Leider lecker - Schuppen von Dicentrarchus labrax

Begonnen von Fahrenheit, Mai 28, 2025, 07:18:57 VORMITTAG

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Fahrenheit

Liebe Fischfreunde,

heute einmal etwas aus dem Bereich der Zoologie. Anfang Mai hatten wir einen Kochkurs zur mediterranen Küche in Bonn und in einem der Gänge gab es Europäischen Wolfsbarsch (Dicentrarchus labrax), der das Pech hat, ziemlich lecker zu sein.
Wie es sich für einen Kochkurs gehört, waren die Fische "grün", mussten also von Grund auf zubereitet werden. Das fängt mit dem Entschuppen an und als Mikroskopiker konnte ich mir die Gelegenheit, einige Schuppen der Optik zuzuführen, natürlich nicht entgehen lassen.

Wie bei meinen botanischen Beiträgen auch, hier zunächst einige Informationen zum Fisch selbst:


Der Europäische Wolfsbarsch (Dicentrarchus labrax)

Der Europäische Wolfsbarsch oder auch Seebarsch (Dicentrarchus labrax) ist ein Fisch aus der Familie der Wolfsbarsche (Moronidae) in der Ordnung der Doktorfischartigen (Acanthuriformes).

Die räuberischen und nachtaktiven Tiere kommen im Ostatlantik von Marokko bis Norwegen vor, leben aber auch im Mittelmeer und im Schwarzen Meer. Am häufigsten findet man sie in den Gewässern um die Britischen Inseln, vor allem in der Nordsee. Sie leben in einer Wassertiefe von 10 bis 100 Metern, schwimmen und jagen aber bis ins knietiefe Wasser. Man findet sie während der Sommermonate manchmal auch im Brackwasser von Flussmündungen. In den kalten Jahreszeiten schwimmen sie abseits der Küsten in tiefem Wasser.
Sie ernähren sich hauptsächlich von verschiedene Weichtiere, Krebstiere und kleineren Fische.

Bild 1: Junger Europäischer Wolfsbarsch

Aus Wikipedia, Hans Hillewaert, CC BY-SA 4.0

Die Fische erreichen eine maximale Körperlänge von etwa einem Meter und ein Gewicht von ca. 12 Kilogramm. Der Rücken des langgestreckten Körpers ist dunkelgrau, die Färbung wird an den Seiten zunehmend heller, der Bauch ist fast weiß. Die dunkle Seitenlinie ist gut erkennbar.
Die erste Rückensprosse hat meist 7 in Stacheln endende Strahlen und ist grau silbern gefärbt, die zweite, kleinere Rückenflosse ist dunkelgrau bis schwarz, was auch für die kräftige Schwanzflosse gilt.
Die Brust-, Bauch- und Afterflossen sind recht klein und weisslichgrau.

Die Paarung findet von Januar bis März statt. Die Larven schlüpfen aus den von den Weibchen abgelegten Eiern bereits nach ca. drei Tagen. Jungtiere leben in Schwärmen, mit zunehmendem Alter verlieren sie aber ihre Geselligkeit.

Bild 2: Unsere 3 Fische vor der Zubereitung


In der römischen Antike war der Europäische Wolfsbarsch ein beliebter Speisefisch. In der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. wurde er mit geringem Erfolg in Süßwasserseen und Flüssen ausgesetzt. Ab der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. gehörte er zu den verbreitetsten Fischen in den küstennahen Brackwasserbecken.
Auch heute wird der Europäische Wolfsbarsch wieder in Aquakulturen gezüchtet. Der Fisch wird auch als Branzino oder (in Süditalien) als Spigola (italienisch), Brancin (kroatisch), Robalo (portugiesisch), Lubina (spanisch) und im Französischen als Bar commun oder Loup bezeichnet. In der Küchensprache wird er im deutschen Sprachraum auch Loup de mer genannt, was im Französischen jedoch den Gefleckten Seewolf und den Gestreiften Seewolf bzw. die Familie der Seewölfe bezeichnet.

