wo gehobelt wird, da fallen Späne....

Begonnen von Michael Plewka, November 02, 2012, 21:52:19 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

liebe Tümplerinnnen und Tümpler,

zur Kenntnisnahme hier  mal wieder Bilder von einem Organismus, von dem es m.W. im www. noch keine Fotos gibt, obwohl das Viech vermutlich nicht selten ist. Auch weiterführende Literatur habe ich hierzu keine gefunden.

Leider passiert es immer wieder, dass beim Abschaben von Blättern (hier Seerose aus unserem Gartenteich) Organismen verletzt werden. Diesmal traf es zwei Gliederwürmer (einen Nais und einen Aulophorus). Beim Durchmustern der Probe unterm Mikroskop fielen mir dann einige Organismen auf,  die ich zuvor noch nie gesehen hatte.  In einem solchen Fall hat man kaum Möglichkeiten einer weitergehenden "Präparation"; da heißt es: mit der Kamera draufhalten, Schappschüsse machen, da man nicht weiß, ob sich einem die Gelegenheit noch einmal bietet.

Es handelte sich um bewegliche Ketten ähnlich denen, die man von Turbellarien oder auch von Oligochaeten kennt.





Obwohl ja auch Turbellarien einen Cilienbesatz aufweisen,  handelt sich in diesem Fall  um Ciliaten, die aber einige Besonderheiten aufweisen.  So haben sie z.B. keinen "Mund" (>>> Astomatia); deshalb fehlen auch lichtmikroskopisch sichtbare Merkmale, die bei Ciliaten ansonsten eine Bestimmung ermöglichen. Der Makronukleus ist nur sehr schwer  zu erkennen, er zieht sich wie ein Stab durch die gesamte Zelle (siehe auch Bild ganz unten):  




Astomatia leben vorwiegend (ausschließlich?) scheinbar wirtsspezifisch in anderen Organismen, so z.B. auch Gliederwürmern, wobei wohl nicht klar ist, ob symbiontisch oder parasitisch. Vermutlich stammt die Art Radiophrya sp. die hier vorliegt, aus  einer Aulophorus Art (die beiden zerfetzten Würmer lagen so nah beieinander, dass die Zuordnung als Wirt nicht mehr möglich war.
Die Astomatia haben außerdem eine Anheftungsstruktur, die bei Radiophrya wie ein umgekehrtes V ausgebildet ist (weiße Pfeilspitze), von der aus ein kortikaler Faserapparat  den Vorderpol der Zelle schirmartig überzieht (einige der Fasern sind durch weiße Dreiecke markiert).




Bemerkenswert ist auch, dass die Viecher außerhalb ihres Wirts relativ schnell absterben, hierbei bildeten sich (neben den "normalen" Kontraktilen Vakuolen) vor allem um den Makronukleus herum sehr viele Vakuolen, kurz darauf waren keine Lebensaktivitäten mehr festzustellen.




In weiteren Proben habe ich anschließend nach weiteren Würmern als möglichen Parasiten gesucht, fand jedoch nur Nais sp. ohne diese Ciliaten, d.h. es ist bisher bei dieser einen Beobachtung geblieben.


beste Grüße Michael Plewka

rekuwi

Lieber Michael,

unglaublich was Du so alles findest! Die Würmer waren zwar futsch, dafür ein umso interessanterer Fund. Ob in unserem Darm auch Ciliaten leben?

Jedenfalls hast Du trotz der Überraschung einwandfreie Fotos geschossen. Und daß diese parasitischen Ciliaten so schnell absterben konntest Du auch nicht ahnen.
Vielen Dank für diese tolle Dokumentation!

Liebe Grüße
Regi

Fahrenheit

Lieber Michael,

schön, dass Dir diese seltenen Schüsse gelungen sind!

