Botanik: Eine dornige Angelegenheit - Poncirus trifoliatus *

Begonnen von Fahrenheit, November 06, 2011, 08:06:58 VORMITTAG

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

bei einem Besuch im Botanischen Garten Bonn bin ich über die Dreiblättrige Orange (auch Bitterorange; Poncirus trifoliatus) gestolpert, von deren Spross ich einige Schnitte zeigen möchte.

Die Dreiblättrige Orange aus der Familie der Rautengewächse (Rutaceae)  - nicht zu verwechseln mit der Pomeranze (Citrus × aurantium L.), ebenfalls eine Rutacee mit dem Trivialnahmen Bitterorange - ist die einzige Art der Gattung Poncirus und stammt aus Asien. In Zentral- und Nordchina sowie in Japan kommt sie wild vor, wurde aber auch als Heckenpflanze kultiviert.

Poncirus trifoliatus wächst als stark bedornter, kompakten Strauch mit sehr dicht stehenden Ästen. In Höhe und Breite erreicht sie eine Größe von bis zu 4 Metern. Die Rinde der deutlich abgeflachten Zweige bleibt grün, älteren Zweigen zeigen oft einen wachsartigen Belag. Die Dornen sind umgewandelte Sprosse, in deren Achseln die Wachstumsknospen der Pflanze sitzen.
Die dreiteiligen Blätter sitzen an einem leicht geflügelten Blattstiel und zeigen bevor sie abgeworfen werden eine schöne orangefarbene Herbstfärbung.

Die Blütenknospen für das Folgejahr werden bereits im Herbst gebildet. Die relativ großen, zwittrigen Blüten zeigen sich von April bis Mai und stehen alleine, selten auch zu zweit in den Blattachseln. Ihre Kronblätter sind etwa 2 cm lang und 1 cm breit. Die 20 bis 23 Staubblätter der Blüte sind im Gegensatz zur Gattung Citrus nicht verwachsen.

Die runde, gelbe Frucht hat einen Durchmesser von ca. 3 bis 5 Zentimeter und mit fünf bis acht Millimeter eine recht dicke, behaarter Schale. Sie enthält 25 bis 40 glattschalige Samen. Der saure Saft enthält Harzöle und macht die Frucht ungenießbar. Reife Früchte verströmen einen starken Zitrusgeruch.  

Die Dreiblättrige Orange besitzt einen kompakten Wurzelballen, der eher an der Oberfläche bleibt. Dazu ist sie recht anspruchslos, was eine Haltung im Pflanztopf sehr erleichtert. Daher wird sie gerne als Pfropfunterlage für diverse Zitruspflanzen genutzt.  

Bild 1: Eine schöne Dreiblättrige Orange vor dem Wirtschaftsgebäude im Nutzpflanzengarten der Universität Bonn


Bild 2: Lange Dornen im Astgewirr - da wird schnell klar, warum Poncirus trifoliatus als Heckenpflanze genutzt wird


Bild 3: Ein Blick auf die abgeflachten Äste mit den großen Dornen


Bild 4: Ein einzelnes Blatt übt schon mal die Herbstfärbung


Kurz zur Präparation

Nach dem freistehenden Schnitt auf dem Handzylindermikrotom (mit Leica Einmalklingen im SHK-Halter, Schnittdicke ca. 50 µm) wurden die in AFE fixierten Schnitte nach gründlichem Wässern mit Rolf-Dieter Müllers W3Asim II gefärbt und in Euparal eingeschlossen. Eine genaue Färbeanleitung kann auf den Seiten des MKB heruntergeladen werden.
Das Holz der Dreiblättrigen Orange ist sehr feinporig und hart. Beim Schnitt auf dem Zylindermikrotom hat sich die Probe dadurch leicht angehoben, was teilweise zu keilförmigen schnitten unkontrollierbarer Dicke geführt hat.

Und nun die Schnitte ...

Bild 5: Schnittführung

Die ersten Schnitte der Serie entsprechen der Position 1 im obigen Bild. Weiter unten (Pos. 2) habe ich versucht, Schnitte durch die Knospe in der Sprossachsel zu führen, welche leider nicht so gut gelungen sind.

