Färbeartefakte - was ist der Grund?

Begonnen von Peter T., Oktober 31, 2025, 21:53:07 NACHMITTAGS

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Peter T.

Liebe Foristen,

ich schneide und färbe gerade Prunus avium, die Vogelkirsche.

Dabei treten bei allen Schnitten nach dem Färben mit FCA blaue Schleier und Fetzen auf:

pa ff.jpg

Das kenne ich so nicht.

Was habe ich anders gemacht als sonst:

Während meine Proben bisher von Anfang an in Ethanol 70% gelagert sind, habe ich jetzt versucht, mit Ethanol-Eisessig-Fixierlösung vorzufixieren. Dabei habe ich die Probe 4 Tage in dieser Lösung gelassen und dann in Ethanol 70 % überführt. Dann war sie noch etwa eine Woche im Ethanol und wurde heute geschnitten. Schnittdicke 30 µm, keine Probleme beim Schneiden, alles unauffällig bis zum Färben.

Was meint ChatGPT?

Es seien Pektine und Schleimstoffe, die bei Prunus ausgeprägt vorhanden seien, sich aus dem Gewebe lösen und sich durch FCA blau anfärben. Begünstigt sei dies durch ein zu langes Verbleiben in Ethanol-Eisessig (max. 12 h und nicht 4 Tage).

Hm, kann natürlich sein ...

Kennt jemand diesen Effekt und hat eine Erklärung dafür?

EDIT: Das gleiche Ergebnis entsteht bei Färbung mit W-ASim III (Rhodamin, Acriflavin, Alcianblau). Direkt nach dem Färben werden die Schnitte "klebrig", haften aneinander und am Glasboden (!) der Petrischale. Ich tendiere dazu, der KI Recht zu geben und massiv austretende Pektine und Schleimstoffe anzuschuldigen. Ob das mit der Vorfixierung mit der Eisessig-Variante zu tun haben könnte, weiß ich aber nicht.
Liebe Grüße
Peter

Sourdough

Zitat von: Peter T. in Oktober 31, 2025, 21:53:07 NACHMITTAGSWas meint ChatGPT?
Den hätte ich auch gefragt und ich hätte auch, wenn ich gefragt worden wäre, dieselbe Antwort gegeben.

Hab die KI dann noch weiter befragt, es ist schlüssig. Ich geb das hier nicht wieder, weil man die selber fragen kann und der Wortschwall zu viel wäre für hier. Kurz: Möglicherweise Spaltung der in den Pektinen vorhandenen Galakturonsäure-Methylester. Dadurch bessere Wasserlöslichkeit und Quellfähigkeit der Pektine und so deren Austreten mit Schlierenbildung.

Manchmal bekommt man auch gute Antworten von der KI. Man muss nur höflich fragen und wissen, welche Antworten richtig und welche falsch sind. ;) So wie bei Menschen auch.
Gute Nacht
Michael

Peter T.

Hallo Michael,

danke für Deine Bestätigung. Wenn man sich ChatGPT "ranzieht", lernt "er", wann er gründlich sein muss und wann nicht. Das erhöht den Output sinnvoller Aussagen.

Die Vorfixierung mit Essigsäure-Ethanol steht bei mir jetzt auf dem Prüfstand.
Sinnvollerweise mache ich solche Experimente erstmal mit Pflanzen, von denen ich leicht wieder Proben nehmen kann. Bei nächster Gelegenheit also Prunus avium in Ethanol 70% und dann schauen, wie es den Pektinen geht.

Das Ergebnis werde ich dann hier einstellen.
Liebe Grüße
Peter

Sourdough

Hi Peter,

die Vorfixierung mit Essigsäure war für dich sehr erfolgreich. So lernt man neues, was auch über die reine Histologie und Präparation hinausgeht.

Als alter Gsälz-Genießer und Selbsteinkocher noch ein Hinweis auf die Säure als Faktor: Man fügt bei weniger saurem Obst gerne Zitronensäure zum einzukochenden Matsch hinzu, um es besser gelieren zu lassen.

Wenn du also die Gsälz-Früchte alle histologisch durchmachst, wäre es interessant, ob auch Johannisbeeren diese Artefakte hervorbringen. Hier könnten sie auch ohne Essig bei der Fixierung schon auftreten. Diese Früchte sind von Natur aus so sauer, dass man ohne Zusatz von Zitronensäure feste Marmelade bekommt. Das Zeugs geliert teilweise sogar ohne Geliermittel.

