Röhrchen im Bakterienrasen

Begonnen von Fahrenheit, April 30, 2013, 21:11:05 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Bakterien-Kenner,

ich hoffe, dass ich hier ein paar Infos zu einem Bakterienrasen bekomme, der wohl von Acidithiobacillus ferrooxidans gebildet wird. Aber langsam und von Anfang an!

Am Wochenende vom 20. auf den 21.04. war die MKB Frühjahrsexkursion, die uns diesmal unter der fachkundigen Leitung von Holger Adelmann zu diversen Berkwerkshalden im Siegerland und an der Wied geführt hat. Unter anderem haben wir auch die Reste der Grube Fischbacherwerk im Ottertal bei Niederfischbach besucht.

Dort gibt es einen verschütteten Entwässerungsstollen, aus dem noch immer Wasser nach draußen drängt. Im Abfluss hat sich ein orange-brauner Bakterienrasen gebildet, von dem wir natürlich Proben genommen haben. Leider ohne die Wasserwerte zu messen (ph und Temperatur wären hier sicher von Interesse).

Hier ein paar Bilder von der Probenstelle:







 

ZitatEin paar Infos zur Grube, die Holger zusammen getragen hat:

Grube Fischbacherwerk, Niederfischbach
Siderit-Gänge mit silberhaltigen Blei-Erzen, Penroseit (einziges bekanntes Selenid des Siegerlandes). Schlackenmineralien: Lithargit und Wüstit.
Im 15. Jahrhundert wurden die Rechte auf den Abbau von Bleierzen verliehen, ab 1880 wurde auch Silber abgebaut. Um 1770 wurde eine Gesellschaft gegründet, sie bestand aus einer Konsolidation aus den alten Einzelgruben Krautgarten, Blumengarten und Wendelseifen. Zwischen 1860 und 1897 wurde die Grube dreimal verkauft: 1860: durch eine belgische Minengesellschaft, 1878: durch eine englische Bergwerksgesellschaft, 1897: durch ,,Niederfischbacher Berg- und Hüttengesellschaft".Im Jahr 1869 fing man an, einen Schacht abzuteufen. Richtiger Tiefbau fand allerdings erst ab 1869 statt. Der Schacht hatte eine Größe von 2,54 x 0,9 m und eine Teufe von 390 m. Ab 1893 trug er die Bezeichnung Alter Schacht, nachdem man bereits 1880 einen zweiten Schacht abgeteuft hatte. Dieser wurde 465 m tief. Die Gesamtteufe der Grube betrug 510 m, auf die 12 Sohlen verteilt waren; bis zu 350 Belegschaftsmitglieder arbeiteten in ihr. Im Jahr 1869 förderte die Grube 12.388 t Spateisenstein, 71 t Bleierze und 92 t Kupfererz. 1888 bekam die Grube Anschluss an die Bahn Betzdorf-Olpe. Noch 1897 förderte man 9.702 t Eisenerz. 1901 ging sie in Konkurs und wurde 1902 stillgelegt. Zwei Jahre später wurden die Grubenbaue endgültig aufgegeben. Insgesamt wurden 212.562 t Eisenerz und 34.700 t silberhaltiges Bleierz gefördert.

Dazu passen die Infos zu Acidithiobacillus ferrooxidans aus der Wikipedia:

ZitatAcidithiobacillus ist eine Bakteriengattung innerhalb der Gammaproteobacteria, deren Arten bis zum Jahre 2000 zur Gattung Thiobacillus (Familie Hydrogenophilaceae der Beta-Proteobakterien) gezählt wurden, und ist die gegenwärtig einzige Gattung der Familie Acidithiobacillaceae. Die Arten der Gattung sind charakterisiert durch Chemolithotrophie, Acidophilie und die Fähigkeit zur Oxidation von elementarem Schwefel und reduzierten Schwefelverbindungen.

Charakteristische und gut untersuchte Arten sind:

    Acidithiobacillus ferrooxidans: oxidiert zweiwertiges Eisen, elementaren Schwefel und reduzierte Schwefelverbindungen. Durch diese Oxidationen werden Eisen-Schwefel-Minerale wie Pyrit und Markasit aufgelöst. Die entstehenden Stoffwechselprodukte sind dreiwertiges Eisen bzw. Schweflige Säure und Schwefelsäure. Die Gattung Acidithiobacillus toleriert sehr hohe Säurekonzentrationen, so wurde dieses Bakterium in Sauerwässern gefunden, die aus Pyrit-haltigen Bergbauhalden sickern.
    Acidithiobacillus thiooxidans: oxidiert reduzierte Schwefelverbindungen zu Schwefliger Säure und Schwefelsäure. Das Bakterium wurde gefunden in Sauerwässern, die aus Pyrit-haltigen Bergbauhalden sickern, und in beschädigten Abwasserleitungen, die Schwefelwasserstoff und andere reduzierte Schwefelverbindungen enthielten.