Ich vermute, dass sich das frühe Ableben der Ciliaten außerhalb des Wirtes aus ihrer Lebensweise ergibt: wie Du schreibst, haben sie keinen "Mund", ich vermute, dass sie ihre Nährstoffen direkt aus der sie immer umspülenden Darmfüllung des Wurms aufnehmen und daher an die dort herrschenden Konzentrationen angepasst sind.

Im freien Wasser dürfte daher viel mehr Wasser in den Körper eindringen (Osmose ...), als die Tierchen nach draußen schaffen können und irgendwann ist dann Schluss. Die Bildung der vielen kleinen Vakuolen deutet m.E. zumindest auf ein solches Geschehen hin.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Rawfoto

Hallo Michael

Sensationell, topp was Du uns da für Bilder bietest ==> Danke :-))

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Ralf

Hallo Michael,

schließe mich meinen lobenden Vorrednern vorbehaltlos an und sage danke, dass du uns an deinen Entdeckungen teil haben lässt.




Michael Plewka

hallo zusammen,

vielen Dank für die positiven Rückmeldungen!

Um die Frage zu beantworten, ob Ciliaten auch im Darm vom Menschen vorkommen, habe ich zwar die geeigneten Geräte, aber keine sooo große Wissbegierde, um das praktisch zu erforschen.....Die Suchanfrage in der "wiki" ergibt, dass 99% der Darmflora aus Bakterien besteht, über die 1% Eukaryoten gibt es aber keine Angaben. Vielleicht wissen die Mediziner dazu mehr........

Interessant erscheint mir aber auch, dass spontan angenommen wird, dass Radiophrya im Darm vorkommt. Ich konnte das leider nicht überprüfen; möglich wäre aber, dass die Ciliaten in der Leibeshöhle oder Organen vorkommen, so wie andere Einzeller bei anderen Vielzellern auch (z.B.Malaria/ Leishmania).

Die Bläschenbildung wird sicherlich etwas mit osmotischen Prozessen zu tun haben. Auffällig ist jedoch die Ansammlung der Bläschen um dem Makronukeus herum, für das ich keine Erklärung habe.

beste Grüße Michael Plewka

Jürgen H.

Lieber Michael,

fantastische Bilder, wie immer von Dir.

Wenn die Viecherls im Darm vorkommen, dürften sie ein osmotisch völlig anders wirkendes Milieu vorfinden als im Wasser. Sind das, was auf dem letzten Bild zu sehen ist, möglicherweise keine Vertiefungen sondern Bläschen? Ich komme darauf, weil der Ciliat unten links am Rand zwei Bläschen - und zwar recht große - aufweist. Gehören die zum Tier? Zeigte es, als das letzte Bild entstand noch Lebenszeichen?

Schöne Grüße

Jürgen

Michael Plewka

hallo Jürgen,

vielen Dank für das Lob!

Bei den  Kontrastverfahren, die den Eindruck eines Reliefs erzeugen  (Schieflicht und DIK), spielt uns die Wahrnehmung des öfteren einen  Streich; deshalb bedarf das Gesehene einer sorgfältigen Interpretation.
Sowohl die großen Kontraktilen Vakuolen als auch die Vakuolen um den Makronukleus, die als Vertiefungen erscheinen  plus die beiden Bläschen, die als Erhöhungen erscheinen am unteren Zellrand, sind allesamt Bläschen, d.h. flüssigkeitsgefüllte Vesikel. Letztere sind ein (normalerweise) sicheres Anzeichen dafür, dass das Viech seinen Geist aufgibt. So auch hier, die Cilien haben sich noch ca. 1. min weiterbewegt, dann war Schluss. Die Zelle ist aber nicht geplatzt, so wie man es von anderen Ciliaten her kennt.
Dass das Milieu im Darm eines Wirts (aber auch in der Leibeshöhle)  ein anderes ist als im freien Wasser darf zweifellos angenommen werden.

beste Grüße Michael Plewka

Jürgen H.

#8
Entschuldigung, da hatte ich mich kräftig vertan...daher habe ich meinen neuen Beitrag, der hier stand, schlicht gestrichen.

Schöne Grüße

Jürgen