PALÄOBOTANIK: Rhizom eines Schachtelhalmartigen aus dem Oberkarbon, UK

Begonnen von Holger Adelmann, März 02, 2012, 15:43:05 NACHMITTAGS

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Holger Adelmann

Liebe Kollegen,

Ich hatte ja vor einiger Zeit schon einmal Fossilien aus einem Torfdolomiten aus dem Oberkarbon von Essen vorgestellt.
Diesen Dünnschliff hatte letztes Jahr die Firma Krantz in Bonn für mich gemacht.
Dieser Thread https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=9001.0 enthält auch den Beitrag zum Essener Torfdolomit.

Aus UK bekam ich nun einen alten Dünnschliff durch einen "coal-ball" - also ebenfalls einen Torfdolomit, wie man in Deutschland sagt.
Diese Torfdolomite befinden sich oft in Lagen in den Kohleflözen und wurden als störender Abraum angesehen, da man sie nicht verheizen kann.
Allerdings enthalten gerade diese Steine die am besten erhaltenen Fossilien aus dieser Zeit der Erdgeschichte.

Das sehr gut erhaltene Original-Präparat mit teilw. handgeschriebenem Label trägt die Signatur "J Spencer".
Dieser Präparator war auf die Anfertigung von Präparaten aus der englischen Kohle spezialisiert, im Web finden sich Präparate von ihm aus der Zeit um ca. 1890/1900.

 

Als Ortsangabe trägt das Präparat "Halifax coal strata".
Halixfax befindet sich am ausstreichenden Ende eines Kohlefeldes in der englischen Graftschaft Yorkshire (s. "A" im Bild aus Google Maps oben).
Dort wurde, wie auch anderswo in UK, über Jahrhunderte Kohle abgebaut, damals teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen, incl. schwerster Kinderarbeit untertage, wie im Web nachzulesen ist.
Der Höhepunkt dieser Industrie war dort wohl gegen 1850 erreicht.

Geologie:



(Bildquelle: http://www2.halifaxtoday.co.uk/calderheritage/halfaxcoal.htm)

Das Yorkshire coal field wird in drei Horizonte unterteilt, dieser Fund stammt wahrscheinlich aus dem ergiebigen, unteren Horizont.
Die Formation stammt aus dem Oberkarbon -genauer, aus dem Langsettian (=Westphalian A) des frühen Pennsylvanian, etwa 318–311 Mio Jahre alt.
Abgelagert wurden die später inkohlten Pflanzen in einem tropischen Sumpfgebiet nahe der Meeresküste.

Das Präparat zeigt Querschnitte aus dem Rhizombereich einer Pflanze und ist mit "Astromyelon" gelabelt, es ist hervorragend präpariert und zeigt die besterhaltensten fossilen Pflanzenstrukturen,
die ich bisher gesehen habe ! Aber auch andere Strukturen wie evt. Blätteräquivalente und Sporen sind zu sehen.

Die früher dem  Genus "Astromyelon" zugeordneten Fossilien sind wie man heute weiss keine eigenständigen Spezies,
sondern repräsentieren in ihrer typischen Struktur vielmehr Rhizome von schachtelhalmartigen Pflanzen und werden heute zum Phylum PTERIDOPHYTA gerechnet.
Andere Teile derselben Pflanzengruppe waren ebenfalls zunächst als eigenständige fossile Spezies benannt:

  • Arthropitys: Stängel
  • Astromyelon: Rhizome, unterschieden von Arthropitys durch das Fehlen eines zentralen Hohlraumes / Kanals
  • Annularia and Asterophylites: Spezielle Blattformen

Mehr unter:
http://en.wikisource.org/wiki/Makers_of_British_botany/William_Crawford_Williamson_1816%E2%80%941895
http://en.wikipedia.org/wiki/Calamites

Zeichnung eines bis 10 m hohen Calamites-Stammes (aus http://chestofbooks.com/reference/American-Cyclopaedia-2/Calamites.html)



Alle nachfolgenden Fotos: Leitz Orthoplan, PL APOs, Moticam 2300

Viel Spass beim Anschauen - und beim Vergleichen mit rezenten Schachtelhalmwurzeln, ich habe so etwas leider nicht, meine es hier im Forum aber schon gesehen zu haben ...
Das Material ist mit ca. 300 Mio Jahren dann doch 100 Mio Jahre jünger als der Rhynie chert, allerdings ist der Erhaltungszustand des Pflanzengewebes sensationell, wie ich finde,
wenn ich das mit manchem hier im Forum gezeigten, ungefärbten Schnitt vergleiche ...