Das zukünftige Überleben des Europäischen Wolfsbarsches ist im Rahmen der Klimakrise durch den damit verbundenen erhöhten CO2-Gehalt im Meereswasser beeinträchtigt, da dieser eine veränderte Reaktion auf sensorische Signale hervorruft. Untersuchungen zeigen, dass Europäische Wolfsbarsche, die erhöhten CO2-Werten (ca. 1.000 µatm) ausgesetzt sind, sich im Vergleich zu derzeitigen CO2-Werten (ca. 400 µatm), bis zu 42 % näher an einer Geruchsquelle befinden müssen, um sie mit ihrem olfaktorischen System aufspüren zu können. Dadurch verringert sich die Wahrscheinlichkeit zur Entdeckung von Futter oder Raubtieren und damit ihre Überlebensfähigkeit.


Kurz zur Präparation

Die Schuppen habe ich zunächst mit Ethanol 30% abgewaschen (vorsichtig zwischen den Fingern reiben ...), um den anhaftenden Schleim zu entfernen. Anschließend habe ich Aufnahmen von den frischen Schuppen gemacht.

Danach wurden die Schuppen für mehrere Stunden in AFE fixiert und anschließend stufenweise in Aqua dest. überführt.

Die Färbung ist W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller. Wie bei botanischem Material habe ich für ca. 8 Minuten mit einmaligem vorsichtigem Erwärmen gefärbt. Achtung, die Schuppen dürfen nur erwärmt werden, da sie sich bei hoher Hitze verformen und unter dem Deckglas kaum noch zu bändigen sind.

Eingedeckt wurden die Schuppen nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol in Euparal. Zur Stabilisierung dienten dabei kleine Montageklammern, da die Schuppen ohne diese aufgrund ihrer dreidimensionalen Form das Deckglas hoch drücken und die Präparate somit Luft ziehen würden.


Die verwendete Technik


Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit den PlanApos 10x, 20x und 40x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 Build T2023-06-11-1120 (64Bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.


Nun zu den Schuppen!

Die Schuppen sind auf dem Rücken und an der Seite größer als am Bauch. Sie erreichen bei den von uns verarbeiteten etwa 45 cm langen Fischen einen Durchmesser von etwa 7 mm. Am hinteren Rand sind sie gezackt und in der Fläche weisen sie ein Rippelmuster auf. Die Färbung entsteht nicht durch vollflächigen Farbeinschluss, sondern durch mehr oder weniger eng aneinanderliegende sternförmige Farbstrukturen, die braunschwarz bis schwarz gefärbt sind.

Bilder 3a-d: Ungefärbte frische Schuppe im Hellfeld





Bilder 4a-c: ... und im Polarisationskontrast




Der gezackte Hinterrand ist nicht verhornt und schlägt sich beim Färben - sicherlich auch durch das Erwärmen - ein.

Bilder 5a-f: Und nun die mit W3Asim I gefärbte Schuppe







Vielen Dank fürs Ansehen, Anmerkungen und Kritik sind wie immer willkommen.

Beste Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Daniel Scheibenstock

Hallo Jörg,

sehr intressant finde ich das ich die selben Sternmuster auch an der Forelle (Salmo trutta fario) gefunden habe. meine Präperation war etwas rudimentärer ( ich bin erst nach dem Kochen auf die Idee gekommen  :-[ )

ich schau mal ob ich ein Foto finde,

liebe grüße
Daniel
Motic BA310 LED (DL: PH; DF;POL, AL: POL)
Zeiss Universal (DL: Fluo; POL AL: Fluo,POL. DIC)
Zeiss IM35 (DL; PH; Fluo;POL)
Bresser Stereolupe

Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=48126.0

liftboy

Hallo Jörg,

aha, noch ein Gourmet :-)
Bei Schuppen kann ich mitbieten:
#1 Zander Rücken
#2 Zander Bauch (Toluidinblau)
#3 Lachs Pigmente
#4 Rotbarsch
#5 Kabeljau
#6 Kabeljau Pigmente

liebe Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Peter T.

