sieht aus, als ob es heiß geworden und angelaufen ist. Vielleicht ist es mal mit einem Heiztisch benutzt worden und dann hat jemand vergessen den Heiztisch auszuschalten.

Nur mal so als Hypothese.

Gruß

Rainer
Rama61

hugojun

Hallo Jakob,
sieht aus wie eine geschrumpfte, aufgetragen Klarlackschicht.
Vielleicht kann man da was mit einem Lösungsmittel machen?
Versuchen kann man es, im jetzigen Zustand ist es ohnehin nicht zu gebrauchen.
Beleuchte es mal mit UV Licht


LG
Jürgen


K. B.

Hallo Jakob,

ich finde auch das es wie eine Verunreinigung auf der Linse aussieht, evtl eingetrocknetes Öl.
Glasalterung ist natürlich auch nicht ganz auszuschließen, aber ich kann mir kaum vorstellen das bei halbwegs normaler Lagerung einfach so starke schäden auftreten, da muss es schon extreme Lagerungsbedingungen gegeben haben.

Viele Grüße
Kay
Mikroskop: Olympus BH-2 BHTU mit Trino (DL; PH; Fluo; DF)
                  Zeiss GFL Trinokular (DL; PH; Fluo; AL)
                  Olympus CK2 Invers Trino (DL; PH; Fluo)
                  Olympus GB (DL; PH)
Mikroskopkamera: Canon EOS 550D; EOS RP

Thomas Böder

Hatte ich auch schon mal an einem Leitz Pl Fl 10/0.30.
War nichts mehr zu machen, das Glas war quasi kaputt.  :(
Hauptmikroskope: Leitz Panphot, Ortholux, Zeiss Nf u. Technival u. Citoval 2, Reichert Zetopan
Kleinmikroskope: reichlich...

Jürgen Boschert

Hallo Kay,

Zitat... kann mir kaum vorstellen das bei halbwegs normaler Lagerung einfach so starke Schäden auftreten, da muss es schon extreme Lagerungsbedingungen gegeben haben. ...

Leider nicht, Kay. Glas ist eine unterkühlte Schmelze im Dauerzustand, da kann es leider diese Veränderungen über die Jahrzehnte geben. Bestimmte Glassorten sind da besonders anfällig. Auch Zeiss-Ost hatte da mal eine Serie, wo das häufiger auftrat. Es gibt da die verrücktesten Sachen; ich habe einen Planpochromaten, bei dem ein inneres Glied oberflächennahe Auskristallisierungen zeigt, die die polierte Oberfläche durchbrochen und damit zerstört haben.
Beste Grüße !

JB

Jakob_Wittmann

Hallo zusammen,

ein Dankeschön für Eure durchwegs interessanten Erklärungen zum Zustand dieses Objektivs!

Wenn so etwas nur bei einer Optik auftritt, die gerade mal 3 cm von den anderen, komplett unversehrten eingefächert war, wundert man sich doch sehr.
Reichert hat seinerzeit den Käufern für die zugehörigen Teile eines Zetopans eine Art Koffer aus Holz mitgegeben, in einer Qualität wie ein wertiges Möbel gefertigt. Kurioserweise mit einer Hammerschlag-Lackierung versehen. :)
Ich halte dieses Stück für relativ staubdicht. Mit seinen vielen Fächern (auch für kleinste Teile) ist es wirklich praktisch für die Aufbewahrung bzw. um Ordnung zu halten.

Als ich das Objektiv das erste Mal ausprobierte und keine Abbildung sah, dachte ich mir –  professionelle Auflichteinrichtungen waren (ausgenommen Epifluoreszenz) für mich neu – noch ,,Mensch, wo ist bloß der Fokus bei solchen Epi-Objektiven?"

Nachträglich betrachtet: kein Wunder ...  ;)  ;D

Zu einigen der Dinge, die Ihr erwähnt habt & paar Gedanken:

Unter anderem verwendete ich übrigens Aceton für die Reinigung, als vorangegangene Methoden keine Besserung zeigten. Natürlich vorsichtig!
Mit einer 10-fach Lupe merkte ich aber gleich, dass sich nichts löste.

Nach Jürgens Tipp (danke!) von wegen UV-Beleuchtung habe ich in Dunklem mit einer UV-Taschenlampe (365 nm, glaube ich) probiert, ob man damit irgendwas zum Aufleuchten bringen kann: nix ...

Ob mir die 5,5-fach Vergrößerung abgehen wird, kann ich noch nicht sagen.

Beim Stöbern (Ebay) ist mir aufgefallen, dass manche Angebote für Reichert-Epi-Objektive (auch für das 5,5-fach) relativ teuer kommen. Preise, die mehr als 100 Euro (teils auch deutlich mehr) betragen, sind nicht ungewöhnlich.