Beide Arten bewohnen Gesteine, Bergwerke und Bergbauhalden, die Verbindungen mit zweiwertigem Eisen oder reduzierte Schwefelverbindungen oder beides enthalten. Sie werden industriell beim Bioleaching, einem speziellen Metallgewinnungsverfahren eingesetzt, bei dem durch bakterielle Oxidationen Metalle aus sulfidischen Erzen, Gold aus Pyriteinschluss und Uran aus Uraninit-haltigen Erzen gewonnen werden.

Und so schaut das ganze unter dem Mikroskop aus (Vergrößerung 400x):



Während die einzelnen Bakterien bei dieser Vergrößerung kaum auszumachen sind, fallen die vielen röhrenförmigen Gebilde auf, die wohl erst die nötige Stabilität für die Kissen in den obigen makroskopischen Bildern liefern.

Was könnte das sein?

Kennt jemand die Bakterien und die Röhren? Stehen diese in einer Beziehung zueinander oder ist das Zufall? Stimmt die Einordnung (Bestimmung würde ich das nicht nennen wollen ...) überhaupt?
Ich freue mich über alle sachdienlichen Hinweise.

Herzliche Grüße
Jörg
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Klaus Herrmann

Lieber Jörg,

das hatten wir schon mal, aber wie so oft finde ich es nicht. Deshalb ein paar Bilder:

Ich hatte damals den Berlinerblau-Nachweis gemacht. Die Lösung, die ich damals dafür angesetzt hatte muss noch in meiner Agenziensammlung sein.
Ich hatte mir notiert: Eisenalgen




Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Fahrenheit

Lieber Klaus,

vielen Dank und ein Hoch auf Dein Erinnerungsvermögen! ich habe mal die Wikipedia bemüt, das sxchaut gut aus. Lepidothrix ochracea scheibnt aber auch ein Bakterium zu sein, das in den Röhren lebt. Mach schauen, ob ich bewohnte Röhren finde, leider ist die Probe nicht mehr ganz frisch.

Könntest Du mir ggf. ein klein Wenig von Deinem Reagenz und eine Anleitung zu kommen lassen?

Herzliche Grüße
Jörg
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Klaus Herrmann

Tante Google hat mein Bild herausgefischt und so fand ich den Beitrag mit seinen Wirrungen und Irrungen doch noch:

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=9603.0
Der Titel Schwefelbakterien ist natürlich nicht sehr hilfreich bei der Suche nach Eisenbakterien.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Klaus Herrmann

Lieber Jörg,

dein Bild war so typisch, dass es gleich bei mir gefunkt hat. Und da eines meiner Bilder unter den Beispielbildern archiviert ist bei Wikipedia kam ich auch leicht auf den Beitrag.

Lösung bringe ich nach Darmstadt mit, wenn du ganz ungeduldig bist können wir auch die Post bemühen. Die Methode ist glaube ich im Beitrag beschrieben.
Freut mich geholfen zu haben! :D
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Fahrenheit

#5
Lieber Klaus,

danke für das Suchen! Und auch bei mir kommt die Erinnerung wieder: dazu muss es was bei Römpp/Raaf geben.

Bevor meine Apotheker wieder die Ohren anlegen und das SEK aufrödelt: es wäre nett, wenn Du mir etwas Kaliumhexacyanoferrat (II) zusenden könntest - am Wasser muss die Post nicht verdienen.
Leider komme ich so einfach nicht mehr an eine frische Probe und ich habe Angst, dass das ganze umkippt.
Vor Jahrzehnten hatte ich beide Blutlaugensalze in meinem Schülerlabor. Leider ist schon alles ordnungsgemäß entsorgt.

Der alte Thread ist ja erschöpfend und den letzten Eintrag kann ich bestätigen: meine Röhrchen sind alle leer - zumindest nach allem, was ich erkennen kann.

Herzliche Grüße
Jörg
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Klaus Herrmann

...Blutlaugensalz*) lieber Jörg ist nicht vergessen. Aber du hast mir das Leben - ohne das zu ahnen - schwer gemacht. Durch Umschichten war die Kiste wo es drin ist ganz nach unten gerutscht. Ich hab ja das eine oder andere;-)))
Jetzt sind ein paar Gramm unterwegs .

Was macht eigentlich das St 16?

Herzliche Grüße

Klaus

*) K-Hexacyanoferrat (II)  ;D
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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rekuwi

Lieber Jörg,

bin zwar zu spät mit meinem "Senf", bringe ihn aber doch noch an. Ich hatte ganz am Anfang meiner Mikroskopiererei auch mal diesen rostfarbenen Belag von einem Rinnsal bei uns im Wald beguckt und fand diese leeren Röhrchen. Ich hatte damals um Rat im hiesigen naturkundl. Museum nachgefragt, die konnte mir aber nichts darüber sagen.
Später habe ich erfahren, daß es sich um Eisenbakterien handelt. Diese säßen an den Enden der Röhren (die sie bilden) und fallen bei Berührung sofort ab. Die Bakterien habe ich nicht erwischen können.
Hoffe das Du fündig wirst! ;)

Herzliche Grüße
Regi

Fahrenheit

Lieber Klaus,

dabei tut ein wenig Bewegung doch so gut! ;-)
Danke, dass Du auf der Suche nach dem Kaliumhexacyanoferrat (II) Deine Sammlung für mich umgegraben hast und Danke fürs Zuschicken!
Ich hoffe, Deine Anstrengungen auf der Kornrade mit einem schönen Gläschen eines feinen Rosé-Crémants wieder gut machen zu können.