Faszinierende Bilder!

Danke fürs Zeigen (und die Anregung).
Liebe Grüße
Peter

Gerd Schmahl

#4
Hallo Jörg,
das ist mal wieder ein sehr schöner Beitrag aus der Rubrik "Feinschmecker-Mikroskopie"!

Und dann die  W3Asim I-Färbung für Fischschuppen zu verwenden, dass nenn' ich innovativ! Ich frage mich nur, ob die rot gefärbten Partien tatsächlich verholzt sind 8)

Spaß beiseite: Die ungefärbten Schuppen gefallen mir am besten.
Die Pigmentzellen (da gibt es übrigens außer den großen schwarzen noch kleine gelbe) gehören nicht direkt zur Fischschuppe, sondern sind Reste der Haut. Deshalb findest Du sie auch ausschließlich auf der bezahnten Seite der Kammschuppen. Die Schuppen stecken ja mit diesen Zähnen in der Haut, weshalb Barsche und Zander sich auch relativ schwer entschuppen lassen. Angler wissen, dass man diese Fische am besten direkt nach dem Töten schrubben sollte. Fische mit Rundschuppen wie z.B. die Forellen sind da weniger anspruchsvoll.
Die Pigmentzellen können vom lebenden Fisch übrigens in ihrer Größe verändert werden, und damit die Farbgebung. Besonders krass haben das die Plattfische drauf.

Zur Präparation:
Die ist wirklich tricky. Ich bin auch sehr gespannt, ob Du mit Deinem geliebten Euparal wirklich dauerhaften Erfolg hast. Fischschuppen sind seeehr elastisch und Euparal härtet nur sehr langsam aus, schrumpft aber relativ stark. Ich hoffe die ziehen keine Blasen.
Beim Entwässer (egal ob mit Alkohol oder durch Trocknen an der Luft) wölben sie sich oft sehr. Trocknen zwischen zwei Objektträgern auf der Heizung hat leider auch zu Sachrumpfrissen geführt (siehe hier). Die besten Ergebnisse habe ich mit langsamen Entwässern über mehrere Tage in langsam aufsteigender Alkoholreihe erzielt. Iopropanol entzieht das Wasser ja etwas langsamer als Ethanol. Vielleicht ist ja auch das hilfreich.

Auf die speziellen Zellen der Seitenlinie hast Du nicht zufällig geachtet? Beim nächsten Mal bitte beachten, denn die sind schon speziell mit ihrem Kanal für die Drucksensorik. Siehe auch hier.
LG Gerd
Mikroskopischer Allesfresser

Rawfoto

Hallo Jörg

Ein spannender Beitrag, Fischschupen werden ja nicht so oft gezeigt, gefärbt mit W3A ist für mich was vollkommen Neues, auf die Idee muss man erst einmal kommen.

Ich habe mich bei Fisch auf Essen spezialisiert😚

Zahlt sich aber aus da auch einen Schritt zu wagen.

Liebe Grüße
Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

ein interessanter Beitrag, super Bilder.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

M Beier

Hallo Jörg,
tolle Bilder!
Sehr spannend finde ich ich streifige Struktur. Soweit ich weiß bestehen Fischschuppen aus Knochenmaterial und Kollagen. Aber wie das mit den Farbstoffen korreliert ist mir nicht klar. Ich dachte, dass Knochen oben und das Kollagen unten wäre. Hier sieht es aber so aus, als würden zwei Materialien abwechselt wachsen.
Schon sehr verwunderlich.
LG Maria

