Botanik: Zimmerpflanzen 1: Köstliches Fensterblatt (Monstera deliciosa) *

Begonnen von Peter T., Dezember 06, 2025, 14:59:08 NACHMITTAGS

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Peter T.

Mit Beginn  der kalten Jahreszeit fängt der botanisch interessierte Mikroskopiker an, sich nervös umzublicken. Überall welke Substanz, kahle Sträucher, erstarrtes Leben.
Zwar sind die Lager gut mit Pflanzenproben gefüllt, um den Winter hindurch schneiden und färben zu können, aber man weiß ja nie ...

Bild 1


Dann schweift der Blick im Zimmer umher und Erleichterung macht sich breit: Es gibt ja Zimmerpflanzen!

Natürlich ist mir klar, dass das jetzt keine botanisch korrekte Gruppe ist, aber meine "Pflasterritzenflora" ist ja auch vom Standort her gedacht, also was soll's.
Jedenfalls werde ich in lockerer Abfolge Zimmerpflanzen präsentieren. Ich bin gespannt, ab die Qualität der Schnitte eventuell Rückschlüsse darauf zulässt, ob die Pflanzen in gutem Zustand sind oder ob sie darben. Mal sehen.

Den Anfang macht ein Klassiker: Die Monstera. Die meisten werden sie auch unter diesem Namen anprechen, aber die deutsche Bezeichnung ist "Fensterblatt". Von der Eindeutschung des Artnamens "deliciosa" in "köstlich" sollte man sich nicht täuschen lassen. Die Pflanze ist giftig. Sie gehört in die Familie der Aronstabgewächse (Araceae).

Die Monstera wurde aus Mexiko eingeführt, ab Mitte des 19. Jahrhunderts hat sie dann ihren Siegeszug in die europäischen Wohnzimmer angetreten.

Hier die charakteristische Blattform

Bild 2 (Wikimedia Commons, Autor Raul654)


Weniger bekannt sind die Blüten, aus denen sich dann die Fruchstände entwickeln.

Bild 3 (Wikimedia Commons, Autor Avenue)


Für meinen Beitrag habe ich mir von der Monstera in meinem Sprechzimmer Blattstiel, Blatt und Luftwurzel "ausgeliehen". Alle gezeigten Schnitte sind 30 µm dick und nach Etzold mit FCA gefärbt.

Zunächst der Querschnitt durch den Blattstiel.

Bild 4


Man erkennt den typischen Aufbau der Monokotyledonen (Einkeimblättrigen) mit den über den gesamten Querschnitt verteilten Leitbündeln. Obwohl überwiegend lockeres Parenchym zu sehen ist, hat der Stiel eine gute Festigkeit. Hierzu tragen wohl gerade die disseminierten Leitbündel und die kräftige, lignifizierte Epidermis bei.

Monstera deliciosa betreibt einen wirksamen Fraßschutz durch massenhaft eingelagerte Calciumoxalat-Kristalle. Sie liegen als Drusen oder Raphiden (nadelförmige Kristalle) vor. Im polarisierten Licht sieht man, dass sie beim Fensterblatt sehr häufig sind.

Bild 5 (Polarisation)


Bild 6 (Polarisation)


Bild 7 (Polarisation)


Bild 8 (Polarisation)


Das letzte Bild noch einmal im Hellfeld

Bild 9


Und noch ein Detail aus dem Blattstiel-Querschnitt

Bild 10



Nun zum Blatt. Zunächst die Übersicht im Hellfeld und im polarisierten Licht.

Bild 11


Bild 12


Die Blattspreiten zeigen eine Differenzierung in Palisaden- und Schwammparenchym, obwohl sie nicht sehr ausgeprägt ist, was die Form der Zellen angeht. Die Palisadenzellen erkennt man am besten durch ihren Gehalt an Chloroplasten, die übliche Anordnung mit "hochgestellten", annähernd rechteckigen Zellen ist hier nicht erkennbar.

