METALLURGIE/ARCHÄOLOGIE: Kupferverhüttung im Mittelalter

Begonnen von Bastian, November 13, 2011, 19:32:19 NACHMITTAGS

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Bastian

Hallo Forumsgemeinde,
angeregt durch Klaus' Beitrag zu den Lackschichten und des Ungleichgewichts zwischen werkstoffwissenschaftlichen und biowissenschafltichen Beiträgen und zur Überwindung der eigenen Trägheit hier nun ein paar Zeilen zur Kupferverhüttung im Mittelalter.

Bild 1, PPL, 200 µm Bildbreite, Schlacke, Stein, Metall

wu Wüstit
frk Franklinit
bn Bornit
cc Chalcosin
Cu Kupfer
ZnS Zinksulphidphase
gls Glasig Grundmasse

Das Bild zeigt einen entscheidenden Schritt der Kupferverhüttung, nämlich des Verschlackens der Eisensulfide und (-oxide) sowie im Falle dieses Erzes auch der Zinksulfide. Wir sehen am Rand der Pore den Stein, der in diesem Falle aus einen Bornit-Chalkosin (Cu5FeS4-Cu2S) Mischkristall besteht, zudem kommt in diesem Stein noch Zinksulfidphase (rekristallisiert). Stein beschreibt in der Metallurgie ein intermediäres Produkt auf halbem Wege zwischen Erz und Metall. Es ist bereits an Unerwünschten Begleitern abgereichert, bzw. an den gewünschtem Materialien angereichert.

Die Schlacke besteht aus einer glasigen Matrix worin sich die verschiedenen Schlackenphasen (Anmerkung: Die Archäometallurgie bezeichnet fast alle anthropogenen Mineralneubildungen als Phasen, als Abgrenzung zu dem Mineralen  natürlichen Ursprungs. Naja, wie jede Terminologie, ist auch diese nur Mittel zum Zweck, und deshalb IMMER Grund für zahllose Diskussionen...): Wüstit (FeO), ein Spinell mit franklinitischer  Zusammensetzung (Fe,Mn,Zn)Fe2O4) und einer Zinksulfidphase. An der Grenze zwischen Stein und Schlacke kann man sehen, wie sich die Zinksulfidphase in die Schlacke absetzt. Die Eisenverbindungen aus dem Stein werden in der Form von Wüstiten und Spinellen in der Schlacke wieder gefunden. Spinelle krisatillisieren früh, sind also oft idiomorph ausgebildet und damit leicht bestimmbar.

Das gleichzeitige Auftreten von Kupfer, Bornit und Chalkosin beweist dass sich das chemische System im Ungleichgewicht befindet, denn diese Phasen können im Gleichgewichtszustand nicht nebeneinander existieren.

Bild 2, PPL, Bildbreite 2mm, Gemüsefragment Holzkohlenfragment in Schlacke konserviert, vermutlich Buche. Vielleicht kann mir das ja noch jemand bestätigen oder auch mitteilen, dass es falsch ist..



Kupfer wurde im MA (hier 12.Jhdt, Harz) in einem Anreicherungsverfahren hergestellt. Hierbei wurde der Stein an Kupfer und Blei angereichert und die beiden verschiedenen Metallphase in zwei verschiedenen Öfen weiterverarbeitet. Zwischenprodukte wurden in diesem Prozess kontinuierlich recycelt, so dass am Ende de Prozesskette ein Schwarzkupfer (Cu ~90%) einerseits und ein Werkblei (Pb mit etwa 0.3% Ag) entstanden. O.3 % Silber im Blei ist durchaus als sehr lohnendes Blei einzustufen. Die wirtschaftliche lohnenswerte Grenze lag in der Renaissance in etwa bei 600-800 ppm!!  Das Blei wurde in der Münze (also wo die Münzen geprägt werden) zu Silber und Armblei im Treib- oder Kupellationsschritt  (Blei wird oxidiert, edles Silber bleibt als Blicksilber übrig) weiterverarbeitet. Falls Interesse besteht wird hierzu demnächst noch ein Thread folgen.

Stellt man sich nun vor dass man für 1g Silber in etwa 3kg Blei in Bleioxid überführen musste kann man sich vorstellen, dass Unmengen an Holz schon als Brennstoff gebraucht wurde. Um 1350 müssen wir mit einer nahezu vollständigen Entwaldung in den zentraleuropäischen Mittelgebirgen, bzw. Erzrevieren rechnen. In den Verhüttungsöfen kam im MA Holzkohle zu Einsatz (Bild 2), wobei die Verhüttungsplätze den Meilern im Wald folgten, da sich Holzkohle nur mit Qualitätsverlust transportieren lässt.