Das 16er bleibt, so wie es aussieht, in der MKB-Familie, aber danke der Nachfrage. :-)

Liebe Regi,

auch Dir vielen Dank für Deine Hinweise! Ich glaube, Bakterien werde ich keine mehr erwischen, dazu ist die Probe wohl nun zu alt. Die Viecherl hocken allerdings durchaus zu mehreren in den Röhren, zumindest, wenn man den Wikipedia - Fotos glauben darf.

Euch beiden herzliche Grüße
Jörg
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Frank D.

#9
Lieber Jörg,

durch die Frage nach der Braunfärbung eines ca. 50cm breiten Baches hinter dem Bottroper Museum, kam ich auf die Namensgebung eines anderen Baches, der durch Bottrop fließt. Unser Rotbach http://www.google.de/imgres?q=rotbach+bottrop&um=1&sa=N&hl=de&biw=1434&bih=757&tbm=isch&tbnid=wg0adbE3fFAUHM:&imgrefurl=http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/23596335&docid=047X-sGbpENgrM&imgurl=http://img.fotocommunity.com/images/Bach-Fluss-See/Bachlaeufe/Der-Rotbach-a23596335.jpg&w=950&h=666&ei=5N-LUbyuC8mN4gSe6YHoCg&zoom=1&iact=hc&vpx=509&vpy=381&dur=227&hovh=188&hovw=268&tx=153&ty=89&page=1&tbnh=135&tbnw=176&start=0&ndsp=28&ved=1t:429,r:10,s:0,i:114
hat seinen Namen durch seinen Raseneisenstein erhalten, dessen Entstehung auf die von Dir angesprochenen Bakterien zurückzuführen ist und,
laut Wiki https://de.wikipedia.org/wiki/Raseneisenstein,
wohl nach der letzten Eiszeit in eisenhaltigem Grundwasser seinen Ursprung fand.

Herzliche Grüße
Frank

Fahrenheit

Lieber Frank,

vielen Dank für die weiterführenden Informationen! Das mag für die früheren Prospektoren Anlass gewesen sein, nach Erzen ausschau zu halten, wenn der Raseneisenstein nicht bauwürdig oder das Vorkommen erschöpft war.

Herzliche Grüße
Jörg
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Podsol

Die bakterielle Genese von Raseneisenerz ist eine interessante Frage. Nach einer kurzen Literaturstudie bezüglich der Genese von Raseneisenerz scheinen Bakterien nur eine initiale Rolle bei der Reduzierung der Fe-Oxide zu spielen. Bei der Oxidation des Fe2+ sind Gallionella ferruginea und Lepthotrix ochracea (im sauren Milieu) beteiligt, falls das Redoxpotential gering ist (Cornell & Schwertmann 2003, S. 486).
Vielleicht sollte ich mich mal doch mit dem Raseneisenerz beschäftigen das bei mir im Lager liegt...  

Fahrenheit

#12
Lieber Klaus,

nochmals danke für das gelbe Blutlaugensalz! Ich habe heute den Test an der Probe aus dem Abfluss der Grube Fischbacher Werk durchgeführt und sie war wie zu erwarten positiv.

Dazu habe ich ein Wenig vom Bakterienrasen mit einem Tropfen der Kaliumhexacyanoferrat (II) Lösung versetzt und ein wenig Salzsäure dazu gegeben. Der typische blaue Farbumschlag war sofort da. Unter dem Deckglas schaut das dann so aus:



Ein weiterer Fund von einem Abzugsgraben an den Stallberger Teichen bei Siegburg verhält sich gleich:

Die Probe ohne Reagenzien:


Und nach der Nachweisreaktion:

Hier sind die Röhren sogar noch bewohnt. :-)

Herzliche Grüße
Jörg
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Klaus Herrmann

Lieber Jörg,

dann hat es sich doch gelohnt, dass ich vor dem Urlaub noch schnell was abgefüllt habe. Dank der Fleißarbeit meiner Tochter finde ich jetzt auch gezielt die richtige Kiste (unter 50 Stück)

Schönes Bild - und der Nachweis geht super einfach!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Fahrenheit

Lieber Klaus,

noch mal vielen Dank für die vorurlaubliche Lieferung nach erfolgreicher Suchorgie in Deiner Kistensammlung! ;)
Der nachweis geht nicht nur schnell, er macht aus Spaß und das Ergebnis ist durchaus ansehnlich.

Ich hoffe, Ihr hattet einen schönen und vor allem sonnigen Urlaub!

Herzliche Grüße
Jörg
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