Bild 13


In längs geschnittenen Bereichen der Blattspreiten lohnt es sich immer, nach Stomata zu suchen. Die Spaltöffnungen sind hier paracytisch angelegt, das heißt, dass jede Öffnung von zwei Begleitzellen flankiert wird. Ich zeige ein paar Beispiele

Bild 14 (100x Oil, Stack)


Bild 15 (100x Oil, Stack, DIC)


Bild 16 (100x Oil,Stack, DIC)


Auch in den Blättern kommen jede Menge Calciumoxalat-Kristalle vor, hier eine schöne Druse

Bild 17 (Polarisation)



Jetzt zur Luftwurzel. Zunächst der Überblick über den Querschnitt. Der Durchmesser beträgt etwa 5 mm

Bild 18


Um den Zentralzylinder herum sieht man gleichmäßiges Parenchym über den gesamten Querschnitt. Ganz außen dann eine Hülle aus abgestorbenen Zellen, das Exoderm.
Der Überblick im polarisierten Licht

Bild 19 (Polarisation)


Nun der Zentralzylinder mit den Leitbündeln im Hellfeld und im polarisierten Licht

Bild 20


Bild 21


Hier noch eine Detailaufnahme des Zentralzylinders

Bild 22


Eine Besonderheit bei vielen Aronstabgewächsen (und auch bei der Monserta deliciosa) ist das Vorkommen von Trichosklereiden. Dies sind stark verdickte, lignifizierte Zellen, die der Festigung des Gewebes dienen. Sie sind oft mehrere Millimeter lang und verzweigt. Sie verlaufen zwischen den Zellen und bilden ein lockeres, aber der festigendes Netzwerk.

Hier sieht man einige Trichosklereiden

Bild 23


Die Sklereiden im Mittelteil wurden durch den Schneidevorgang aus ihrer Längsverankerung gerissen, sie liegen jetzt dem Präparat auf. Andere sind quer geschnitten und zeigen deutlich verdickte Zellwände und reduziertes Lumen, wie man es von Sklereiden kennt. Man muss sich das so vorstellen, dass die Trichosklereiden sich aus der Schnittebene nach oben und unten (also vom Betrachter weg und auf ihn zu) erstrecken und sich dort auch verzweigen. Es ist, als ob ein Geflecht aus stabilen Fäden im Parenchym verlaufen würde. Das gibt der Luftwurzel ihre erstaunliche Festigkeit.

Hier noch die Ansicht im polarisierten Licht

Bild 24 (Polarisation)


Jetzt noch einige Detailbilder quer geschnittener Trichosklereiden (alle 100x Oil)

Bild 25


Bild 26


Bild 27 (DIC)
Md lw 10.jpg

Zum Abschluss noch ein Blick auf das Exoderm. Die sehr dunklen Bereiche zeigen am ehesten angeschnittene Zellwände. Man erkennt, wie wichtig diese äußere Schicht aus mehreren Zelllagen für den Schutz der Luftwurzel ist.

Bild 28 (DIC)



Wie immer freue ich mich über Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.


P.S. In dieser Arbeit von 1946 gibt es Schemazeichnungen, die die Lage der Trichosklereiden anschaulich dokumentieren:

https://www.semanticscholar.org/paper/DIFFERENTIATION-AND-PATTERN-IN-MONSTERA-DELICIOSA.-Bloch/bde8a550bd72c7220091084cd4b1b91828525380


NACHTRAG: Längsschnitt durch die Luftwurzel

Ich wollte noch die Trichosklereiden im Längsschnitt auchen und habe die Luftwurzel entsprechend geschnitten. Dicke wieder 30 µm, Färbung FCA nach Etzold.

Bild 29


Im Hellfeld sieht das alles noch ganz harmlos aus. ganz anders dagegen in der Polarisation

Bild 30 (Polarisation)


Der selbe Ausschnitt, Man sieht eine Fülle an doppelbrechenden Strukturen. Rechts oben sind Tracheen längs geschnitten, auf der linken Seite sieht man eine Menge an langgezogenen dünnen Elementen. Das sind die Trichosklereiden.
Trichosklereiden gehen aus normalen Parenchymzellen hervor, die sich spezialisieren und als "Stützfäden" das gesamte Parenchym durchziehen. Sie sterben ab und bilden ein Gerüst zur Stabilisierung der Luftwurzel.