Viel Spass beim Lesen wünscht euch,
Bastian

Lothar Gutjahr

Hallo Bastian,

erst mal vielen Dank für den interessanten Beitrag. Damit eine Kontinuität des threads schon mal angetriggert wird, gleich die Frage: Wie hoch waren in etwa die Durchsätze solcher "Hütten" ?

Lieben Gruß

Lothar

Fahrenheit

Lieber Bastian,

schön, dass Du Deine Trägheit überwinden konntest!  ;)
Ich schließe mich Lothar an: vielen Dank für den interessanten Beitrag.

Herzliche Grüße
Jörg
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Bastian

Hallo Lothar und Jörg,
dank euch für die Blumen.

Also der Durchsatz solcher Hütten - Da muss ich voraus schicken, dass das lokal natürlich VÖLLIG unterschiedlich sein kann und gerade im Mittelalter enorme Unterschiede bestehen. Aber für den Harz haben wir Dank meiner Kollegen von der Denkmalpflege eine sehr gute Datenlage.
Für die Fundstelle die ich bearbeitet habe haben wir mit etwa 700 kg Kupfer zu rechnen. Aufgrund der Schlacken- und Erzchemie sind wir mit dieser Zahl auf der sehr sicheren Seite. Was Blei und in der Folge dann Silber angeht sieht es schwieriger aus. Da kann ich nur einen Rahmen von etwa 300 -1000 kg angeben, da das Erz keine feste oder auch nur annähernd feste Relation zwischen Kupfer und Blei hat. Es wären also mit 600 g  - 3 kg Silber zu rechnen. Immerhin ergäbe das 600-3000 sogenannte Pfennige, der gängigen Silberwährung zur damalige Zeit. -
Als Vergeich, es musste ein Lot Silber (etwa 14g) bezahlt werden um den Brennstoff für zwei Bälge für eine Woche schlagen zu dürfen.- Das war ein stolzer Preis. Wenn man dann aber bedenkt dass  die Hütten nur saisonal, oder vielleicht sogar nur einige Wochen im Betrieb waren relativiert sich der stolze Preis auch schon wieder. es zeigt zudem welche Wertschöpfung erfolgte und dass der Bergbau ein äußerst lohnende Sache war.

Zur Relation der 700 Kg Kupfer; wir kennen etwa 2500 Fundplätze im Harz die mit Metallurgie  zu tun haben. Wir wissen außerdem dass es eine ganze Reihe ähnlich organisierter Fundplätze des 10-13 Jahrhunderts gab. Der Fundplatz ist also kein Einzelfall sondern eher als typisch einzustufen.-
Aus dem 13 Jahrhundert wissen wir dass etwa 50 Schmelzhütten gleichzeitig im Betrieb waren. wir können davon ausgehen dass das im 12 Jahrhundert ähnlich war. Wir kennen außerdem, zeitgleich eine Bestellung von 300 Doppelzentnern Kupfer für das Dach des Bamberger Doms. Damit wäre klar dass die 700 kg pro Fundplatz durchaus eine reelle Größenordnung darstellen.
Naja nun höre ich lieber auf, es ist ja schließlich kein Archäologie Forum  ;),

Bastian

Klaus Herrmann

Hallo Bastian,

Danke, dass du den Ball aufgenommen hast und dann auch gleich mit so einem interessanten Beitrag!

Spannend, dass man mit wissenschaftlichen Methoden so viele fundierte Aussagen über die Vergangenheit machen kann!

Sogar "Gemüse" bringst du, wenn auch sehr holziges ;) Mit Buche könntest du richtig liegen. Genauer Rotbuche. Die Wachstumsrichtung wäre dann von links nach rechts. Die Poren werden zum Jahresring hin kleiner.

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Rawfoto

Hallo Bastian

Danke fuer den spannenden Beitrag, der ist einmal was anderes ... Ich wuerde auch mehr lesen ...

Liebe Gruesse aus Wien :-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

beamish

Hallo Bastian,

hör bloß nicht auf, hier solche Beiträge zu bringen! Fast wäre ich auch in der Montanarchäologie in Bochum hängengeblieben.... ;-)
Fagus würde ich übrigens auch meinen, bei Deiner Holzkohle.

