Fressen Amöben kleine Kinder?

Begonnen von bewie, Dezember 23, 2008, 14:07:59 NACHMITTAGS

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bewie

Hallo in die Runde,

zu unserem letzten Treffen hatten Mike und Detlef eine Probe mitgebracht, in der unter anderm auch viele Flottoblasten drin waren. Dieser hier dient jungen Grünalgen als Basis:


Beim nächsten waren die Schalen auseinandergeklappt


Beim ersten flüchtigen Blick dachte ich, links sieht man die Knospe, aus der sich die Tentakelkrone entwickelt. Aber sie sah doch etwas merkwürdig aus, irgendwie abgesetzt vom Flottoblast und ganz ohne Andeutung von Tentakel. Der Fokus in der richtigen Ebene klärte dann die Sache:


Hier saß eine Schalenamöbe auf dem Moostierchen-Baby. Schräg daneben, hinter den Algen, sieht man noch den Buckel einer weiteren Amöbe. Jetzt frage ich mich: Saßen die Amöben nur zufällig hier oder fressen sie kleine Moostierkinder? Letzteres kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, ich glaube nicht, dass Amöben Zellen aus der Gewebeoberfläche des Bryozoen-Keimes herauslösen können. Die erste Erklärung scheint mir wahrscheinlicher. Die Flottoblasten schwammen an der Wasseroberfläche und just dort krochen auch viele Schalenamöben herum. Da wäre es kein Wunder, wenn die eine oder andere mal auf einen (keimenden) Flottoblasten kriecht. Aber ich weiß es nicht wirklich. Vielleicht kennt sich jemand besser damit aus?

Zum Schluss noch ein etwas älteres Bild. So sieht es aus, wenn das Moostierchen schon etwas größer ist und schon sein Gehäuse gebaut hat:


Zur Technik: Erstes Bild mit Luminar 16mm und maximalem Balgenauszug an einer Olympus E420, die restlichen Bilder mit einer C7070 am Stemi SV11. Alles geblitzt.

Schöne Grüße und schöne Feiertage!
Bernd Wiedemann




G. Helbig

Hallo Bernd,

bei den ersten drei Fotos müßte es sich um Flottoblasten von Plumatela repens (Kriechendes Moostierchen) handeln. Bei Deinem älteren Bild bin ich mir nicht ganz sicher da der Schwimmrand etwas breiter ausgeprägt ist. Allerdings spricht der Tentakelkranz auch für P. repens.

Schön das die Flottoblasten bei Dir gleich gekeimt haben. Ich knoble noch an dem Auslösereiz herum: austrocken, Kühlschrank, Tiefkühltruhe.
Bisher konnte ich erst zweimal eine gezielte Keimung (nennt man das so?) herbeiführen. Dabei ist mir aufgefallen das die jungen Moostierchen extrem empfindlich gegen Bakterienbefall sind. Alten Moostierchen macht das gar nichts aus.

Berichte doch bitte weiter wie sich die Moostierchen entwickeln.

Viele Grüße

Gerald

bewie

Hallo Gerald,

mit deiner Artbestimmung hast Du sicherlich auch beim letzten Bild recht.

Dass sie keimen, hat mich auch überrascht. Aber sie kamen aus einem kalten und möglicherweise schon einmal leicht angefrorenen Gewässer ins Warme - vielleicht war das der Auslöser. Ich hoffe, dass sie sich auch entwickeln. Vielleicht fressen die Amöben ja die Bakterien ab und leisten auf diese Weise sogar Entwicklungshilfe - aber das ist jetzt nur hemmungslose Spekulation.

Schöne Grüße nach Bayern, schöne Weihnachten und auch nächstes Jahr viel Erfolg mit Deinen Kulturen (und natürlich auch mit allem anderen!)
Bernd

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bewie

Hallo Mike,

ich lasse sie einfach in der Petrischale und fotografiere nur mit dem Stemi. Habe ein Steinchen reingelegt, an dem sie sich festsetzen können. Mal sehen, was draus wird.

Schöne Grüße und noch schönere Weihnachten usw. usf.
Bernd

Wolfgang Bettighofer

#5
Lieber Bernd,

wir haben mit einiger Sicherheit Difflugia corona vor uns. Die Difflugiidae sind üblicherweise Detritusverwerter, sie werden nicht an die jungen Bryozoen gehen.

Tschüß, Wolfgang

PS: Wenn man die Flottoblasten im Winter im kalten Gewässer auffischt und dann zu Hause in Wasser packt, öffnen sie sich nach spätestens 2 Wochen. Die zwischenzeitliche Kältelagerung ist wohl förderlich. Fragt sich, wie lange bei welcher Temperatur nötig ist... Gerald knobelt noch, wie ich lese.
Hier gibt es was für Einzellerfreunde: www.protisten.de

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bewie

Hallo Wolfgang, hallo Gerald, hallo Mike!

Lieber Wolfgang, vielen Dank für die Bestimmung der Amöbe, die mich doch beruhigt. Wenn es mit der Keimung nicht klappt, waren die Amöben jedenfalls nicht schuld.

Lieber Gerald, im Mikrokosmos 75 (1986) lese ich gerade in einem Beitrag von Robert Brons folgendes:
Es ist empfehlenswert, im Herbst gesammelte Flottoblasten etwa zwei Monate einzufrieren, weil eine geraume Ruhezeit erforderlich ist, ehe sie keimfähig werden.
Ist ja auch plausibel, schließlich sind die Stato- und Flottoblasten eine spezielle Erfindung der Süßwasserbryozoen in den winterbedrohten Breitengraden, um die kalte Jahreszeit zu überstehen. Die müssen ja irgendwie sicherstellen, dass der Winter vorbei ist, wenn sie keimen (der Begriff "keimen" stammt in diesem Zusammenhang übrigens aus der Fachliteratur). Bei den marinen Bryozoen gibt es diese Gebilde nicht, die müssen nicht mit zugefrorenen Gewässern zurechtkommen.

Lieber Mike, die Beobachtung mit den Farbunterschieden habe ich auch gemacht: Die Flottoblasten, die aufgehen, sind oft heller als die anderen.

Schöne Grüße
Bernd Wiedemann

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