Generell: Sucht man intensiver und geduldig, findet man mehr Teile von Reichert, als ich anfangs vermutete. Aber natürlich kein Vergleich zu Gebrauchtsachen für ZEISS STANDARD oder etwa LEITZ und/oder OLYMPUS.

Aktuell habe ich nicht vor, das 5,5-fach zu ersetzen. Grundsätzlich besteht auch abgesehen davon kein dringender Bedarf.

Allerdings wäre eine Pol-Ausstattung angenehm. Ich muss mal herausfinden, ob sich der Auflicht Illuminator mit der Polarisationseinrichtung von Reichert erweitern lässt, oder ob man doch den ganzen Polarisationsilluminator braucht. Improvisierte Polarisation ist hingegen so oder so einfach zu schaffen.

Sorry, bitte, ich schweife ab. Zurück zum Glas ...

Ihr habt mir tatsächlich gut erklärt, was selbst bei für Optiken genutzten Gläsern geschehen kann.

Selbstverständlich: ,,Glas ist nicht gleich Glas!", kann man sehr richtig feststellen.

Ein faszinierendes Thema gerade in der Mikroskopie. Die Firmengeschichte von ZEISS (Zusammenarbeit mit Schott seit dem 19. Jahrhundert, Erschließung neuer Glassorten und noch viel mehr) ist der Beleg schlechthin dafür.

Ausfällungen, Auskristallisationen auch bei Objektträgern und Deckgläsern wurden hier in unserem Forum durchaus gehaltvoll diskutiert.

Vor schon einiger Zeit habe ich beispielsweise solche Erscheinungen bei sehr alten Objektträgern fotografiert.

Verzeihung, es ist etwas off-topic, da es dabei nicht um einen Schaden eines Objektivs geht. Nur kurz und abschließend, bitte.

Gar nicht selten kommt es hier im Forum vor, dass Mitglieder etwas über ärgerliche Vorkommnisse von wegen verschmutzter Deckgläser berichten.

Mittlerweile vermute ich, dass ,,Verschmutzungen" bei neuer Ware in einem erheblichen Ausmaß (eigentlich) Ausblühungen (mutmaßlich oft Natriumcarbonate inkl. deren Hydrate) sind.
Vor allem bei Noname-Fabrikaten.

Das beigefügte Bild zeigt ein Exemplar aus einem vor paar Monaten gekauften Zehnerpack Deckgläser.



Danke, liebe Grüße, schönen Sonntag Euch allen
jakob.wittmann@hotmail.com


,,Ein Leben mit nur einem schwarzen Mikroskop ist möglich aber sinnlos."

Bernhard-Viktor ,,Vicco" Christoph-Carl von Bülow zugeschrieben

rhamvossen

Hallo Jakob,

Was du da zeigst hab ich auch mal gesehen, mit Objektive und Kondensor-Frontlinsen. Wie schon gesagt, Totalschaden, man kan damit gar nichts. Beste Grüsse,

Rolf

Jürgen Boschert

Hallo Jakob und alle,

also irgendwie hatte ich bei Deckgläsern bisher Glück: Zwar habe ich schon verstaubte gehabt, aber Glasschäden bei Deckgläsern jedweden Alters (und ich habe hier sehr alte Packungen, > 20 Jahre) noch nie, ausschließlich bei Objektträgern. Das dürfte am ehesten daran liegen, das Objektträger aus Natronkalkglas, Deckgläser hingegen aus Silikatglas hergestellt werden
Beste Grüße !

JB

Bob

Hallo zusammen,
was mich etwas wundert: Das ist ja kein besonders spektakuläres Objektiv. Warum sollte da eine besondere Glassorte zum Einsatz gekommen sein, die es so sonst kaum mal gibt? Eine Erklärung könnte vielleicht in der Konstruktion zu finden sein. Manche Gläser sind weich und empfindlich, wenn sie nicht zwischen beständigeren Glassorten eingekittet sind könnte die Oberfläche korrodieren. Oder die Verkittung war mal da und hat bei der wärmeintensiven Auflichtarbeit gelitten.

Viele Grüße,

Bob

TStein

#11
Hallo in die Runde,

da ich heute meinen Objektivpark sortiert habe, sind mir wieder ein paar Problemfälle von Reichert in die Hände gefallen. Die waren damals bei einem Leica MEF4A Metallmikroskop dabei, zum heulen. Von 6 Objektiven waren 2 ok und 4 hatten auf der Frontlinse einen ziemlichen Schaden.
Die Objektive waren allesamt die dazugehörigen von Reichert:
IMG_20250126_164056.jpg
Plan Fluor 2,5x/0,075 °°/- >>> Krater/Kratzer