Jetzt etwas näher ran

Bild 31 (Polarisation)


Und noch näher

Bild 32 (Polarisation)


Man kann schön erkennen, dass sich die Trichosklereiden verzweigen. Dadurch erhöht sich die Stabilität weiter.

Jetzt noch zwei weitere Detailbilder mit weiterer Vergrößerung (40x Objektiv)

Bild 33 (Polarisation)


Bild 34 (Polarisation)


Die Trichosklereiden können (als einzelne Zellen!) mit ihren Fortsetzen bis zu 3 mm lang sein.

Im DIC zeigt sich eine andere Ansicht der Trichosklereiden. In den Zellen erkennt man eine Fülle an Raphiden.

Bild 35 (DIC)


Bild 36 (DIC)



Zum Abschluss noch eine Detailaufnahme der Tracheen im Längsschnitt

Bild 36 (DIC)



Liebe Grüße
Peter

Spectrum

Hallo Peter,
Köstlich sind auch deine wunderbaren Aufnahmen. Vor allem die Pol-Aufnahmen des Zentralzylinders haben eine ganz besondere Ästhetik.
Erinnert mich an OP-Art.
Danke für's zeigen,
und ein schönes Advent-Wochenende
Holger
Holger
Duzen und meine Bilder (auch ungefragt)  bearbeiten, mit eigenen Aufnahmen ergänzen und weitergeben erwünscht!

Peter T.

Liebe Grüße
Peter

Jürgen Boschert

Lieber Peter,

was ein monsteröser Beitrag! Vielen Dank für die Erklärungen und die meisterlichen Fotos.
Beste Grüße !

JB

Peter T.

Liebe Grüße
Peter

anne

Lieber Peter,
diese Pflanze steht bei mir auch. Etwas vernachlässigt, daher wohl mit ausgeprägter Bildung von Luftwurzeln. Mich faszinieren besonders die Bilder der Luftwurzel und der Spaltöffnungen.
lG
Anne

Peter T.

Liebe Anne,

die Monstera war in den 60er und 70er Jahren in nahezu jedem Haushalt zu finden. Also ein echtes Retro-Gewächs. Ich habe mir erst wieder zwei Exemplare für die Praxis geholt. Sind makro- wie mikroskopisch attraktiv.

Liebe Grüße

Peter
Liebe Grüße
Peter

Hans-Jürgen Koch

Lieber Peter,

Gratulation, sehr guter Beitrag.
Zimmerpflanzen liefern viel Material, interessant sind die Orchideen.
Mein Vorschlag kommt bei meiner Familie nicht gut an.

Gruß
Hans-Jürgen

Nachtrag: Bild Nr. 27 wird bei mir nicht angezeigt.
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Peter T.

Lieber Hans-Jürgen,

vielen Dank!
Ja, nicht immer teilt die Familie die Pläne des Mikroskopikers. ;)

Bild Nr 27 habe ich jetzt hier auf den Server hochgeladen, ich habe einen Verdacht, warum pic-upload es nicht annimmt bzw. sogar löscht.
Liebe Grüße
Peter

Wutsdorff Peter

Guten Abend Peter,
von Deinen Bildern bin ich begeistert,
Gratulation!
Gruß Peter W

Peter T.

Liebe Grüße
Peter

Peter T.

Die Trichosklereiden haben mir keine Ruhe gelassen, so dass ich noch einen Längsschnitt durch die Luftwurzel getätigt habe. Für Längsschnitte nehme ich gerne einen Korken, wofür ich einen guten Rotwein empfehle. ;) Die Probe ist mit Sekundenkleber fixiert.

luwuko.jpg


Die Bilder habe ich als Nachtrag in meinem Beitrag oben angehängt (ab Bild 29).


Ich finde, es sind wirklich beachtliche Strukturen!


Liebe Grüße
Peter