Gerd Schmahl

Hallo Maria,
ZitatSoweit ich weiß bestehen Fischschuppen aus Knochenmaterial und Kollagen. Aber wie das mit den Farbstoffen korreliert ist mir nicht klar. Ich dachte, dass Knochen oben und das Kollagen unten wäre. Hier sieht es aber so aus, als würden zwei Materialien abwechselt wachsen.
Das ist auch so, also dass unten die kaum verkalkte Schicht ist und oben die knöcherne mit eingelagertem Hydroxylapatit verstärkte Schicht. Das ist auch der Grund, warum sich die Schuppen so stark nach unten/innen einrollen, wenn sie Wasser verlieren durch Austrocknung oder chemischem Entzug. Man darf sich das aber nicht als zwei vollkommen glatte Schichten vorstellen. Vielmehr sind diese miteinander verzahnt. Die Fibrillen der Kollagenschicht ragen teilweise in die Knochenschicht hinein und bilden damit auch das konzentrische Muster der Schuppe. Ich denke, dass das Kollagen in den gefärbten Schnitten blau ist.

LG Gerd
Mikroskopischer Allesfresser

M Beier

Hallo Gerd,
dass die Schichten miteinander verzahnt sind und damit die Streifen entstehen, leuchtet mir ein. Aber Astrablau färbt ja Cellulose und lagert sich an die OH-Gruppen an. Kollagen besteht ja aus Aminosäuren. Da gibt es zwar auch polare Bindungen aber auch mit positiven Ladungen.
Ich glaube, ich muss mich mal genauer mit der chemischen Struktur unserer Farbstoffe beschäftigen und klären warum, sie sich an die unterschiedlichen Strukturen anlagern.
Gruß Maria

Gerd Schmahl

Hallo Maria,
Zitat von: M BeierAber Astrablau färbt ja Cellulose und lagert sich an die OH-Gruppen an.
Ich dachte immer die verholzten Strukturen werden bei W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller rot gefärbt?

Zitat von: https://de.wikipedia.org/wiki/AstrablauAstrablau, systematische Bezeichnung nach Colour Index Basic Blue 140, gehört zur Gruppe der Phthalocyaninfarbstoffe und wird unter anderem in der Mikroskopie zum Anfärben unverholzter Zellwände benötigt. Es handelt sich um einen kationischen, wasserlöslichen Farbstoff,[2] der als Zentralatom Kupfer enthält. Astrablau färbt dabei vorwiegend saure Mucopolysaccharide.

Und wenn ich dann "Mucopolysaccharide" googele erfahre ich, dass es etliche verschiedene Arten davon gibt, und dass allein drei der wichtigsten in Knorpel vorkommen, der ja bekanntlich die Vorstufe vieler Knochens ist und u.a. aus Kollagenfasern besteht.

LG Gerd
Mikroskopischer Allesfresser

M Beier

Hallo Gerd,
verholzte Strukturen bestehen neben Cellulose auch noch aus Lignin und dass das Acridin an das Lignin geht. So dachte ich.
Wenn ich es richtig verstanden haben, besteht Knorpel aus den Polysaccariden und  dem Kollagen (Protein). Die könnten ja unterschiedlich mit den Farbstoffen wechselwirken. Und die Kochensubstanz zeigt vielleicht gar keine Reaktion auf die Farbstoffe?
Gruß
Maria

Fahrenheit

Liebe Freunde,

vielen Dank für Eure Kommentare und Euer Lob!

Tatsächlich habe ich das W3Asim genommen, da ich mein Toluidinblau verlegt habe ...
Ja Acridinrot färbt das Lignin und verdrängt / überlagert das Astrabalu aus den entsprechenden Zellwänden.

Wenn man sich den Aufbau der Fischhaut anschaut, ist es schon spannend, welche Verheerungen man durch das Entschuppen anrichtet. Aber das Zeug muss halt runter, wenn man den Fisch auf der Haut anbraten will und umringt von lauter Feinschmeckern muss der Mikroskopiker nehmen, was übrige bleibt (und sich gegen den eigenen, internen Feinschmecker durchsetzen, der ans Ausnehmen denkt und den Fisch in der Pfanne sehen möchte ;D ).

Von daher war die Fixierung und Präparation etwas hemdsärmlig, aber nach vier Wochen auf der Wärmeplatte halten die Präparate - bnis jetzt ... 

Beste Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM