Botanik: Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia) - Wurzeln und mehr *

Begonnen von Fahrenheit, Mai 11, 2010, 22:56:08 NACHMITTAGS

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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

toll, was Du da an Literaturrrecherche abgeliefert hast. Das konnte ich in der Schnelle nicht.

Also, ich passe jetzt erst einmal, was Abb. 12 angeht. Am ehesten sieht das noch nach einer abgestorbenen primären Rinde aus. Aber Milas Zitate sagen ja etwas Anderes, was mir plausibler erscheint.

Ich melde mich zu dem Thema noch einmal!

Herzliche Grüße

Detlef
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Fahrenheit

Lieber Martin,

auch Dir herzlichen Dank!

Lieber Detlef,

ich habe nur die Aussagen aus dem Keilschen Aufsatz zusammengefasst. Der ist ja von 1942 und vielleicht nicht mehr ganz aktuell.

Von der Zellschichtung liegt wirklich eine Interpretation als junge Wurzel nahe. Aber die ist doppelt so dick wie bei Keil beschrieben und sollte somit die primäre Rinde längst abgestoßen haben. Bisher ergibt das ganze auch für mich in keiner Richtung ein schlüssiges Bild.

Allerdings ist in allen Texten, die ich bisher gesehen habe, von konzentrischen Ringen von Siebzellen und Milchröhren die Rede - siehe Bild 16. Im Präparat sind die Ringe jedoch unterbrochen.

Bild 16: Zeichnung zum Querschnitt der Löwenzahwurzel aus "The Anatomy og Plants" Nehemiah Grew, 1682,
(© 1995-2005 Missouri Botanical Garden http://www.illustratedgarden.org)


Ob es sich tatsächlich noch um eine junge Wurzel mit primäre Rinde handelt, die an einem günstigen Standort sehr schnell gewachsen ist?   
Vielleicht habe ich den Schnitt aber auch zu weit oben angesetzt und wir sehen den Übergang zur Sprossachse?

Ich bin gespannt, was Du noch herausfindest.

Herzliche Grüße
Jörg
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Mila

#17
Ohne weiteren Kommentar:



Gruß Mila

Quelle: "Mikroskopische Drogenmonographien", Hohmann, Reher, Stahl-Biskup

Damit ist meine Literaturrecherche beendet und ich klappe meine Bücher zu!

Fahrenheit

Liebe Mila,

vielen Dank für die Illustration aus den "Mikroskopische Drogenmonographien". Schön, dass der Verlauf der Milchkanäle und Siebzellen im Phloemparenchym auch in Längstrichtung dargestellt ist, man bekommt so eine viel bessere Vorstellung von der Räumlichen Anordnung der Leitungssysteme.

Ich habe mal gezählt: im Präparat komme ich auf 8 bis 9 Ringe Milchröhren. In der Zeichnung sind es wohl auch 8. Das legt nahe, dass es sich um Wurzeln in einem ähnlichen Stadium handelt. Allerdings ist die letzte Zellschicht sehr dünn gezeichnet und passt somit nicht zu der Situation im Präparat. Gibt es zu der Illustration vielleicht auch einen Maßstab, um den Querschnitt besser einordnen zu können?

Ob wir hier eine Lösung finden? Meine Vermutung von gestern Abend, mit meinem Schnitt vielleicht schon im Übergang zum Spross zu liegen und so die anders gestaltete Rinde erklären zu können, passt wohl eher nicht - immerhin gibt es ja eine Seitenwurzel in der Schnittebene.  ???

Drei Schnitte habe ich noch übrig. Vielleicht sieht man mit einer anderen Färbung mehr. Werde mal Etzold Grün nach Brügmann probieren.

Die Unterstützung bei der Aufklärung meines 'Wurzelproblems' finde ich wirklich klasse. Allen Beteiligten hier nochmals meinen ausdrücklichen Dank!  :)

Herzliche Grüße
Jörg
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Mila

Es lässt mir keine Ruhe..., also gut (*Bücherwiederaufklapp*):

aus "Mikroskopischer Farbatlas pflanzlicher Drogen", Bettina Rahfeld:




aus "Pulveratlas der Drogen", Walter Eschrich (Maßbalken = 100 Mikrometer)




aus "Teedrogen und Phytopharmaka", Max Wichtl:




Leider habe ich den DAC (Deutschen Arzneimittelcodex) mit einer ausführliche Beschreibung der anatomischen Merkmale nicht hier zu Hause. Die Monographie liefere ich nach.

Einen schönen Feier- und/oder Vatertag wünscht
Mila

Rawfoto

Guten Tag an Alle :-)

Mit Spannung verfolge ich diese Serie, einfach spitze was es unter Euch für Wissen gibt und vor allem, welches Wissen Ihr auch mit anderen teilt ==> einfach Spitze!!!

:-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Mila


Fahrenheit

#22
Liebe Mila,

danke für die aufschlussreichen Seiten aus Deiner Bibliothek. Ich bekomme Lust, mal eine Wurzel eintrocknen zu lassen (oder mich in der Apotheke einzudecken), um die Analyse auf Pharmazeuten-Art durchzuführen, wie Du sie uns letztes Jahr im Bonner Kreis gezeigt hast.

Interessant finde ich, dass die Milchröhren nach allen deinen Quellen wohl auch Verbindungen zwischen den Ringen zu haben scheinen, was bei Keil noch streng verneint wird.

Die Inulinschollen scheinen in der Droge ja frei unterwegs zu sein. Sie wären beim Zerkleinern also aus dem Zellverbund rausgebrochen. Das deckt sich in meinen Augen mit den Beobachtungen in meinen Präparaten.

Mittlerweile liegen die mit Etzold Grün (Brügmann) gefärbten Schnitte unter Glas. Der in Bild 12 helle Zellring ist dort genau wie die äußeren verkorkten Zellagen leicht rot angefärbt. Bilder dazu gibt es aber wohl erst morgen Abend oder Samstag, wenn sich die Präparate etwas geklärt haben.

Mal schauen, was sich noch ergibt. Wir werden uns wohl auf die Suche nach einer richtig alten Wurzel machen müssen, um vergleichen zu können. Vielleicht lässt sich ja ein Exemplar im Möhrenformat auftreiben.
Keil schreibt übrigens, dass die Anzahl der Milchkanalringe keinen Rückschluss auf das Alter der Wurzel zulässt. Damit wäre der Durchmesser das einzige verbleibende Kriterium, was aber leider auch stark vom Standort (Nährstoff- und Wasserversorgung etc.) beeinflusst ist.

Lieber Gerhard,

mein Gefühl ist eher, dass wir bezüglich der 'Wurzelfrage' momentan viel Unwissen haben, das wir aber gerne mit allen teilen.  ;D
Dass das hier im Forum aber auch mit Wissen so gehalten wird, zeigen jede Menge andere Threads - und das ist der Grund, warum ich hier so gerne mitlese und schreibe.

Herzliche Grüße
Jörg
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Fahrenheit

Liebe Wurzelfreunde,

nun sind die neuen Schnitte mit der Etzold Grün Färbung nach Brügmann so photogen, dass sich einigermaßen vorzeigbare Bilder ergeben.

Hier zunächst ein Überblick mit einer Dickenmessung der fraglichen Zellschichten.

Bild 17: Äußere Zellschichten der Löwenzahnwurzel, Vergrößerung 100x, Stapel aus 13 Bilder [/URL

Ausgehend von den von Keil beschriebenen Wachstumsstufen der Löwenzahnwurzel versuche ich nun noch einmal eine Interpretaion des Präparats.

Typ 1: Junge Wurzel
Die Wurzelrinde mit Phelloderm, Phellogen und Phellem ist noch komplett erhalten.

Bild 18: Interprätation als Wurzel vom Typ 1, Vergrößerung 100x, Stapel aus 13 Bildern

Von Außen nach Innen:
Phellem     : Verkorktes Abschlußgewebe
Phellogen   : Korkkambium
Pd            : Phelloderm
PZ            : Perizykel und Endodermis, Abschluss des Phloems gegen die Wurzelrinde
PP            : Phloemparenchym
MR           : Milchröhren


Typ 2: Alternde Wurzel (Abgestorbene Endodermis als äußerste Zelllage)
Ein kurzes Zwischenstadium, in meinen Augen unwahrscheinlich.


Typ 3: Alte Wurzel
Verkorkte Zellschichten des Phloemparenchyms als äußere Zelllagen.

Bild 19: Interpretation als Wurzel vom Typ 3, Vergrößerung 100x, Stapel aus 13 Bildern

Von Außen nach Innen:
K     : Kork
AP   : abgestorbenes Phloem
AMR : Milchröhren im abgestorbenen Phloem
???  : Im Rahmen des Aufbaus einer Typ 3 Wurzel fällt mir die Interpretation dieser Zelllagen schwer ...
PP   : Phloemparenchym
MR   : Milchröhren


Bewertung:
Persönlich halte ich es für unwahrscheinlich, dass das Präparat eine alte Wurzel vom Typ 3 zeigt. Dafür spricht zwar, dass man Teile des Gewebes als alte Milchröhren (AMR in Bild 19) interpretieren kann, aber unter der Annahme, dass das gesamte Gewebe bis zum Kork Phloemparenchym ist, ergibt sich - zumindest nach meinem laienhaften Verständnis - keine sinnvolle Bezeichnung für die Zelllagen, die mit drei Fragezeichen gekennzeichnet sind.
Weiterhin würde ich bei einer alten Wurzel eine zerklüftetere und auch dickere Korkschicht als Abschlußgewebe erwarten. Keil hat ja schön beschrieben, dass im Laufe des Sekundären Dickenwachstums der Wurzel außen absterbendes Phloemparenchym verkorkt und schließlich einreißt, weil es dem Wachstumsdruck der tiefer liegenden Schichten nicht standhalten kann.