Grüße

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Lothar Gutjahr

Ja es dauert ein wenig, bis dieser Holzkohleeinschluss sich so richtig ins Bewußtsein schiebt. Inzwischen meine ich schon die Frage an die "Holzwürmer" stellen zu müssen, was ist da wohl für ein kaltes Jahr gewesen, welches fast Nullwachstum zeigt bei den Jahresringen? (zwischen dem zweiten und dritten von links gezählt ) Irgendwer kann da doch das Jahr drann festmachen, wenn Bastian das Jahrhundert beisteuert. ;D

LG Lothar

Bastian

@Martin, Gerhard
danke, da werde ich eurer Aufforderung wohl nachkommen müssen.

@Lothar,
kalt ist es im Harz immer, und immer schon gewesen. Sogar im Sommer. Aber wir haben natürlich auch richtige Hölzer von der Grabung. U.a. eine 60 cm dicke Buche samt Rinde. Dendrodatierung sollten also kein Problem sein, denkt man... Aber das beauftragte Dendro Labor war nicht in der Lage dazu  ???

Wir haben aber genügend andere Möglichkeiten zu datieren. Dennoch falls jemand mal einen Schweingruber übrig hat kann er mir den gerne zu kommen lassen...
Bastian

Holger Adelmann

Hallo Bastian,

ein sehr interessanter Beitrag, der Appetit auf mehr macht.
Ich habe irgendwo noch ein Stück Schlacke aus einem Rennofen aus dem Lahn-Dillkreis (meine Heimat, ich bin auch mit den Bergwerken grossgeworden...),
den werde ich auch mal zu einem Dünnschliff verarbeiten.

Herzliche Grüsse
Holger



Bastian

Wie ich schon vorher schrieb kann man Schlacken auch ganz hervorragend zu Anschliffe präparieren, denn die opaken Phasen kriegst du im Durchlicht nur sehr schwer bestimmt. Aber ich kann es Dir nur empfehlen ob An- oder Dünnschiff. Im Dünnschliff kann man z.B. den Grad der Korrosion der Schlacke viel besser ablesen, was für nachfolgende Messungen sehr wichtig ist, auch wenn mir klar ist dass Du das natürlich nicht vor hast. Die "Eisenschacken" haben im übrigen auch einen sehr überschaubaren Phasenbestand, womit sich prima anfangen lässt und was sicherlich Lust auf noch mehr macht.

Grüße aus Freiburg,
Bastian

beamish

Zitat von: Bastian in November 13, 2011, 22:36:11 NACHMITTAGS
Dennoch falls jemand mal einen Schweingruber übrig hat kann er mir den gerne zu kommen lassen...

Hallo Bastian,

das Wichtigste vom Schweingruber findest Du auch online: http://www.wsl.ch/land/products/dendro/

Herzlich

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Bastian

Hallo Martin,
danke für den Link! Den kann ich gut gebrauchen.
Bastian

Hugo Halfmann

Hallo Bastian,

wegen mir darfst Du gerne viel mehr über dieses Thema schreiben, ich finde das hoch interessant !

Irgendwo bei mir im Keller schlummert noch eine sog. Ofensau aus dem Bergischen, ich hab das Ding mal bei einer Wanderung im Wald gefunden. Als "Ofensau" wird in der Literatur der misslungene Schmelzversuch von Eisenerz in einem Rennofen genannt. Die Hüttenbetreiber erhielten trotz aller Mühe kein ausschmiedbares Eisen und der ganze Aufwand war umsonst....

Kannst du mir sagen, ob sich davon auch Dünn- oder Anschliffe herstellen lassen, mir kommt dieses Gebilde recht spröde / bröckelig / instabil vor ... ???
Viele Grüße aus dem Bergischen Land

Hugo Halfmann

TPL

#14
Zitat von: Bastian in November 13, 2011, 21:04:00 NACHMITTAGSNaja nun höre ich lieber auf, es ist ja schließlich kein Archäologie Forum  ;)

Hallo Bastian,
bitte zeige und berichte uns gerne noch viel mehr von diesem Thema. Mal abgesehen davon, dass es zweifelsfrei einen sehr direkten Bezug zur Mikroskopie gibt, ist das eine wirklich faszinierende Kombination aus Natur- und Kulturwissenschaften, von der ich gerne mehr erfahren möchte.
Noch zu Deinem (zur Kohle geadelten) Gemüse-Partikel: dieser wird petrographisch als Fusinit bezeichnet und sollte - im Vergleich zu anderen kohligen Partikel - sehr stark reflektieren. Waren diese Holzkohle-Partikel bewusste Beigaben, um das Erz zu reduzieren, oder ist das einfach Kontamination aus dem Verhüttungsprozess?

herzliche Grüße, Thomas