Botanik: Breitblättriger Sauerklee (Oxalis latifolia): Faszination Pulvinus *

Begonnen von Peter T., Dezember 01, 2025, 22:42:44 NACHMITTAGS

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Peter T.

Die Heimat des Breitblättrigen Sauerklees ist Mittelamerika, insbesondere Mexiko. Allerdings neigt die Art sehr zur Ausbreitung und hat sich als Neophyt zahlreiche andere Länder erobert.
Seine Verbreitung sichert sich der Klee dabei durch seine Rhizome, also unterirdische Brutkörper, die widerstandsfähig und trockenheitsresistent sind. Bei mechanischer Verletzung treiben sie sehr schnell wieder aus. Die Art gilt weltweit als fast unkontrollierbar, wenn sie einmal Fuß gefasst hat.
In Deutschland tritt dieser Klee noch unbeständig auf. Meine Probe habe ich in Kroatien gefunden.

Oxalis-Arten zeigen ein Phänomen, das als Nyktastie bezeichnet wird. Nachts klappen die Blätter zusammen, tagsüber werden sie wieder aufgerichtet.
Dieses Verhalten hat unter anderem dazu geführt, dass Oxalis-Arten beliebte Zimmerpflanzen sind. Hier sieht man den Vorgang bei Oxalis triangularis:

https://www.instagram.com/reels/DFhj_4yz9Xe/

Auf die anatomischen Grundlagen der Nyktastie werde ich noch zu sprechen kommen.

Eine Besonderheit, die der Gattung den Namen gegeben hat, ist das Vorhandensein von Oxalsäure. Sie wird in der Pflanze unter anderem aus Ascorbinsäure (Vitamin C) gebildet. Wie man sich vielleicht denken kann, liegt die Säure normalerweise als Calciumoxalat vor. Calciumoxalat - da war doch was? Richtig, es sind die sehr häufigen Kristalle, die als Drusen, Raphiden und Kristallsand häufig in Pflanzenschnitten eindrucksvoll in der Polarisation aufleuchten. Oxalis-Arten sind Meister der Oxalsäure-Produktion. Für Haustiere (z.B. Hunde) sind diese Arten deshalb giftig.

Zunächst aber der Habitus von O. latifolia

Bild 1 (Wikimedia Commons, Autor Primejyothi)


Bild 2 (Wikimedia Commons, Autor Vinayaraj)


Für den Beitrag habe ich mir Blattstiel und Blatt angeschaut. Ein Spross existiert quasi nicht. Alle Schnitte sind 30 µm dick und mit FCA nach Etzold gefärbt.

Das Schneiden der Pflanze lässt sich am ehesten vergleichen mit dem Versuch, ein feuchtes Papiertaschentuch zu schneiden. Es ist alles extrem weich, schlapp und empfindlich.

Wenn man den Blattstiel etwas zu fest in eine Karotte einbettet, entsteht so etwas hier

Bild 3 (nur zur Abschreckung)


Bettet man ihn zu locker ein, gibt es nur Matsch.
Die besten Schnitte, die ich bekommen habe, sind die folgenden (nicht perfekt, aber immerhin):

Bild 4


Gefühlt bestehen Blattstiel und Blatt zu 80% aus nichts. Die restlichen 20% teilen sich Wasser und eine Handvoll Zellen.
Man sieht das auch hier. Es dominieren großlumige Zellen über den gesamten Querschnitt, nur Epidermis und Leitbündel sind gewohnt konturiert. Es gibt kaum rötliche Strukturen im Bild, also kaum Lignifizierung. Der Klee lebt fast einzig vom Turgor.

Hier noch eine Aufnahme im polarisierten Licht

Bild 5


Wie man sieht, hält sich der Anfall von Calciumoxalat-Kristallen im Blattstiel im Rahmen.

Hier im Detail eines der Leitbündel

Bild 6


Bild 7 (Polarisation)


Selten finden sich Trichome am Blattstiel

Bild 8 (DIC, Stack)


In manchen Schnitten finden sich Kristalle, die eine enorme Größe aufweisen können. Dieser hier ist 44 µm lang

Bild 9 (Polarisation)


An manchen Stellen ist der Blattstiel längs geschnitten worden. Dort kann man dann nach Spaltöffnungen suchen. Hier ist eine (tatsächlich nicht am Blatt, sondern am Blattstiel)

Bild 10 (DIC)


Weiter zum Blatt. Im Übergang vom Blattstiel zum Blatt gelingen noch einigermaßen korrekte Schnitte


Bild 11


Es fällt schwer, hier nach Palisaden- und Schwammparenchym zu differenzieren. Das Mesophyll zeigt an manchen Stellen an der Blattoberseite vielleicht etwas längere Zellen, aber das ist weit entfernt von einem üblichen Palisadenparenchym. Möglicherweise ist dies bereits ein Zugeständnis an die Nyktastie, die ja möglichst bewegliche Blätter erfordert.