Bild 6: Übersicht, Makroaufnahme mit der Canon S3IS

Wie schon beim Hiba-Lebensbaum habe ich das Präparat von oben auf die Frontlinse des Objektives gelegt und durch ein Blatt Papier als Diffusor mit zwei Jansjö-LED-Lampen beleuchtet.
Die unregelmäßige Ausleuchtung des Hintergrundes ist den Fertigungstoleranzen des Papiers geschuldet.  ;)
Der Durchmesser des Sprosses beträgt hier an der Langseite etwa 6,6 mm.

Bild 7a/b: Übersicht, Bild 7b mit Beschriftung; Vergrößerung 50x, Stapel aus 7 Bildern


Die Beschriftung von innen nach außen:
MP:  Markparenchym
PXL: Primäres Xylem
T:    eine der kleinen Tracheen
MS:  Markstrahl
JG:  Jahresringgrenze
Ca:  Cambium
Pl:   Phloem
Skl: Zellen des bereits eingerissenen Sklerenchymrings
Pa:  Rindenparenchym, breiter Ring einfacher, parenchymatischer Zellen
AP: Assimilationsparenchym im äußeren Drittel des Rindenparenchyms mit palisadenartiger Anordnung
St:  ein Blattspalt (Stoma)
Ep:  einlagige Epidermis
Cu:  Cuticula

Bild 8: Markparenchym und primäres Xylem; Vergrößerung 200x, Stapel aus 10 Bildern

man erkennt schön die kleinlumigen Zellen des verholzten Xylemparenchyms mit den ebenfalls sehr kleinen Tracheen. Im Markparenchym finden sich zwei Zelltypen: große ballonartige Parenchymzellen und kleinere, gestrecktere Zellen mit großen Tüpfeln.

Bild 9a/b: Eine interessante Stelle im Xylemring, Bild 9b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus 10 Bildern


In der Bildmitte zeigen sich zwischen zwei großen Markstrahlen seltsam deformierte Zellen, die wie längst angeschnitten wirken.
Von innen nach außen (links nach rechts):
MP: Markparenchym
MS: Markstrahl
T:   Tracheen
Xl:   Xylem
Ca:  Cambium
Pl:   Phloem
Skl: Sklerenchym
Pa:  (Rinden-)Parenchym

Bild 10: in der Nähe der Sprossgabelung geht das auch noch extremer ... ; Vergrößerung 400x, Stapel aus 19 Bildern


Bild 11a/b: Die äußeren Zellschichten mit tief eingesenkten Stomata, Bild 10b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus 8 Bildern


Sehr schön die Blattspalte in der Epidermis mit ihren recht speziell geformten Zellen.
Beschriftung von innen nach außen (unten nach oben):
Pa: (Rinden-)Parenchym
AP: Assimilationsparenchym
IZ: kleiner Interzelllularraum hinter dem Stoma
ST: Stoma
SZ: Schließzelle
VH: Vorhof des eingesenkten Stoma
EP: Epidermis
Cu: Cuticula

Bild 12 a/b: Ein Harzkanal, Bild 11b mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus 20 Bildern


Schön ist der Aufbau des Kanals mit den innen liegenden Drüsenzellen und den Wandzellen mit den gegenüber den Zellen des umgebenden Parenchyms leicht verdickten Zellwänden zu erkennen.
Beschriftung von innen nach außen (unten nach oben):
Pl:   Phloem
Skl: Sklerenchym
Pa:  (Rinden-)Parenchym
SK:  Sekretkanal, hier als Harzkanal.
DZ: Drüsenzellen
WZ: Wandzellen
AP:  Assimilationsparenchym
ST:  Stoma
EP:  Epidermis
Cu:  Cuticula

Bild 13a/b: Randzone der Knospe (Schnittebene 2 in Bild 5), Bild 13b mit Beschriftung; Vergrößerung 50x, Stapel aus 10 Bildern


Zwischen dem abgestorbenen Gewebe am Rand der Knospe und den hier heranreichenden Leitbahnen (Xylem und Phloem) des Sprosses liegt eine Korkschicht.
Im Bereich der Sprossgabelung und der Knospe ist es mit der regulären Struktur der Leitbahnen vorbei.  
Beschriftung (von innen nach außen):
MP: Markparenchym
MS: Markstrahl
Xl:  Xylem
Ca: Cambium
Pl:  Phloem
Pa: (Rinden-)Parenchym
Ko: Korkschicht
KG: Gewebe des Knospenrandes