IMG_20250126_164317.jpg
Plan Fluor LWD 5x/0,10 EPI °°/- >>> Kratzer/Krater

Plan Fluor LWD 10x/0,20 EPI IK °°/- >>> Krater
Plan Fluor XLWD 20x/0,40 EPI IK °°/- >>> Kratzer
Plan Fluor 50x/0,80 EPI IK °°/0 >>> ok
Plan Fluor 100x/1,25 Oil IK °°/0 >>> ok

Der Schaden sieht jetzt nicht ganz, wie das hier besprochene Problem aus, aber die Frontlinsen sitzen teilweise tief im Objektiv (da EPI), sodass ich nicht von einem Putzschaden oder einem mechanischen Kontakt ausgehe. Was ich mir gut vorstellen kann, ist, dass die reinen Glasoberflächen der Frontlinsen ein Problem hatten, welches dann dazu geführt hat, dass die finale Entspiegelung auf der Frontfläche teilweise Haftungsprobleme, Ablösungen und Risse zeigt. Zumindest ist das meine Erklärung. So häufig habe ich das aber auch noch nicht gesehen, nur bei Reichert. Ein Paar Bilder liefere ich bei Bedarf nach.

Lg Tino

Bob

Hallo Tino,
bei Frontlinsen an Auflichtobjektiven könnte ich mir vorstellen, dass sie aggressiven Dämpfen zum Opfer gefallen sind. In der Metallografie wird ja mit Säuren gearbeitet, da könnte das passieren.
Schade, wenn so viele von Deinen Objektiven defekt sind. Bei Zeiss sind gerne die Ringspiegel zerdellt.
 
Viele Grüße,

Bob

TStein

Hallo Bob,

danke für die Anteilnahme. Hab dann preislich nochmal etwas Nachlass bekommen, war also nicht ganz so schlimm. Schade ists schon um die guten long-distance- und Interferenzkonstrast-Objektive.
Habs mir beim 5x-Objetiv nochmal fix unter dem Stemi angeschaut und durchs Okular fotografiert.
So richtig klar ist es nicht:

IMG_20250126_181123.jpg
Bild1: Durchlicht, niedrige Vergrößerung
IMG_20250126_181544.jpg
Bild2: Durchlicht, hohe Vergrößerung

IMG_20250126_181625.jpg
Bild3: Auflicht, niedrige Vergrößerung
IMG_20250126_181412.jpg
Bild4: Auflicht, hohe Vergrößerung

Hier sieht man dann doch Chippings, usw. und es scheint, dass sie vllt. sogar ein Stück unterhalb der Oberfläche sind. Vllt. mit Sandpapier geputzt ;) Hab schon geahnt, warum ich mir das Elend nicht so genau anschauen wollte.

Ich denke aber die bei Jakobs Problem-Objektiv sichtbaren "Krähenfüße", könnten wohl trotzdem  Entspiegelungsschichtprobleme sein.

Lg Tino 

Jakob_Wittmann

Guten Abend zusammen,

ich bedanke mich für Eure interessanten Ausführungen!

Lieber Tino, es tut mir auch leid, dass Deine Optiken hinüber sind. Sehr schade. Um so mehr als diese Exemplare, im Gegensatz zu dem 5,5-fach EPI von mir, deutlich hochwertigere und teurere Objektive waren.

Lieber Bob, Du erwähntest Erwärmung als potentielle Schadensursache.

Das ist jetzt bitte Mutmaßung von mir, aber das Zetopan ist eine Ausführung mit zwei Beleuchtungseinrichtungen. Neben der 30 Watt Niedervoltbeleuchtung ist es auch mit einer HBO 200 Watt (Quecksilberhöchstdruck also) Beleuchtung für Durchlichtfluoreszenz ausgestattet.

Ich habe mich noch nicht näher mit der HBO Beleuchtung befasst und möchte sie unbedingt vor einer Inbetriebnahme durchsehen und alles sorgfältig reinigen.

ABER wenn ich mich nicht komplett täusche (das Zetopan ist mit seinen Feinheiten inkl. Lichtwegen für mich noch relativ neu), ist es mit einer geeigneten Stellung zweier Schieber und paar anderen Einstellungen auch möglich, die äußerst starke HBO Beleuchtung für Auflicht zu verwenden.

Na ja, und da wird es sicher vorne SEHR WARM ...

Auch mit Wärmeschutzfilter.

So gesehen ...

Ich füge noch ein Foto des gesamten Aufbaus bei. Durch den Weitwinkeleffekt sieht die HBO Einrichtung deutlich kleiner aus  als sie tatsächlich ist. Bitte nicht täuschen, mit Vorschaltgerät und Trafo (nicht abgebildet) braucht man einen Arbeitstisch mit viel Platz.

Liebe Grüße und Dankeschön



Jakob
jakob.wittmann@hotmail.com


,,Ein Leben mit nur einem schwarzen Mikroskop ist möglich aber sinnlos."

Bernhard-Viktor ,,Vicco" Christoph-Carl von Bülow zugeschrieben