Ein BLick auf das Blatt im polarisierten Licht

Bild 12


Hier erkennt man entlang der Blattspreiten dann schon erheblich mehr Calciumoxalat-Kristalle. In der Polarisation wird auch der zerbrechliche Charakter des Blattes noch einmal deutlicher.

Schneidet man weiter weg vom Blattstiel, wird es wieder abenteuerlich. Ich zeige einige der Querschnitte

Bild 13


Bild 14


Bild 15


Man sieht, dass sich um das grünlich gefärbte Mesophyll eine zum Teil nur einzellige Schicht großlumiger, fast schon aufgeblähter Zellen gruppiert. Hier ist nichts gefestigt, nichts stabil. Einzig der Turgor hält dieses Blatt in Form. Bei der Präparation hat man deshalb schlechte Karten.

Hier noch eine Detailaufnahme

Bild 16 (DIC)


Jetzt aber zur Nyktastie. Verantwortlich für die Blattbewegungen ist der so genannte Pulvinus. Das ist ein Apparat aus Flexor- und Extensorzellen. Sie reagieren unter anderem auf Reize, die über Photosensoren vermittelt werden. Untersuchungen haben aber auch gezeigt, dass Oxalis-Arten einen eingebauten "Wecker" besitzen, der auch in Abwesenheit eines Tag/ Nacht-Zyklus die Blattbewegung auslösen kann.
Wie funktioniert das?
In der Zellmembran existieren Ionenpumpen, die K+ und Cl- in die Zelle pumpen können, das Wasser folgt dann dem Gradienten. (Das ist eine vereinfachte Darstellung, in Wirklichkeit ist der Vorgang komplexer.) Bei Nacht sind die Flexorzellen an der Unterseite des Blattes mit Wasser gefüllt, die Extensorzellen an der Blattoberseite haben die Ionen aus den Zellen gepumpt und sind deshalb wasserarm. Die Blätter senken sich bei diesem Vorgang. Wie gesagt ist die Wasserströmung passiv, sie folgt den gepumpten Ionen. Flexor- und Extensorzellen arbeiten also gegenläufig und ermöglichen so das Absenken der Blätter bei Nacht und das Anheben bei Tag.

Der Pulvinus sitzt direkt am Abgang des Blattes aus dem Blattstiel und ist als "Gnubbel" makroskopisch sichtbar.

Hier eine Aufnahme eines Pulvinus von Jacaranda jasminoides. Beim Sauerklee ist der Pulvinus wesentlich zierlicher.

Bild 17 (Wikimedia Commons, Autor Alex Popovkin, Bahia, Brazil)


Weiter mit Bildern von Oxalis latifolia.
Fertigt man an dieser Stelle Querschnitte, so kann man die beiden Zelltypen erkennen.

Bild 17


Bild 18 (Polarisation)


Die kleinlumigen Zellen unterhalb des Leitbündelbereiches sind die Flexorzellen, gegenüber an der Obersite sind großlumige Extensorzellen. Man kann es sich hier gut vorstellen, wenn man die Blattspreiten an den "Ohren" viusualisiert. Schwellen die Zellen unten an und geben die Zellen oben Wasser ab, so senken sich die Blätter. Und umgekehrt.
Faszinierend, oder?

Die Flexorzellen im unteren Bereich weisen longitudinale Kollenchymstränge auf, so genannte mechanische Verstärkungsbänder. Sie unterstützen als stabilisierende Struktur die Flexorzellen des Pulvinus.

Man kann sie auf Detailaufnahmen erkennen:

Bild 19 (DIC, Focus auf die Kollenchymstränge)


Bild 20 (Polarisation)




Wie immer freue ich mich über Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.
Liebe Grüße
Peter

Hans-Jürgen Koch

Lieber Peter,

du zeigst uns die Pflanzenwelt Kroatiens, danke.
Sehr interessant und lehrreich.

Gruß nach München
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Peter T.

Liebe Grüße
Peter