Bild 14: Etwas näher heran; Vergrößerung 200x, Stapel aus 10 Bildern


Bild 15: Lage der Leitbahnen in der Nähe der Sprossgabelung, Vergrößerung 200x, Stapel aus 12 Bildern


Bild 16: Hier der Querschnitt durch die ruhende Knospe, Vergrößerung 50x, Stapel aus 16 Bildern

Leider ist der Schnitt zu dick geraten und trotz Differenzierung deutlich überfärbt. Ich finde den Aufbau der Knospe jedoch so interessant, dass ich Euch das Bild trotzdem "zumute".  :)

Bild 17: Mit der folgenden Impression aus dem Mark des Sprosses möchte ich den Beitrag abschließen; Vergrößerung 400x, Stapel aus 14 Bildern


Vielen Dank fürs lesen, Anregungen und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

David 15

Hallo Jörg,

Toller Beitrag ! Wie immer tolle Fotos und super Schnitte.

Schade das man die Früchte nicht essen kann. Sehen äuserlich eigentlich ganz lecker aus  ;D

Viele Grüße
David
''Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.'' ( Albert Schweitzer)

Vorstellung: ''Hier''

Jan Kros

Hallo Jörg
Wunderschöne Aufnahmen von eine interessante Pflanze
Danke fürs zeigen
Liebe Gruss
Jan

Ronald Schulte

Jörg,

Ich bewundere immer deine ausführliche Beitragen. Nicht nur eben ein Bild zeigen aber richtig Arbeit davon machen.
So kann ein kompletten Pflanzen 'nono' wie ich auch begreifen wo es um dreht (Nono heißt bei uns=know nothing).

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

HDD

Lieber Jörg

Danke für diesen faszinierenden Bericht und die Super-Bilder.

Herzliche Grüße

Horst-Dieter

Fahrenheit

Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer großes Lob! Bei einem so positiven Echo gehen die nächsten Schnitte gleich besonders glatt von der Hand.  :)

Lieber David,

die duften so schön frisch und sind dabei so was von bitter - eine echte Mogelpackung.  ;D

Lieber Ronald,

schön, dass Du Dich in den Pflanzenschnitten zurecht findest! Mir geht es genau so mit Deinen Mäusen, da bin ich der 'nono' und habe dank Deiner klaren Präparate und der immer sehr informativen Erläuterungen schon jede Menge mit genommen.

Allen herzliche Grüße
Jörg
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Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

entschuldige bitte meine späte Antwort.
Ich habe mir einen neuen PC gekauft und es dauert lange bis das gute Stück so eingerichtet ist, wie ich es gerne hätte.
Deine Schnitte und die Färbung gefallen mir sehr gut.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Mila

Lieber Jörg,

da hast Du Dir ja eine ganz besondere und eher untypische Vertreterin der Rutaceae ausgeguckt :)
Einen schönen Beitrag hast Du wieder erstellt, die Aufnahmen der Stomata und des Harzkanals finde ich besonders interessant.
Ich habe selber noch nicht recherchiert, aber weißt Du, ob es (lysigene) Ölbehälter für ätherisches Öl in der Frucht"schale" (dem Exokarp) gibt?

Die Färbung ist so schön passend in grün und orange 8)

Herzliche Grüße
Mila

Fahrenheit

#8
Liebe Mila, lieber Hans-Jürgen,

auch Euch vielen Dank für die Blumen!  :D

Liebe Mila,

nein, ich habe da nicht speziell nachgeforscht und eine Frucht wollte ich auch nicht "entwenden" - mir fehlt also die Möglichkeit zur eigenen Analyse. Ich denke aber, dass das Exokarp bei der Dreiblättrigen Orange ganz ähnlich aufgebaut ist, wie bei den Vertretern der Citrus-Arten. Ein Hinweis mag vielleicht darin liegen, dass der Saft der Früchte als sehr bitter und harzig beschrieben wird.

Auch die gestreckte Form der Epidermiszellen mit den zwei "Hörnern" finde ich sehr interessant, genau wie das das Palisadenparenchym direkt darunter, das ich so ausgeprägt noch nicht in einem Spross gefunden habe.  

Lieber Hans-Jürgen,

ich hoffe, Du hast Deinen Rechenknecht nun so weit parat, dass er wieder tut, was er soll!

Euch beiden herzliche Grüße
Jörg
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