Viele Grüße aus dem nebelverwöhnten Westen (also westlich von dir Peter)
Michael

Peter T.

Hi Michael,

ich habe natürlich schon versucht, eine Liste der pektinhaltigsten Pflanzen bei der KI in Auftrag zu geben, aber da werden vor allem die Früchte erwähnt. Sonst scheint es da nicht so viele Studien zu geben. Aber die Idee, die pektinbombigen Pflanzen sich daraufhin mal anzuschauen, ist verlockend.

Der Pektingehalt der Früchte steht aber offenbar nicht immer im Verhältnis zu dem im Holz. Ich darf noch mal die KI zitieren:

Bildschirmfoto 2025-11-01 um 14.38.08.jpg

Ansonsten hast Du absolut Recht: Interessante Erfahrung, Loddar würde sagen "again what learned" und ein weiterer interessanter Aspekt bei der Pflanzenmikroskopie.
Liebe Grüße
Peter

Sourdough

Ich hatte gehofft, du schnippelst die Früchte...

Rawfoto

Hallo Peter

Hast du ein Bleichmittel versucht, ich setze chlorohydrate für mindestens 24 Stunden ein.

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Peter T.

Hallo Gerhard,

Bleichmittel habe ich (bis jetzt) nicht im Einsatz. Wenn ich weiß, dass der Eisessig dem Pektin das Ausfällen ermöglicht, lasse ich diesen in Zukunft weg - zumindest bei den Pektinbomben.
Liebe Grüße
Peter

Peter G.

Hallo Peter T.

Ist denn Dein Befund (Vorhandensein von Pektin) jetzt ein Artefakt (das Dir die Ästhetik der Färbung verdirbt) oder ist es nicht eher die neu gewonnene Erkenntnis, dass das Material reich an Pektin ist (Heureka-Effekt ;)) ?

Grüße
Peter G.

Peter T.

Hallo Peter,

beides. Bei Prunus avium wollte ich Hydathoden zeigen, also Drüsen, die Wasser abgeben. Die kann ich vor lauter Pektinschleier jetzt nicht mehr ausmachen. Insofern verdirbt mir das Artefakt weniger die Ästhetik, als vielmehr die Darstellung spezieller anatomischer Besonderheiten.

Andererseits finde ich es super, dass ich diesem Pektin-Thema auf die Spur gekommen bin. Wer weiß, was daraus noch entsteht.

Was Deine Frage wahrscheinlich am besten beantwortet: Ich habe vier Slides Dauerpräparate angelegt. Bewahrenswert erscheint mir das allemal ... ;)
Liebe Grüße
Peter

Alf

Lieber Peter,

auch bei der Traubenkirsche nach Paraffineinbettung störende Mitfärbung von Pektinen/Schleimstoffen, fixiert wurde in AFE.

LG

Peter T.

Hallo Alf,

besten Dank für Deine Ergänzung! Bei Deinem Präparat sieht es noch gesitteter aus als bei meinem, aber das ist genau der Effekt, den ich meine.

Die Schnitte ähneln sich auch sonst in jeder Hinsicht. Sehr schön, dass Du das als Vergleich zur Hand hattest.
Liebe Grüße
Peter

Peter T.

Die Pektin-Festwochen gehen weiter!

Gestern habe ich Eriobotrya japonica, die japanische Wollmispel geschnitten. Auch hier traten massive Pektinschleier auf.

Die KI vermutet ein Phänomen, das die Familie Rosaceae betrifft. Alle hier genannten Pflanzen stammen aus dieser Familie.
Deshalb habe ich heute eine Probe eines weiteren Vertreters der Rosaceae genommen, Crataegus crus-galli. Mal sehen, ob hier Spross und Blätter ähnlich reagieren.
Nachdem der Pektinaustritt beim Wässern erfolgt, plane ich das Färbeprotokoll zu verändern. Mal sehen ...
Liebe Grüße
Peter

Peter T.

Vom ästhetischen Standpunkt aus sind die Pektinschleier eigentlich ganz hübsch ...



Liebe Grüße
Peter