Herzliche Grüsse,
Holger

Übersicht. Der grosse Querschnitt hat 7 mm im Durchmesser (die Qualität hat durch das Herunterrechnen des Mosaiks gelitten)


Grosses Rhizom


Kleineres Rhizom oben links


Strukturen aus dem grossen Rhizom




Strukturen aus dem kleinen Rhizom




Leitbündel




Sporen









Herne

Hallo Holger,
absolut umwerfend, diese Präparate! ::)
Meine, erst wenige Jahre alten Schnitte  sind bei weitem nicht so gut.
Vielleicht sollten wir mal über die Eindeckung mit Quarz statt Euparal etc. nachdenken ...  ;)
(Könnte sogar gehen, etwa mit einem Wasserglas-Gel)

freundlich geplättete Grüße
Herbert
Die animalcula infusoria sind Blasen mit Neigungen.
G. Chr. Lichtenberg

Fahrenheit

Lieber Holger,

wo Du nur immer wieder diese faszinierenden Präparate ausgräbst!  :)
Der Detailreichtum ist einfach umwerfend, besonders die längst getroffenen Tracheen und die Wurzelgabelung.

Vielen Dank für die spannende Dokumentation und herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Mila

Lieber Holger,

superklasse und sehr faszinierend!

Herzliche Grüße
Mila

HDD

Lieber Holger

Es ist immer wieder faszinierend wie gut solche pflanzlichen,
versteinerten Strukturen über diese lange Zeit erhalten sind.

Faszinierende Bilder. Wie dick ist der Dünnschliff beim 3. Foto?

Herzliche Grüße und Danke für diesen Bericht.

Horst-Dieter

Ronald Schulte

Holger,

Faszinierend. Vielleicht muss ich mich mal was schlauer machen in die Dünnschliff-Welt.

Wenn ich mich zuerst mal ein oder zwei Dünnschliffe anfertigen lasse, muss man ja ein Stein oder sonstiges haben oder suchen.
Wie fängt man da an? Was ist tauglich? Was nicht? Wo sucht man? Was sucht man?
Gibt es da ein einstieg?

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Holger Adelmann

Vielen Dank für die netten Rückmeldungen, Freunde.

Anscheinend hat aber niemand ein Schachtelhalm-Rhizom geschnitten?
Wäre schön das mal zu vergleichen.

@ Herbert:
Ja, vielleicht könnte Wasserglas gehen, ein Na-Silikat. Man könnte darin evt. ohne Entwässerung einschliessen, wegen der Schrumpfungstendenz sollte man aber einen Lackring anwenden.
Probiers doch mal mit einem ungefärbten Schnitt - das würde bestimmt viele hier im Forum interessieren...

@ Jörg:
Wer suchet, der findet, diese schönen Sachen sind eher selten. War auch vergangene Wochen beruflich in London, da gibt es auch noch viele schöne Sachen ... an der Portobello Road :) (mit Dank für den Tipp bei Florian)

@ Mila:
Danke sehr :)

@ Horst-Dieter:
Ich habe da keine Angabe, habe aber mal bei gekreuzten Polarisatoren Quarzkörner gesucht, die zeigten meist die typische "lavendelgraue" Interferenzfarbe für dünne Schliffe (um die 30 µm... )

@ Ronald:
Bestell Dir doch mal das Büchlein "Vulkane im Siebengebirge" von Schmid, Froitzheim (Bouvier Verlag Bonn), sowie eine Geologische Karte 1:25.000 mit Erläuterungen von Königswinter / Siebengebirge (vom Geologischen Landesamt NRW). Im Siebengebirge gibt es tolle Vulkangesteine, die sind immer ein schöner Einstieg in die Schleiferei und Dünnschliffmikroskopie, da sie viele schöne Kristalle enthalten, die im polarisierten Licht sehr schön sind.
Ausserdem macht es viel Spass, diese Gesteine dort zu sammeln. Wo? Das steht in der genannten Literatur genau beschreiben.
Und schön Wandern und gut Essen kannst Du im Siebengebirge jetzt im Frühjahr auch mit Deiner Frau :)

Herzliche Grüsse
Holger