Damit ist eine Wurzel vom Typ 1 mit kompletter Wurzelrinde für mich die wahrscheinlichere Deutung des Präparates, zumal ich in höherer Vergrößerung eindeutig ein Phellogen zu erkennen glaube:

Bild 20: Wurzelrinde mit Phellem, Phellogen und Phelloderm, Vergrößerung 400x, Stapel aus 5 Bildern


In diesem Modell wäre die Zellschicht zwischen der Wurzelrinde und dem Phloemparenchym als Perizykel/Endodermis anzusprechen. Weiterhin passt ins Bild, dass die Korkschicht nicht zerklüftet ist.

Die mit AMR bezeichneten Strukturen müssten dann als - vielleicht durch den Wachstumsdruck verdichtete Stellen des Phelloderms angesprochen werden.

Klar ist auf jeden Fall, dass sich die Wurzel bereits im sekundären Dickenwachstum befindet, was sich aus der Struktur des  Phloemparenchyms und des Xylems ergibt. Ein diarcher Zentralzylinder ist nicht mehr zu erkennen.

Ich hoffe auf lebhafte Diskussion meines Vorschlags. Vielleicht lässt sich das Rätsel der Löwenzahnwurzel ja gemeinsam doch noch lösen.

Herzliche Grüße
Jörg
 
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Mila

Lieber Jörg,

das ist ja gigantisch, welche Arbeit und Gedanken Du Dir machst!

Ich werde mich da noch mal in Ruhe hinein vertiefen,

herzliche Grüße
Mila

Detlef Kramer

Lieber Jörg,

ja, Mila hat recht, Du hast dich da ordentlich festgebissen - ich meine das im positiven Sinne. Und ich glaube jetzt auch, dass wir zu einer abschließenden Interpretation kommen können.
ZitatDie Wurzelrinde mit Phelloderm, Phellogen und Phellem ist noch komplett erhalten.

Das muss heißen: schon komplett erhalten. Das Periderm ist das sekundäre Abschlussgewebe und ersetzt Epi/Rhizodermis und Exodermis. Zu erkennen an deinem letzten Foto. Allerdings musst Du das anders interpretieren: Phellem ist richtig, Phellogen auch. Die zwei lebenden Zellschichten darunter bilden das Phelloderm. Die darunter liegenden, gequetschten und toten Zellen müssen demnach die Reste der primären Rinde sein. Und demnach hättest du auch mit Endodermis und Perizykel recht.

Jetzt gibt es allerdings einen Widerspruch: nach Milas Zitat müsste die primäre Rinde ja abgestoßen werden und an deren Stelle das Periderm treten. Das ist hier offenbar aber nicht der Fall. Möglicherweise geschieht dies in einem späteren Stadium und es wird ein neues Periderm gebildet; nicht ungewöhnlich.

Weiter komme ich nicht ohne eigene Studien oder Recherchen.

Herzliche Grüße

Detlef
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Mila

Lieber Jörg, lieber Detlef,

wie wäre es denn, wenn wir eine Borkenbildung in Betracht ziehen würden? Allerdings wäre das dann ein wirklich altes Würzelchen... ???

Viele Grüße
Mila

Fahrenheit

Liebe Mila, lieber Detlef,

danke für Eure Anerkennung, aber das will ich jetzt wissen! Also muss ich mir halt auch die Arbeit machen.  ;D

Hätten wir bei einer Borkenbildung nicht wieder Probleme mit den drei Fragezeichen?  ???
Was wäre das dann für eine Struktur?

Lieber Detlef,

vom jungen Würzelchen kommend hast Du natürlich recht. Das "noch" verwendete ich im Hinblick auf Keils 3 Typen. Und da ist es ja der erste beschriebene Typ, von dem aus sich die Wurzel weiter entwickelt. Den Weg dahin hat er garnicht beschrieben und ich glaube, so junge Pflänzchen waren für ihn bei seinem Thema auch uninteressant.

Interpretiere ich Deine Beschreibung richtig:
Bild 21: Korrektur zu Bild 20


Euch beiden vielen Dank und herzliche Grüße
Jörg
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Detlef Kramer

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Detlef Kramer

Hallo Löwenzahnforscher,

ich war heute Vormittag in Darmstadt und habe schnell den Metcalfe zu Rate gezogen. Es ist demnach tatsächlich so, dass zunächst die primäre Rinde erhalten bleibt, später sich aber dann innerhalb des Phloems ein neues Periderm entwickelt, und dann wird natürlich alles, was sich außerhalb befindet, abgestoßen. Dieses Stadium liegt aber hier mit Sicherheit noch nicht vor.

Somit bleibe ich bei meiner letzten Interpretation.

Herzliche Grüße

Detlef
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